Freitag, 22. Januar 2021

Retterliebe


Aus der Erinnerung eines Retters, der sich verlor aber irgendwo wiederfand.

Wollte immer ein Retter sein
Schon bei der Freiwilligen Feuerwehr
Später auf dem Rettungswagen auch
Über Jahre nebenbei im Krankenhaus
Retten machte mich glücklich dabei
Dem Vorbild des Vaters wohl folgend
Einem Arzt aus Überzeugung aber
Noch mehr und intensiver wollte ich
Immer meine geliebten Frauen retten
Ob ihnen Gefahr drohte oder nicht
War ich gern ritterlich zur Stelle
Als Zuhörer voller Verständnis bis
In Zeiten des Online-Dating mir
Auffiel dass ich fast ein Abo auf
Frauen mit traumatischen Erlebnissen
Missbrauch Vergewaltigung ungeliebt
Suizidgefährdet schwer depressiv bis
Schizophren oder spirituell hatte alles
Irgendwann mal dabei und bekam ich
Immer ganz ausführlich auch erzählt
War verständnisvoll bis engagiert
Doch der große Traum des Retters
Wurde die Liebe zu einer sehr
Jungen Dame die alle Register zog
So war ich ihr Retter der sie so
Manches mal von tödlichen Plänen
In allen denkbaren Varianten
Die Romantik wäre neidisch
Abhielt und zu jeder Zeit bereit
Telefonierte täglich viele Stunden
Als Retter voller Verständnis wie
Voller naiver Liebe die alles glaubte
Was die Prinzessin ihm vormachte
Versuchte durch größte Vorsicht 
Ihre Eifersucht zu vermeiden die
Dennoch anfallsweise kam weil
Gegen psychische Störungen keine
Vernunft je helfen kann war dann
Wenn ein Anfall bei ihr begann
Voller Sorge weil sie gedroht hatte
Verließe ich sie brächte sie sich um
Wer wollte daran auch schuld sein
War ein überreizter Schatten nur
Des Flaneurs noch der immer
Seine Prinzessin retten wollte
Bis sie einen anderen hatte
Ihn nicht mehr brauchte was den
Retter völlig verzweifeln ließ dabei
Hatte er sie mit letzter Vernunft
Rausgeworfen gehabt davor
War aber danach voller Sorge
Wieder angekrochen gekommen
Jedenfalls verzweifelte der Retter
Völlig am Leben das ihm ohne
Die ewig bedürftige Prinzessin
Leer und sinnlos schien statt
Sich an der Freiheit zu freuen
Irgendwann merkte auch ich
Wie gut das Leben ohne sie war
Deren Rettersklave ich lang blieb
Schaue auf die Geschichte heute
Mit Sicherheitsabstand genug
Lache über manches nur noch
Wie Nächte im Krankenhaus
Für nichts als mehr Aufmerksamkeit
Die sich durch ihr Leben stets zog
Als größte kleinste aller Drama-Queens
Fiel auf das Retterschema danach
Noch einige male herein wollte
Der Alkoholikerin helfen wie den
Vergewaltigungsopfern wieder Lust
An der Liebe zärtlich schenken
Bis ich eine Norddeutsche traf
Die groß war und keine Rettung
Brauchte noch wolle auch nicht
Heiraten Verloben oder Beziehung
Sie rettete mich ganz nebenbei
Vor völliger Verzweiflung auch
Seitdem muss ich niemand mehr
Retten auch nicht vor sich selbst
Natürlich täte ich immer alles
Wenn eine Liebste in Gefahr
Aber erstmal rettete ich mich
Davor liebender Retter zu sein
Nicht lebensnotwendig gebraucht
Aber ziemlich gern gemocht zu sein
Lebt sich irgendwie viel besser
Irgendwann erzähl ich die Geschichten
Von denen die es taten wie jenen
Die erfolgreich damit drohten
Anderen die es erfolglos taten
Wie von mir der über allem
Retten sich verloren hatte
Es ist tragisch und also komisch
Denk ich und schüttel den Kopf
Wie nah der Wahnsinn doch
Manchmal schon liegt ohne
Genau zu wissen was noch
Normal ist und denke an Werther
Das liebste Buch der Prinzessin
Die mir nie wieder eine wird
Was ich nie ausstehen konnte
Bis sie mich dazu machte
Mag es immer noch nicht
Goethe schrieb viel besseres
Schüttel den Kopf und lache
Endlich befreit über das Stück
In meines Lebens Erinnerung
Nun bin ich ein geretteter Retter
Denk ich was für ein Theater
Liebe halt was soll ich sagen
Mit Abstand eher komisch

jens tuengerthal 22.1.21


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