Dienstag, 25. Juni 2013

Vom Untergang des Abendlandes

Wie eine Sintflut Zeichen setzt

Kaum gehen die Fluten zurück gehen wir wieder zur Tagesordnung über soweit wir nicht noch mit dem dort irgendwie überleben beschäftigt sind. Genug der Bilder und Nachrichten, die Schlagzeilen machen morgen schon wieder andere kleine oder große Katastrophen wo auch immer und im übrigen haben wir noch die Wahl, freuen wir uns also, wenn der feuchte Grund zur Profilierung endlich weg fällt.

Die jedesmal Jahrhunderte übertreffenden Ereignisse werden langweilig, wenn sie sich häufen, wir sind längst gesättigt von Bildern, auch wenn jetzt erst die Arbeit beginnt, die des Wiederaufbaus. Nur ist die Beseitigung von Dreck wenig schlagzeilenträchtig, Gift ist unsichtbar und wirkt langsam, nichts, was sich filmen ließe.

Wir nennen unsere Kultur gerne abendländisch, erinnern an unsere auch christlichen Wurzeln, als eine Kultur die auf Büchern fußt. Bücher aus einer Zeit als die großen Fluten noch für göttlichen Fluch gehalten wurden, Eingang in die heiligen Bücher fanden, den Menschen eine Lehre sein sollten. Sie mahnten zu maßvollem Leben und der sagenhaft einzig überlebende baute keine Mauern sein Gut zu retten, zog nicht in höhere Lagen, sondern baute ein Boot.

Der biblische Noah hatte begriffen, dass er der Natur nicht gegen sie trotzen konnte, sondern nur mit ihr.  So hat ihm die Anpassung das Leben gerettet, er fügte sich den Umständen und rettete, so geht die Sage, Natur und Kultur nicht indem er sie abschirmte, sondern mit den größeren Kräften respektvoll leben lernte.

Wir dagegen bejubeln Deiche, die noch halten, auch wenn sie so Druck und Welle noch erhöhen. Das einzige, was unsere Kultur bis zur Besinnungslosigkeit noch beherrscht, ist höher und höher zu bauen. Noch im Untergang halten wir uns an diese letzte Fähigkeit, um uns zu retten, die wir längst wissen, dieser Weg ist eine Einbahnstraße mit immer fataleren Folgen.

Aus der Geschichte unserer Welt wissen wir, jede Kultur trieb, was sie meinte besonders gut zu können, kurz vor ihrem Untergang noch zu besonderen Höhen, achtete nicht auf dem etwa entgegen stehende Zeichen von Natur oder Menschen, sondern betonte, dass, was sie schon immer und immer besser konnten, sie auch am Ende retten würde. Ihr immer wieder Untergang bewies das Gegenteil.

Wir sehen unser Scheitern bei der Beherrschung der Natur immer wieder, doch statt eine Arche zu bauen, planieren wir den Grund, bauen höhere Mauern, meinen beim nächsten mal, genug getan zu haben, wenn noch mehr Wasser den Nachbarn trifft.

Ohne ganz zu wissen, was wir tun, greifen wir klonend in die Tiefe der Natur ein, erzeugen Leben und können doch die Folgen kaum abschätzen.

Blind für die Folgen wollen wir, fasziniert von den riesigen Kräften, Atome spalten. Die Folgen dieses Prozesses übersteigen die Dauer aller menschlichen Kultur auf diesem Planeten. Wir wissen weder, wie wir die strahlenden Reste beseitigen, noch was aus diesen je werden wird, wie kommende Generationen mit ihnen überleben sollen uns wenn wir langsam unsere Unfähigkeit bei etwas einsehen, wird es noch genug geben, die uns den Gewinn entgegen halten, ganz menschlich kürzer kalkulieren, denn von nichts, käme bekanntlich keine Energie.

Vor allem gäbe es einen Markt, der ein Funktionieren fordert, dessen kühle Kalkulation sich nicht mit Ideen umgehen ließe, alles müsse sich eben rechnen und so fügen wir uns dessen Zwängen, um zu überleben. Jeder tut es auf seine Art, auch die radikalsten Verweigerer bieten sich auf ihrem Markt an, konsumieren und verkaufen sich und ihr Gut und sei es nur auf dem ältesten Marktplatz, dem der Begattung, bei dem wir dem gewählten Partner gefallen, ihn vom Angebot überzeugen wollen, auch wenn die Paarung in den allermeisten Fällen eher eine Auswahl derer ist, die sich scheinbar wählen lassen aber diese Feinheiten des menschlichen Paarungsverhaltens sind völlig irrelevant für die Tatsache, dass es sich hierbei um ein Verhalten am Markt handelt, das eben diesen Regeln folgt.

Was hat der also natürliche Markt mit dem Untergang zu tun, wird sich nun fragen und muss, was scheinbar natürlich ist, darum unbeschränkt werden?

Die Folgen der Flut und unser Wahn immer höher und weiter zu bauen, sind das Ergebnis einer auf Wachstum ausgelegten Ökonomie, in der untergeht, wer sich nicht ständig übertrifft, weiter wächst, auch wenn wir längst wissen, dass dem Wachstum in unserem begrenzten Umfeld naturgemäß enge Grenzen gezogen sind. Unter dem Druck größtmöglicher Effektivität handeln wir auch gegen jede Vernunft und halten unser Verhalten, da effektiv, für dennoch nötig und vernünftig. Wir beten unseren Guru, das Wachstum, an, als böte es uns einzig Glück.

Dem Diktat der Ökonomie folgend verhalten wir uns also nur formal rational, eben rationell, ohne uns noch Gedanken über die Wurzeln dieses Verhaltens machen. Betrachten wir die Wurzeln dieses Treibens genauer müssen wir feststellen, es ist nur die Gier nach mehr und die These, mehr zu haben, würde unser Glück mehren, ist so irrational wie ihre Wurzeln in einer Variante des Pietismus, der eben göttliche Gnade, also etwas höchst irrationales am ökonomischen Erfolg maß.

Eine auf ständiges Wachstum angelegte Kultur ist auf notwendig begrenztem Raum zum Scheitern verurteilt. Das wissen wir, dennoch ändern wir nichts an unseren Zielen oder den Methoden ihrer Erreichung. Im Gegenteil, wir gaben der globalen Ökonomie zu Beginn dieses Jahrtausends noch mehr Macht, weil der freie Markt, diese nur scheinbar demokratische Götze des kapitalistischen Systems, es schon richten werde, für gerechten Ausgleich sorgen würde.

Leider nur war der Markt nie frei, noch hatten seine Teilnehmer je die Chance dazu. Vielmehr sorgte die zunehmende Liberalisierung dafür, dass die Inhaber der Monopole auf Kosten der Mehrheit noch stärker wurden, ihre Position erfolgreich ausbauten.

Die Regierungen der nur noch vermeintlich demokratischen Staaten unterstützen diesen Vorgang, beraten von den besten Ökonomen, die eben im Dienst derer standen, die am meisten zahlen konnten und so regelte sich der Markt, in der Hand derer die ihm kontrollierten, selbst. Nicht umsonst sind die Chef Volkswirte des größten deutschen Bankhauses, um nur ein Beispiel zu nennen, immer Berater der jeweiligen Kanzler gewesen.
Eine eigentlich irrationale Ideologie im Kleid des Rationellen sorgte so für den immer weitergehenden Ausverkauf der Staaten die sich mit ihren Maßstäben messen ließen. Die polis begab sich in die Hand eines Klientels von Geldverleihern und spielte über ihre eigenen Institute auch ein wenig auf dem großen Markt mit. Verluste wurden sozialisiert und Gewinne privatisiert, der nur scheinbar demokratische Maßstab ökonomischer Notwendigkeit begann, Europa zu regieren.

Regierungen regierten nicht mehr, auch wenn sie dazu den demokratischen Auftrag vom eigentlich Souverän bekamen, sondern reagierten nur noch auf Notwendigkeiten. Das Wort der Stunde im politischen Handeln wurde  "alternativlos".

Logisch gehorchte die Planung nun kurzfristigen Zwängen des Marktes und konnten langfristige Vorhaben ohne vordergründige Effektivität nicht mehr realisiert werden.
Da stehen wir nun, elf Jahre nach der letzten Jahrhundertflut mitten in der nächsten, haben nur einige Dämme und Mauern erhöht, statt der Natur den notwendigen Auslauf zu geben, den sie unstrittig braucht. Wir haben den Druck also nur erhöht und im übrigen den Gesetzen des Marktes gehorcht. Es verschiebt und potenziert die Katastrophe, weil wir unfähig sind, am Markt zu lernen, dem wir immer nur hinterherlaufen und der doch kurzsichtig bis zum Selbstmord bleibt.

Positiv daran ist jedoch, bei aller Schwarzmalerei, dass wir über die Fähigkeit uns und unser Leben aufzugeben, die höchste und letzte Verfügbarkeit der Freiheit wach halten. Vielleicht überleben wir all dies verzweifelt nicht, machen dem Grauen angesichts unserer blinden Hybris ein Ende, aber zumindest wissen wir dann jedesmal, wenn es gelingt, wir können uns weiterhin der Illusion hingeben, wir seien frei und könnten etwas ändern. So sind die Selbstmörder wohl die wahren Helden einer Zeit, die beständig an ihrem umgehend arbeitet. Sie zeigen, jedenfalls etwas können wir ändern und verändern und werden so zu den wahren, ungläubigen Märtyrern einer Zeit, die glaubt, sie sei Geld, der Sand im Getriebe der Betriebsamkeit, sich der steten Beschleunigung entgegen stellend.

Es ändert nichts, sich umzubringen, es beendet nur ein eigenes Leben endgültig und unwiderruflich und es stellt sich einfach der Zeit entgegen, entschleunigt, was doch ein deutlicher Mehrwert gegenüber weiter kopfloser Teilnahme ist. Um so mehr es sich überlegen, um so weniger Probleme hätten wir noch.

Lausche dem Regen im Sommer, weiß nicht, was wird oder wie es sein soll. Zu wissen, wir könnten auch anders und es zumindest beenden, hat doch sein Gutes, ein wenig Sonnenschein an trüben Tagen.
jt 25.6.13

Montag, 24. Juni 2013

Mal wieder Montag?

Montagmorgenunruhe

Im Urlaub sein wo andere
Arbeiten schafft eine immer
Lustige Dialektik zwischen
Wollen und Wirklichkeit

Ausschlafen ist unüblich
Seine Ruhe finden während
Andere noch voller Energie
Das Bruttosozialprodukt

Steigern ist unüblich
Zumindest auffällig hat es
Die Tendenz ein schlechtes
Gewissen zu verursachen

Der Flaneur ist hier außer
Am Sonntag keine übliche
Gangart hart am Ziel des
Wohlstands dagegen normal

Manchmal fragt sich wohl
Einer oder eine wozu doch
Der Rhythmus der überall
Baumaschinen ist der Puls

Herzschlag einer fleißigen
Welt den Schwaben direkt
Benachbart ist das Geld
Was immer der Gewinn ist

Erschöpft sinken sie dann
Am Ende ihres Lebens in
Ihren Sessel betrachten was
Sie geschafft es zu bewerten

Lohnendes Leben scheint
Hier ein quantitativer nur
Maßstab zu sein zwischen
Zielerreichung und Frist

Fragt sich nur wieviel Ruhe
Findet wer all dies nur noch
Beobachtet oder ob der vom
Gewohnten abweichende

Zum Störer hier wird gar
Die Frage nach Ziel am Ende
Sogar Zweck des Tempos
Zum Terroristen gegen die

Gewohnheit macht aber
Manchmal scheint das
Risiko des Bombenlegers
Geringer als der Anpassung
jt 24.6.13

Sonntag, 23. Juni 2013

Vorm Untergang des Abendlandes

Nur ein Roman?

1984 war noch nur ein Roman aus einer anderen Zeit und ist längst Vergangenheit, Big Brother ist längst Realität und schreibe ich jetzt nur die Worte Al Quaida oder Bombe, kann ich sicher sein, dass die elektrischen englischen und amerikanischen Schwestern meine Nachricht filtern werden und ich frage mich, ob ich darüber lachen oder weinen soll. Vermutlich ist es am klügsten, so über die Lächerlichkeit der totalen Kontrolle zu spotten, als sich die Illusion von Freiheit nehmen zu lassen, denn was wäre die Alternative?

Ob das Abendland ohne Verteidigung seiner Freiheit untergeht oder infolge der Art der Verteidigung seine Werte verkauft, ist eigentlich egal, wichtiger ist vermutlich, dass wir bis dahin möglichst viel Spaß haben und nicht den Traum von Freiheit aufgeben, vielleicht erhalten wir uns dann überraschend mehr, als wir je hatten. Lebt es sich doch gelassener am Rande des Abgrunds.
jt 24.6.13

Donnerstag, 20. Juni 2013

Hilferuf Menschenwürde

Was sind wir uns noch wert?

Wir veräußern unsere Würde täglich meistbietend auf dem Jahrmarkt der Eitelkeiten, auf dem wir uns feilbieten, um beachtet und anerkannt zu werden. Das ist schlimm genug aber vermutlich normal, jedenfalls menschlich. Wir begeben uns dorthin und könnten vielleicht anders, theoretisch jedenfalls, so wir frei sind, in dem was wir tun.

Noch müssen wir von dieser Freiheit des Einzelnen ausgehen, um ihm die Verantwortung für sein Handeln zu geben. Leugnen wir sie, entmündigen wir die Menschen faktisch, auch wenn wir, parallel zum Erstarken der Psychologie in gerichtlichen Verfahren als Gutachter höherer Wahrheit, die Entmündigung offiziell abschafften, ist die Pathologisierung ein noch grausamerer Schritt kollektiver Entmündigung.

Ohne Freiheit der Entscheidung kann keiner Verantwortung für sein Handeln übernehmen. Es gibt komplexe Gründe, die gegen die Möglichkeit einer freien Verantwortung sprechen, auch Hirnforschung, Jurisprudenz und Politik streiten darüber, von den Bürgern weitgehend unbemerkt, dabei geht es um den Kern dessen, was unser Menschsein ausmacht.

Heute setzt sich der profilierte Liberale und Verteidiger der Bürgerrechte Gerhart Baum in der FAZ in einem dramatischen Hilferuf für die Menschenwürde ein, die in unserer digitalen Welt immer mehr gefährdet werden. 

Gerhart Rudolf Baum ist ein deutscher Politiker (FDP) und Rechtsanwalt. Er war zwischen 1972 und 1978 zunächst Parlamentarischer Staatssekretär bei den damaligen Bundesministern des Innern Hans-Dietrich Genscher und Werner Maihofer, ehe er von 1978 bis 1982 selbst das Amt des Bundesminister des Innern bekleidete. Baum gilt neben Burkhard Hirsch und Sabine Leutheusser-Schnarrenberger als profiliertester Vertreter des linksliberalen Flügels der FDP, der sich für den Schutz von Bürgerrechten einsetzt und deren Einschränkung durch staatliche Überwachungsmaßnahmen zu verhindern sucht.

Sein Aufruf kann nur jedem empfohlen werden, der sich im Netz bewegt und dort sein Leben auf die eine oder andere Art preisgibt. Wir sollten dringend über diese Frage mehr nachdenken, bevor es zu spät ist.

Was ist uns unsere Würde noch wert und was tun wir für ihren Erhalt?

http://m.faz.net/aktuell/feuilleton/debatten/grundrechte-im-netz-wacht-auf-es-geht-um-die-menschenwuerde-12235479.html
jt 20.6.13

Mittwoch, 19. Juni 2013

Erwartungsgemäß normal

Die Zeit der Wunder ist vorbei, wer heute Politik macht, zelebriert die Kunst des Machbaren. Wenn die Visionen nicht nur zum Arzt führen, sondern über das eigene Ego hinaus reichen, ein Politiker sich auf Kant beruft, globale Zusammenhänge skizziert, dann können wir uns eigentlich freuen.

Gute Absichten sind viel nach zu vielen Jahren Bush und dem Symptom kollektiver Verblödung. Wer wollte sich da über einen lockeren Redner beschweren, der wirklich die Ärmel angemessen  hochkrempelte und allen zu rief, lasst uns unter Freunden locker sein, es ist heiß in Berlin.

Wir können ja auch alle verstehen, warum er nicht alles von dem schafft, was er gerne will, der Präsident hinter Panzerglas. Wir wollen ihn gerne wieder mögen, den Helden im Weißen Haus, der so wunderbar reden kann.

Ja, es gab keine großen Überraschungen, es war zu heiß für vieles und dennoch, da war nichts schlechtes an dieser Rede, ein sympathischer Mann, ein mitreißender Redner, wie es unter den Beamten der deutschen Politikverwaltung nicht einen gibt. Eigentlich beruhigend zu sehen, dass die große Weltmacht in der Hand eines so weitsichtigen Mannes liegt, könnten wir glatt meinen.

Er steht in Zwängen, die ihn daran hindern, vieles von dem, was er gern wollen würde, umzusetzen. Die alte normative Kraft des faktischen, sollten wir Deutschen doch gerade gut verstehen können. Zu gern verzeihen wir diesem lieben Mann und glauben ihm seine gute Absichten, was bleibt uns auch, wer wenn nicht er, sollte noch etwas bewegen wollen oder können - vergleicht die Reden von Merkel und  Wowereit und ihr seid alle bereit, dem einzigen Politiker etwas zuzutrauen, er kann es und er wagt es in großen Feldern zu denken, ohne nur festzustellen dass manche Felder eben weit sind.

Ist diese Kritiklosigkeit gegenüber BigBrother aus Washington nun neue Verblendung, schlichtes Schwarmverhalten oder hielte es auch einer kritischen Prüfung stand?

Er hat nahezu keines seiner Ziele erreicht, er erneuert nur Versprechen, lässt weiter überwachen, will nur Guantanamo schließen, wie vor 5 Jahren und lebt sichtbar gefährdet, noch ist Amerika im Krieg gegen den Terror, den seine Vorgänger begannen.

Aber eines unterscheidet ihm deutlich von anderen Staatsoberhäuptern und lässt die infolge faktische Unfähigkeit, die Welt real merklich zu verbessern, gerne verzeihen. Er sucht den Dialog, will gemeinsame Lösungen, strebt nach Vereinbarungen und so scheint es der besten Absichten eben Schicksal, dass es in einer komplexer gewordenen Welt keine einfachen Antworten mehr gibt.

Dies zu erkennen, das Richtige zumindest zu wollen, ist wohl viel längst.  Die Sachwalter managen ein komplexes Gebilde und wer da, wie Obama heute noch Zusammenhänge erkennt, die großen Aufgaben benennt und Kant im Kontext kennt, der hat wohl schon viel und ist ein Glück, auch wenn sich am Ende nicht riesig viel ändern wird, wie auch?

Fast sind wir sogar geneigt, ihm diese verfluchte  amerikanische dreifache Segensformel wieder zu verzeihen, die den Schluss der Rede bildete. Auch wenn sie uns kultivierten Europäern eher atavistisch vorkommt und diese Anrufung von Segen irgendwelcher erdachter höherer Wesen nach einer komplexen weltpolitischen Rede, dem vorigen wieder den Hauch von Lächerlichkeit und Aberglauben gibt. Wen kann in einer  multikulturellen Welt noch ernst nehmen, der mit einem Hokuspokus Segen schließt, wären wir logisch geneigt zu denken, aber auch diesen wohl  amerikanischem Lokalkolorit geschuldeten Unsinn verzeihen wir diesmal gerne.

Vielleicht bleibt die wichtigste Frage nach diesem Besuch, was tun wir, damit sich etwas ändert und warum hat Deutschland so gnadenlos schlechte Redner und wenig inspirierte Denker in der Politik.
jt 19.6.13

Dienstag, 18. Juni 2013

Im Berliner Ensemble

Schweijk im 2. Weltkrieg

Am warmen Sommerabend spielt das BE die Geschichte vom braven Soldaten Schweijk, wie er in den 2. Weltkrieg kam.

Mit dem SS Mann am Tisch vorsichtig plaudernd und die wunderbare Antoni dazwischen singend, nimmt Brecht mit Weil die alte Geschichte wieder auf, die er schon im Exil schrieb.

Schnell geht es um die Liebe, die sich am möglichen Fleisch misst. Das gerade gemeldete Attentat auf den Führer wird zum Grund eleganter Doppeldeutigkeiten. Die Welteroberung als Ziel führt den armen Schweijk zur Gestapo.

Nun im Hauptquartier beginnt das Verhör des Schweijk. Es geht um Geständnisse und die tatsächliche Blödheit des Schweijk. Über die Hundeliebe ändert sich das Gespräch und der für blöd gehaltene wird mit der Aufgabe entlassen, der Frau des Kommandeurs einen Spitz zu besorgen.

Zart mit ihrer Weiblichkeit spielend singt die große Antoni uns von der Ernte des Obstes und der Lust daran. Der zurückgekehrte Schweijk verhandelt über seine Zukunft. Im Handlesen wird die Zukunft des SS Mannes gelesen, bis der aus Furcht flieht. Der nach dessen Abgang wiederkehrende SS Spion versucht erneut einen der Gäste zu überführen.

Weiter nehmen die Ereignisse zu Prag ihren Lauf. In den Moldauanlagen geht es um den Spitz und ein Lied von den reifen Pflaumen, das die Chance zum Hundediebstahl gibt.

Die Verhaftung zum Dienst an der Heimatfront führt auf neue Wege. Als Waggonschieber tun sie ihren Dienst und er handelt mit der SS. Dann geht es um Gulasch und neue Berechnungen, die zu vollständiger Verwirrung führen.

Das folgende Tanzvergnügen zur Übertönung des Londoner Senders tarnt die Wirtin, als die unsere geschätzte Antoni brilliert.

Klarinette und Klavier begleiten dann die erwartbar moralischen Gesänge von Brecht und Weil im üblichen Schema.

Als der Gestapo Chef kommt, den Spitz zu holen, ist der schon geschlachtet und als Gulasch Grundlage gebracht worden. Wieder wird Schweijk abgeführt und im verbliebenen Kneipraum singt die Antoni von den drei Kaisern in Prag und gibt dem wie üblich durchsichtigen Brecht noch zarten Tiefgang. Sie allein macht diesen netten Abend wirklich groß in ihrer just  geprügelten Größe.

Nun im Gefängnis trifft der brave Soldat auf den Eigentümer des Spitz und singt ihm eine neue Variante des Horst Wessel Liedes vor über die geschlachteten Viecher die der Metzger die Augen fest geschlossen an seiner Schlachtbank anmarschieren lässt.

Als nun endlich der brave Soldat als verdonnerter Freiwilliger allein gen Stalingrad marschiert trifft er auf die singende Truppe in russischem Schnee, die vom irgendwie Überleben in typisch durchsichtig brechtscher Moral tönen.

Rudolf darf dann noch die Liebe mit genug Fleisch beweisen und die auch im Winkel noch Raum füllende Antoni küssen, die nun im Schleier das Lied vom Kelch singt, während der brave Soldat im Schnee marschiert und dort auf seinen zwergenhaften Führer trifft und sich nur entscheiden muss, ob er auf ihn schießt oder scheißt.

Der am Ende aufbrausende große Applaus trotzt der großen Hitze und ganz angemessen kommen die Antoni und der brave Soldat als letzte zur Krönung. Ein trotz säuerlicher Brechtscher Moral lachender Abend.
jt 18.6.13

Montag, 17. Juni 2013

Einige zuviel

Vom ehrenvollen Abgang auf gekenterten Schiffen

Die Sozialdemokratie hat derzeit zuviele und nichts wirklich, was es bräuchte, um erfolgreich zu sein.

Sie hat einen Kandidaten, hinter dem zuviele in der Partei nicht stehen, unter ihnen auch mehr oder weniger der Vorsitzende, der sich nur noch nicht im Wahlkampf verbrauchen wollte.

Dann hat sie eine graue Eminenz, der heute noch eine große Mehrheit angeblich hätte, die er als Kanzler nie hatte.

Die drei Spitzen verbindet wenig, außer die Generalsekretärin, die keiner von ihnen in irgendeiner Verantwortung sehen möchte, jedenfalls nicht mehr als sie hat.

Am Erfolg ihres  Vorhabens hat keiner so ein wirkliches Interesse, im Gegenteil, wie der unerwünschte Kandidat deutlich machte, der zeigte, dass er zumindest mit Würde zu verlieren gedenke.

Warum nun diese Farce der uneinigen Partei, die sich  bequemt, dem Wunsch der grauen Eminenz zu folgen aber alles nur mögliche tut, den von Instituten neuerdings zumindest für möglich erklärten Sieg zu verhindern, konnte mir noch keiner vernünftig erklären.

Drei sind zwei zuviel, um die Führung im Land zu übernehmen. Solange sich die Partei zwischen rechts und links weiter aufreibt, ist sie nicht wirklich wählbar, denn welcher Bürger gäbe dem uneinigen Haufen einen Auftrag über vier Jahre, bei dem schon unklar ist, ob er sich überhaupt auf eine einzige Linie einigen könnte, wenn schon der Vorsitzende alles tut eine mögliche Mehrheit und die Teilen seiner Partei nicht vermittelbare dann Politik des Kandidaten zu verhindern.

Mit dieser Truppe wäre es vermutlich am besten, wenn die Kanzler wie Beamte auf Zeit abwechselnd bestellt werden, dann müssten sie sich nicht mehr ewig intern rechtfertigen, sondern bekämen zugeteilt.

Nicht ersichtlich wird dabei leider, um welche Politik es geht, warum Peer Steinbrück der kompetentere Kanzler wäre und warum Europa nun einen einenden Kopf braucht, statt einer sparsamen Märkerin, über die ja schon Fontane schrieb, sie halten ihren Geiz für Großzügigkeit und halten sich diese noch ein Leben lang zu Gute, statt etwas zu bewegen.

Warum nun tut sich einer, der erfolgreich genug war, anerkannt ist, als kompetenter gilt, denn die Kanzlerin diese Tortur an, sich von einer uneinigen Partei nie tragen zu lassen?

Kann dem Kandidaten nur raten, entweder im Handstreich diese Partei zu übernehmen, oder auch alles weitere zu sparen, mit dieser Truppe im Rücken, die den Kandidat zu Teilen bis heute absägen will, sollte er seine Energie sinnvoller für unser Land nutzen, um gute Vorträge zu halten, die auch weiter so gut bezahlt würden, weil er einfach gut ist, was in der deutschen Sozialdemokratie noch nie ein Kriterium der Anerkennung war.

Lieber sollen bis heute die Unterschiede eingeebnet werden, zwanghaft in den Schulen und im übrigen nach jeweiliger Mode.

Die SPD hat den in der Krise kompetentesten  Kandidaten, den Retter in der ersten Phase, einen mit viel Erfahrung, aber solange diese Partei alles tut, Kompetenz zu verhindern, um Ideologie mehr Raum zu geben, ist es doch beruhigend, dass sie so nie eine Mehrheit finden wird in diesem Land und so gesehen, ist wenig ersichtlich, was dafür spräche, sich dafür zu engagieren, dass ein Mann, wie die heutige graue Eminenz damals selbst,  öffentlich von seiner eitlen Partei demontiert wird.

Solange es so ist, sollte die SPD in einem Akt nationaler Solidarität auf jeden Wahlkampf verzichten, das Geld den Flutopfern und den besonders schweren Fällen von Hartz IV spenden, vermutlich brächte es mehr Stimmen als dies Theater.
jt 17.6.13

Sonntag, 16. Juni 2013

Kronprinzessinenwürde

Nie wieder Canossa

Es gibt nichts, was heute noch für die Monarchie spräche als die Neigung der Menschen zu Kitsch und Tratsch, denn auch die integrative Wirkung ist immer mehr anzuzweifeln, wie jüngste Beispiele aus Spanien zeigen. Dennoch gebührt es sich in einem bunten Europa die eben Traditionen der Nachbarn mit Respekt zu behandeln und eine Monarchie ist hier so zu behandeln, wie eine Volkstanzgruppe oder eine regionale Sprache.

Es wird in Spanien gut katholisch peinlich berührt beschwiegen, was niemanden etwas anginge, wäre nicht dem Vorfahren Heini vor über vierhundert Jahren Paris eine Messe wert gewesen. Die Folgen dieser tragischen Entscheidung des eigentlich freiheitliebenden Herren aus Navarra zeigten lange und weite Wirkungen für Europa bis heute, in dem es einen freiheitlichen Teil gibt, der seinen Bürgern die Bürger- und Freiheitsrechte selbstverständlich gibt und einen katholischen, der dies offiziell auch tut, in Wirklichkeit aber noch mit dem Menschenbild des Mittelalters lebt.

Es mag hier dahinstehen, ob nicht schon die Existenz der peinlich schnüffelnden Yellow-Presse ein Verstoß gegen die Würde des Menschen ist, die Verbreitung dieser Dummheiten nicht sanktioniert gehört, es ist uns unsere Freiheit wert, auch über diesen eigentlich Dreck, der an niedrigste Triebe noch stets appelliert, hinwegzusehen.

Der ganze schmierige Bodensatz der medialen Gesellschaft erfordert von einem denkenden Menschen viel an aktiver Toleranz und auch wenn es dem Gewissen und jedem Gerechtigkeitsempfinden widerspricht, diese die Welt mit ihrer geschriebenen Scheiße unwidersprochen besudeln zu lassen, wir sollten nicht denen, die an ungebildet dumme Bedürfnisse appellieren, es überlassen, zu bestimmen, was Freiheit ist und wie weit sie geht.

Darum ist es gut, dass Artikel 5 Grundgesetz auch dieses Verhalten schützt, sogar wenn es nur um die  offensichtliche Verbreitung schriftlicher Lügen geht.

Nicht tolerabel aber dürfte die Verbreitung und Mutmaßung über Details sein, wie sie nun erfolgreich ein Verwandter der spanischen Prinzessin betreibt. Egal was war, als es geschah, war sie Privatperson. Wer sich darüber auslässt, oder sie und ihre Position oder Ehe damit zu gefährden trachtet,greift einen anderen Menschen im Kern seiner Würde an, dies Verhalten verdient nie Schutz.

Dies auch, wenn es spannend wäre zu debattieren, wie selbstverständlich eine Prinzengattin in Norwegen vorehelich Mutter sein kann, aber in Spanien solches eine Abtreibung noch erforderte, wohin päpstlicher Wille also in der Wirklichkeit führt.  Aber ehrlich gesagt, halte ich die Entscheidungen des Vorsitzenden einer jüdischen Sekte zu Rom für ein demokratisches Europa für völlig irrelevant, tue jedenfalls so, um einer veralteten Organisation aus dem Privatbereich der Einzelnen nicht noch mehr Aufmerksamkeit zu gewähren.

Spannend ist dieser Punkt nur insofern als nun eine Familie, die sich über ihre französischen Vorfahren gern bis auf Maria Magdalena zurückführen, ihre scheinbar katholische Legitimation infrage gestellt sehen könnte.

Menschen, die infolge der natürlichen Zufälle eines Zeugungsaktes zu obersten Repräsentanten bestimmter europäischer Regionen wurden, ihre Herrschaft von Gottes Gnaden ableiteten, haben keine Legitimation als den Glauben oder Aberglauben der anderen.

Darum ist es wichtig, wie künftig mit dieser privatesten Information umgegangen wird für das, was unser Europa künftig ausmacht.

Es ist völlig egal, ob die spanische Kronprinzessin es lieber von vorne oder hinten mag, ob sie einmal oder zehnmal abtrieb, ob sie Frauen lieber mag als Männer die Elefanten jagen, aber sofern es eine Rolle spielen kann für ein Amt, dass eine übernehmen will, muß entweder dies Amt gestrichen werden oder der Einfluss dieser Fragen darauf.

Hiergegen gilt es laut zu werden und also gegen die lächerlichen Schlagzeilen auch der FAZ, die darauf hinwies, dass der mit dem geborenen obersten spanischen Repräsentanten verheirateten Frau und also Mutter künftiger Prinzen für irgendwann die Exkommunikation droht.

Hier sollte eine Welle der Solidarität durch Europa schwappen unter dem Slogan: "Nie wieder Canossa!" Es geht um die Würde einer Frau, um unser  Selbstverständnis als Europäer und die Formen zulässiger Repräsentation.

Keine Frau wird je aus Spaß abtreiben, sie wird ihre Gründe haben und bevor hier noch eine neue Debatte aufgemacht wird nur soviel dazu, dieser Bereich ist eigentlich rechtlich nicht gerecht je regelbar, darum sollten wir Männer das Maul halten und den Frauen nach Möglichkeit rechtlich eine Situation schaffen, in der sie frei entscheiden können und es nicht noch peinlich moralisch  beurteilen, wovon wir keine Ahnung haben.

Darum an dieser Stelle genug geschrieben, sein wir solidarisch mit der Würde einer Frau, mehr geht nicht und sagen wir allen, die sie oder ihre Familie nun bedrängen, sie sollten Ruhe geben, denn für die Freiheit und Würde einer Frau öffentlich einzutreten, ist der einzige der mittelalterlichen Zöpfe, die nicht abgeschnitten gehören.
jt 16.6.13

Freitag, 14. Juni 2013

Die Wahrheit über Berlin

Lesung Peter Baharov
Die Wahrheit über Berlin

Langsam versammelt sich das Auditorium im Soda Club, um am heutigen Abend die Wahrheit über Berlin zu erfahren. Noch sind die Reihen relativ licht, da beginnt der Gitarrist sein Instrument zumindest zu stimmen. Mit üblicher Berliner Gelassenheit wird der Termin noch mal eine Viertelstunde verschoben.

Berlinerisch beginnt die Sängerin mit der Beschreibung unserer Stadt, von der sie nicht lassen kann, weil sie ihr schon zu sehr ans Herz gewachsen ist. Jenem Ort, an dem keiner einen Job hat und die Leute alle einen Stock im Arsch haben und mit dem zur nächsten hoppen. Dies ihr Berlin kennt sie schon so gut, dass es langsam weh tut.

Nun beginnt der Bulgare, der seit dreizehn Jahren in Berlin lebt aber in München aufwuchs und erzählt von seinem Anfang im Asylantenheim in München in dem nach die Kontinente nach Stockwerken getrennt waren. Wie er schließlich zum Medizinstudium über noch Kindheit in Singapur nach Berlin kam.

Die erste Geschichte erzählt von der Party in seiner WG, die irgendwann noch vor der Zeit der Facebook Parties zu etwas vergleichbarem ausartete. Gegen 22h waren bereits 200 Menschen in den 360qm zusammen gekommen. Den ersten sich beschwerenden Nachbarn integrierten sie noch und eine Stunde später waren es schon 300. Da brachen sie seine Zimmertür auf und stellten fest, dass in dem Club ja jemand wohnte. Nun kam schließlich die bösere Hälfte des Nachbarn und holte ihn wieder heraus. Als um sechs Uhr schließlich nur noch 100 Leute herumstanden, tanzten oder schmusend in der Ecke lag, war er gelassener geworden. Nach dem Fest waren Wohnung und Haus verwüstet und er war zum nie wieder endgültig entschlossen.

Nun singt die süße hennarotgefärbte Schöne den Sonderzug nach Pankow.

Im weiteren erzählt er von den vielen Jobs, die er nach Abbruch seines Studiums machte. Was ihn zu einer Geschichte über das Erleben eines unerwarteten S-Bahn Stopps bringt und beschreibt die Menschen in der stehengebliebenen Bahn. Lauter Originale, wie wir sie immer sehen. Das Chaos, was jeder der Anwesenden nun infolge erlebt. Wie sich die Fremden plötzlich solidarisierten. Als plötzlich die Durchsage kam, die Panne der Signale würde unabsehbar lange tun. Da entspannte sich die Situation langsam und der kleine Aufstand begann mit plötzlichem gemeinsamen Rauchen und genoss die neue Welle Situation. Die sich dann wieder nach zwei Stunden als die Bahn zurück zum Bahnhof fuhr, wie typisch für Berlin einfach auflöste und zurück blieb nur die Erinnerung an die schöne stehengebliebene Zeit in der Kommune S1.

Nach schwungvoller Musik kommt der Bericht über die Berliner Türken am Beispiel der Döner Formel,  im Dönersprech für Anfänger. Die Anzahl der Anwesenden, wobei Türken doppelt zählen und je besser der Dönermeter ist, desto höher die Chance gesund heraus zu kommen. Passende Antworten in der Döner Kommunikation werden geschult.

Nach dem Döner Laden, wird der Berliner Späti zum Thema und er phantasiert über den Spätomaten, den automatisierten Späti, der eigentlich Onkel Jilmaz heißen müsste und er stellt sich vor, wie dieser automatisierte Späti aussähe und wie das Chaos wohl würde, wenn sie die Maschine ungefragt mit vier Litern Ayran bespritzte.

Ein wenig pathetisch besingt die Sängerin nun Berlin Berlin als ihr Publikum wie es weint und wie es lacht.

Der letzte Text handelt von den Klischees, die er sämtliche erfüllt als typischer Mitte Hipster und sein Soja Latte dampft vor sich hin. Beim Blick in den Spiegel stellt er fest er ist wie alle sich gleichen und er auch einer der vielen ist und mit viel Schalk beschreibt er den auch hormonellen Dresscode der jeweiligen Kietze in unserem großen Dorf.

Den Abschluss eines schönen Leseabends mit hoher Wiedererkennung und viel Lachen bildet noch ein Stück Musik und das Buch kann ich grinsend allen Berlinern und Besuchern empfehlen.
jt 14.6.13

Donnerstag, 13. Juni 2013

Lob der Freiheit

Selten waren die USA in letzter Zeit für ihre Freiheit und die Wahrung der Menschenrechte zu loben, um so lieber tun wir dies nun, wo es um ganz entscheidendes geht. In der Tradition des Staates, der die Menschenrechte in seiner Verfassung als erster proklamierte, entschied das oberste Gericht, dass die Patentierung menschlichen Genoms nicht möglich ist, wir nicht im Kern des Wesens handelbar sein.

Eine keinesfalls bloß ökonomische oder wissenschaftliche Entscheidung, die nachdem wir längst viel zu weit gingen, in vermeintlicher Freiheit schon die Natur käuflich machten, zumindest uns im Kern schützte.

Hoffen wir, dass diese Entscheidung, die genau dem Antrag des Präsidenten entspricht für eine Wende steht und sich die älteste Demokratie im westlichen Kulturkreis wieder auf den Weg zurück zu ihren humanistischen Wurzeln macht, es könnte der Welt gut tun. Möge dies Amerika der Welt ein Vorbild sein, bevor wir uns vollständig verkaufen. jt 13.3.13

Aufruf zum Widerstand

Kompromisse kollidierender Interessen suchen, ist höchst ehrenvolle Aufgabe der Demokratie, sie werden selten so, wie es sich die eine oder andere Seite wünscht. Wo sie gut sind, können beide Seiten damit leben, irgendwie, wenn sie aber,  statt zu entscheiden, nur verschieben, wird keiner seiner Verantwortung gerecht. Das ist kein Kompromiß sondern ein Scheitern und sollte auch so genannt werden.

Erstaunlich daran ist,  dass die Beteiligten, die das Problem schufen, seiner Lösung so viel entgegen stellen.

Ist die Kompromissunfähigkeit auch ein Zeichen postdemokratischer Strukturen, die ihre Politik am Markt orientiert und in der schlicht jeder seinen Vorteil zu maximieren sucht?

Was sollte die Konsequenz solch verantwortungsloser  Schönfärberei sein und wie würde der Souverän darauf angemessen reagieren, als mir dem Entzug der nur zeitweise delegierten Verantwortung?

Sind solche Verzögerungen nur noch ein schlechtes Mittel der Deantwortung, weil die Postdemokratie nicht mehr entscheiden kann, sondern nur noch alternativlosen Sachzwängen folgt?

Wann merken es die Bürger und erheben sich zum Aufstand gegen die teuer bezahlte Unfähigkeit, um wieder selbst die Verantwortung zu übernehmen, die Demokratie zu retten?

Es ist Zeit, dass wir den Pelz des Wohlstandes abschütteln und auf die Barrikaden gehen, gegen alle, die unsere Verfassung aushebeln. Nach Artikel 20 IV GG gilt:

"Gegen jeden, der es unternimmt, diese Ordnung zu beseitigen, haben alle Deutschen das Recht zum Widerstand, wenn andere Abhilfe nicht möglich ist."

Dieser sogenannte Kompromiß ist ein guter Grund, aufzustehen gegen die stille Beseitigung der Demokratie, wie sie von den Sachwaltern der Demokratie betrieben wird.

Wir werden über die Parteien immer weniger von verantwortlich handelnden Vertetern regiert, als von Organen ihrer Strukturen, denen Machterhalt wichtiger ist, als die Wahrung unserer Interessen.

Dagegen nicht aufzustehen, ist schon eine Verletzung der bürgerlichen Verantwortung, aber vermutlich wird es niemand stören und es geht uns doch gut, warum sollten wir uns bewegen, wird der wieder Tenor sein. Wir schmeißen die Demokratie weg und die Beteiligten interessiert dabei nur, wie gut die Party läuft, was los ist.

Ist das schon der erste Schritt zum Untergang des Abendlandes oder der ganz normale Wahnsinn?
jt 13.6.13

Schlagende Argumente

Wer eine Volksabstimmung plant, braucht keine Gewalt zur Durchsetzung einer solchen, sondern lässt sich auf den bürgerlichen Diskurs ein - unklar dagegen bleibt, was plant, wer zuerst den Weg frei prügelt, null Toleranz fordert, dann verhandelt, nachdem der Gegner am Boden liegt und dabei alles zur Abstimmung stellt. Verwirrung, Einsicht oder Taktik stehen zur Wahl und keines überzeugt völlig nach bisheriger Erfahrung. Sorge macht nur, dass Glaube im Spiel sein könnte, der jeder Vernunft unergründlich stets bleibt. 

Wir sollten sehr aufmerksam bleiben, denn etwas stimmt in dem Spiel nicht und es ist ein typisches Zeichen totalitärer Herrschaft unberechenbar gerne zu sein.
jt 13.6.13

Samstag, 8. Juni 2013

Werterelativismus


Oder das St. Florians Prinzip kollektiver Verblödung

Hochwasser haben die Neigung, wie jede extreme Natur,  alles zu relativieren und mit dem jeweiligen Wasserstand zu egalisieren, was nie gleich oder vergleichbar war. Gleich grau im Schlamm und stinkend in der Sonne, nimmt es auch trocknend noch die gleiche Richtung zur großen Gleichmacherei.

Entsprechend tief verbunden fühlt sich die neu geeinte Volksgemeinschaft, die solidarisch in Gruppen schippt, stapelt und sich empört über die Untätigen.

Vor allem gibt sie nicht handelnden Politikern die  Chance, den Eindruck zu verbreiten, sie wären  zupackend, weil sie durch ihre eigentlich überflüssige Anwesenheit inszenierte Präsenz zeigen, die sehr teuer, die Arbeit behindernder Hochwassertourismus nur ist, sich aber um so mehr über Gaffer wie sie empört, die nur ohne großen Medientroß weniger Schaden verursachen.

In diesem ekligen Kleister aus Volksgemeinschaft und  monarchischem Verständnis von Repräsentanz versinkt, was uns eigentlich Sorgen machen sollte völlig.

Wen interessiert neben dem großen Wasser, das eben fließt und alles dominiert, noch wie die Türken ihre Demokratie verteidigen oder die Amerikaner die Freiheit von uns allen für Sicherheit aufgaben.

Die vollständige Überwachung im Netz ist Realität und unser Staat unterbricht gewaltsam eine friedliche Demonstration und es interessiert keine Sau mehr, weil der Wohlstand absäuft, der uns alles ist. Es sind die Habseligkeiten, die uns näher sind als die Ideen.

Wir haben uns in die entgrenzte virtuelle Welt als privaten Schonraum zurück gezogen und dafür den Traum von Miteinander und Gemeinschaft aufgegeben, die Ideen für privaten Wohlstand relativiert, lassen es uns gut gehen, statt uns noch zu fragen, ob nicht die Bedingung dieser Entscheidung damit aufgegeben wird, denn ohne Freiheit und freie Entscheidung ist die Erhaltung des Wohlstands im Land nichts mehr als die Bilanz eines Freizeitparks.

Darum freue ich mich, wenn diese schreckliche Flut und ihre verblödende Solidarität endlich endet, Konflikte wieder aufbrechen, wir uns lieber ordentlich streiten, statt in blinder Solidarität hinter der Gummistiefelkanzlerin  herzulaufen. Nicht mehr länger uns einlullen lassen vom Wahn der faktischen Not, die eben alternativloses Handeln erfordere.

Weil diese verantwortlichen Versager seit Menschengedenken nicht handeln und regieren sondern nur reagierten, haben wir dies Problem und vergrößern es mit jedem Sandsack.

Die Devise lautet:
Oh heiliger St. Florian, verschon mein Haus, zünd andre an!

Das Volk beschäftigt sich mit immer höheren Mauern aus Sandsäcken, fühlt sich bedeutend, wird bedankt vor Ort und potenziert die Katastrophe für die nachfolgenden Nachbarn. der.

Das ist der widerliche Werterelativismus der Egos, die auf Schnäppchenjagd ihre Herrentour machten, die Bedeutung für Medienpräsenz halten und wer am lautesten schreit und am längsten, der hat Talent, wird an der Katastrophe gewinnen und darum geht es nur noch,  die Bilanz des Glücks wird numerisch gezogen, ist berechenbar und wir lassen uns für ein weniges davon kaufen und einrechnen.

Wem wird nicht übel von diesem Gefasel eigentlich gebildeter Leute, die sich für die falsche Politik, um der Sache willen gebrauchen lassen als Litfaßsäulen im Theater medial abhängigen Junkies der Generation Web, denen die Überwachung egal ist, solange sie ihren Spaß haben?

Jeder weiß, wo der Druck im Kessel steigt, nimm den Deckel ab, damit es sich entspannt, wir dagegen erhöhen den Druck, indem wir den Deckel durch noch höhere Stapel noch erhöhen loben Wälle und Deiche, die mehr Ursache als Lösung sind. 

Wir schicken damit die Gefahr einfach weiter, lassen die Nächsten für unsere Fehler bei der Versiegelung der Landschaft büßen und loben die scheinbar pragmatischen Politiker - sind wir wirklich kollektiv verblödet oder fragt sich noch jemand, was das soll?
jt 8.6.13

Donnerstag, 6. Juni 2013

Thomas Mann zur Ironie

"Ironie [...] ist das Körnchen Salz, durch welches das Aufgetischte überhaupt erst genießbar wird."

Thomas Mann, der am 6. Juni 1875 zu Lübeck geborene Flaneur des Wortes, in Lotte in Weimar (1939), Drittes Kapitel (Riemer berichtet Lotte, dass Goethe das "im Wagen [...] einmal zu mir" gesagt habe)

Thomas Mann von großen Männern

"Der große Mann ist ein öffentliches Unglück." -

Thomas Mann, der am 6.6.1875 zu Lübeck geborene Kaufmannssohn, in Lotte in Weimar (1939), Achtes Kapitel (von Goethe als chinesisches Sprichwort zitiert).

Thomas Mann und der Widerstand

"Brave, herrliche junge Leute! Ihr seid nicht umsonst gestorben, sollt nicht vergessen sein"

Thomas Mann, der am 6  Juni 1875 zu Lübeck geborene, über die Mitglieder der Weißen Rose, Radiorede an Deutsche Hörer vom 27. Juni 1943,

Glück der Phantasie

"Welch eine herrliche Gabe ist nicht die Phantasie, und welchen Genuß vermag sie zu gewähren!"
Thomas Mann, der am 6. Juni 1875 geboren wurde, in Die Bekenntnisse des Hochstaplers Felix Krull. Der Memoiren 1. Teil. [Frankfurt a.M.]: S. Fischer, 1954.

Thomas Mann Todesherrschaft

"Der Mensch soll um der Güte und Liebe willen dem Tode keine Herrschaft einräumen über seine Gedanken."

Thomas Mann, der am 6. Juni 1875 geboren wurde, in Der Zauberberg, Sechstes Kapitel, vorletzter Abschnitt: Schnee. S. Fischer 1954, S. 704

Thomas Mann und die Freiheit

"Die Freiheit existiert, und auch der Wille existiert; aber die Willensfreiheit existiert nicht, denn ein Wille, der sich auf seine Freiheit richtet, stößt ins Leere."
Thomas Mann, geboren am 6. Juni 1875 in Mario und der Zauberer. Ein tragisches Reiseerlebnis. Berlin: Fischer, 1930.

Montag, 3. Juni 2013

Noch ganz dicht?



Noch ganz dicht?

Zur Poetologie der Moderne zwischen Ästhetik und Selbstfindung



»The experience of a poem is the experience both of a moment and of a lifetime.« (Die Erfahrung eines Gedichts ist die Erfahrung eines Augenblicks und gleichzeitig die eines ganzen Lebens)
(T.S. Elliot)


„In der dichtung – wie in aller kunst-bethätigung ist jeder der noch von der sucht ergriffen ist etwas "sagen" etwas "wirken" zu wollen nicht einmal wert in den vorhof der kunst einzutreten.“
(Stefan George, Blätter für die Kunst, Folge 2, Bd. 4, 1894, Oktober, S. 122.)


"Ein Gedicht entsteht überhaupt sehr selten – ein Gedicht wird gemacht."

„Ich verspreche mir nichts davon, tiefsinnig und langwierig über die Form zu sprechen. Form, isoliert, ist ein schwieriger Begriff. Aber die Form ist ja das Gedicht. Die Inhalte eines Gedichtes, die hat ja jeder, aber Lyrik wird daraus nur, wenn es in eine Form gerät. Eine isolierte Form, eine Form an sich, gibt es ja gar nicht. Sie ist das Sein, der existentielle Auftrag des Künstlers, sein Ziel."

"Artistik ist der Versuch der Kunst, innerhalb des allgemeinen Verfalls der Inhalte sich selber als Inhalt zu erleben und aus diesem Erlebnis einen Stil zu bilden, es ist der Versuch gegen den allgemeinen Nihilismus der Werte eine neue Transzendenz zu setzen: die Transzendenz der schöpferischen Lust.“

„Im Grunde also meine ich, es gibt keinen anderen Gegenstand für die Lyrik als den Lyriker selbst.“
(Gottfried Benn in Probleme der Lyrik, am 21.4.1951 in Marburg gehaltener Vortrag)


„Die Metaphern sind völlig verschwunden, die Worte haben jede Verkleidung, Verhüllung abgelegt, kein Wort fliegt mehr einem anderen zu, berauscht ein anderes. Nach einer schmerzlichen Wendung, einer äußerst harten Überprüfung der Bezüge von Wort und Welt, kommt es zu neuen Definitionen.“
(Ingeborg Bachmann in ihrer 2. Frankfurter Poetikvorlesung)


„Je größer der Druck, dem das Gedicht sich ausgesetzt sieht, desto schärfer drückt es diese Differenz aus. Sein politischer Auftrag ist, sich jedem politischen Auftrag zu verweigern und für alle zu sprechen noch dort, wo es von keinem spricht, von einem Baum, von einem Stein, von dem was nicht ist.“

„Das Gedicht, das sich, gleichviel ob aus Irrtum oder Niedertracht, verkauft, ist zum Tode verurteilt.“
(Hans Magnus Enzensberger)


„Im Universum der Psychen, dem wir trotz aller technischen Fluchtversuche immer noch angehören, ist sie [die Poesie] das einzige Navigationsinstrument, das durch die laufenden Katastrophen leitet, auch wenn sie niemals aus ihnen herausführt“
(Durs Grünbein. Werkstatttagebuch, Das erste Jahr)

"Es gibt keine literarischen Manifeste mehr"
(Durs Grünbein, Vom Stellenwert der Worte, Frankfurter Poetikvorlesung 2009)


Da stehen wir nun, haben nichts und wissen kaum weiter – vielleicht sollten wir uns fragend dem Ziel nähern, statt Etwas nur die Suche als Ziel betrachten – eine Annäherung erstreben, mehr nicht. Dichter sein wollen, ohne zu wissen wie oder was es ist, scheint mehr als schwer – machen wir uns also unter der Hand der Zitierten Größen auf den Weg zu einer Spurensuche, wer nichts weiß, wie ich eben auch, hat zumindest nicht viel zu verlieren dabei, sich die Dinge der Dichtung mal zu betrachten.

Berühmte Dichter vorsprechen lassen, um sich auf dem Weg zu dem zu machen, was Dichtung uns heute sein könnte, hat zumindest den Vorteil beglaubigter Erfahrung, auch wenn wir uns unsere Antworten, auf das, was uns gefällt, und wie wir schreiben wollen, weiterhin selbst geben müssen. Ob diese Worte ein Leitstern sein können oder die Verwirrung nur vertiefen, wird sich vielleicht zeigen, sowenig am Ende im Konsens bleibt, könnten wir eigentlich nach den Worten Grünbeins den theoretischen Versuch beenden, das Feld den Wissenschaftlern überlassen und wie gehabt orientierungslos weiterdichten oder ehrfürchtig verstummen. Weder noch scheint erstrebenswert und so sei zumindest der Versuch gewagt, sich einen Weg zur verdichteten Sprache zu suchen.

Dieser Text, dies sei zur Abschreckung oder Erleichterung aller gesagt, soll den Spaß an der Poetik mit dem Nachdenken über sie erhöhen. Es geht nicht darum ein neues wissenschaftliches Werk zu schreiben, sich in Beweisen zu verlieren, dazu fehlte im übrigen dem hier sudelnden Autor jede Legitimation und Kompetenz, sondern, den Zwischenraum zu nutzen, der sich als denkender Dichter auf die Grenzen seines Könnens stoßend, plötzlich ergibt, wenn ich mich frage, was sind die Maßstäbe meines Dichtens und wie urteile ich über Dichtung heute.


Sind wir noch ganz dicht oder haben wir jedes Maß verloren?

Hat die Dichtung noch eine Form oder ein Handwerk und was sagt uns dieses heute, war der Anfang der Fragen, die sich ein Schreibender bei dem Versuch stellte, Maßstäbe für sein Tun zu finden. Weitere Fragen brandeten bei der Beschäftigung mit dem Thema auf und suchten als Schreibender und als Leser nach Antworten.

Gelten noch Regeln nach dem Aufbruch in die Moderne, ist der Inhalt wichtiger als die Form und wenn ja, warum dann noch Poesie und nicht Prosa, wenn die Regeln alle fielen?

Wie unterscheide ich gute von schlechter Dichtung, wo beginnt die Kunst und wie lange ist es nur Reimerei oder gefühliges Gerede?

Wie schließlich vermittele ich Schülern ein Lehrplan taugliches Wissen von einer Dichtkunst, die sich noch wandelt und im Wachstum begriffen ist?

Was lehren die Universitäten in der Poetologie, wie kann der Versuch der Größe erlernt werden in heutiger Dichtung, ist ein Workshop in Poetik noch handwerklich oder geht es eher, wie in einem spirituell angehauchten Yoga Kurs darum, die Worte in sich zu fühlen und zum Schwingen zu bringen, geht es gar um inhaltliche Schwerpunkte, was ist angesagt und warum?

Wovon gehen wir aus und wo führt der Weg hin?

“Die Poetik ist die Lehre von der Dichtkunst und die Poetologie ist die die dazugehörige Wissenschaft“, können wir in Lexika lesen und finden dieses herrschende Wissen weit verbreitet als abschließend, auch wenn es nur neue viel komplexere Fragen aufwirft.

Wie dicht ist die Dichtung und wenn ja worüber?

„Die Dichtungstheorie setzt sie sich theoretisch mit dem Wesen der Dichtung, mit ihrer Wirkung, ihrem Wert, ihren Aufgaben, ihren Funktionen, ihren spezifischen Ausdrucksmitteln und ihren poetischen Gattungen auseinander.“

Klingt wissenschaftlich, ist also vielleicht dem Thema gemäß, nur nicht der Art und Weise meines Schreibens und des verkündeten Anspruchs hier. Es fragt sich nur, ob ein so komplexer Satz mit so dichten Aussagen nicht von vornherein zerteilt werden sollte, um ihn lesbarer, verständlicher und der Größe des Inhaltes gemäß zu behandeln, wir also einfach Punkt für Punkt vorgehen, diesen Bereich zu durchleuchten und der Dichtung einen Rahmen zu geben, in dem sie so orientierungslos wie kreativ bleiben kann.

Stellen wir also obige Frage zum Thema der Dichte in der Lyrik, zur Fülle der Sprache im Wohllaut einen Moment zurück, um uns mit den Themen auseinanderzusetzen, die dort aufgeworfen wurden.


Wesen der Dichtung

Wesen ist die Essenz von etwas oder jemand, dass nach dem wir mit der Frage, was es ist, suchen. Dann könnte die Essenz der Dichtung zumindest die verdichtete Sprache sein, wobei wir uns bei rein lautmalerischen oder buchstabenbildnerischen Gedichten fragen könnten, was hier verdichtet wird an sprachlichen Inhalten, sofern die Inhalte überhaupt noch entscheidend sein können, es um sie geht. So sie keine Rolle mehr spielen, bliebe vom Wesen an sich nur die Verdichtung und das klingt zumindest so, als enthielte es rein sprachlich alles, was Dichtung ausmacht.

Wer heute die Dichtung googelt, kann sich freuen zumindest noch den künstlerischen Schaffensprozess an erster Stelle zu sehen und nicht die Abbildung von Gummiringen, die dann ab Platz 2, überhand über die Lyrik in Deutschland übernehmen, wobei ich mich natürlich fragen muss, ob das nicht sogar an der Personalisierung von Google liegt, die mich schon so gut kennen und also die kleine Freude dem fernen Grauen weichen müsste, was wohl der Rechner meines heimwerklich und handwerklich gerne tätigen Nachbars so zum Besten gäbe, aber lieber freue ich mich noch an der so geglaubten Bedeutung der Dichtung.

Als Dichtung bezeichnet man übrigens in der Technik Elemente oder Konstruktionen, die die Aufgabe haben, ungewollte Stoffübergänge von einem Raum in einen anderen zu verhindern bzw. zu begrenzen, wie wir beim weiterlesen erfahren können und was uns zu interessanten inhaltlichen Gedanken zur Dichtung im allgemeinen veranlasst – will die Lyrik nicht das genaue Gegenteil, indem sie den Geist für Worte öffnet und so Stoffübergänge inhaltlich ermöglich, Bedeutung vervielfacht?

Aber das ist vielleicht schon eine Frage der Wirkung und des Inhaltes, womit wir schon beim nächsten Punkt wären, was die Konzentration förderte und zu weite Abirrungen verhinderte, wären wir uns klar, was Lyrik nun eigentlich ist, da dies zumindest bei mir nur beschränkt der Fall war, konnte ich da noch mit Sicherheit sagen, ich wusste, was ich tat, wenn ich Sprache verdichtete, wusste etwas vom Wesen der Dichtung oder stotterte ich blind, bevor ich mich etwas mehr im Detail fragte, was ich tat?

Lyrik gehört neben der Epik und der Dramatik zu den drei Gattungen der Literatur. Der Begriff Lyrik stammt vom griechischen "Lyra" = Leier, bzw. lyrikós ab. Letzteres bedeutet "zum Spiel der Lyra gehörend, mit Lyrabegleitung". Ursprünglich waren damit Gesänge gemeint, die mit der Lyra begleitet wurden, denn bei den Griechen bestand Lyrik vorwiegend aus Festdichtung im eigentlichen Sinn, d. h aus Liedern, die zur Leier (Lyra) gesungen wurden, und aus Chorliedern", was in Zeiten des Rap oder der Poetry Slams eine spannende Wiederauferstehung findet und so hat jede Zeit ihre lyrischen Lieder und es wäre vermutlich falsch aus dem eigenen melodischen Empfinden einen Wert ableiten zu wollen und nur weil ich so unmusikalisch wie Thomas Buddenbrook bin, muss mir ja die Musik der Sprache nicht fernliegen, die Melodie der Buchstaben unhörbar bleiben, lassen wir das also als nicht mein dichtendes historisches Faktum stehen, und schließlich singe ich ja auch gern, insbesondere, wenn es niemand mit tonalen Ansprüchen hört, ob diese irrelevanten Neigungsfragen nun etwas zur Dichtung verraten sei dahingestellt, ihr auftreten könnte aber zumindest ein Indiz dafür sein, dass es auch irgendwie eine Frage des Gefühls ist. Allgemein ist Lyrik alles in Gedichtform Geschriebene und Überlieferte. Die lyrische Form ist meist kurz, eine Gliederung erfolgt in Versen und Strophen und manchmal gilt das bis heute und die Schnittstellen sind überraschend.

Die Zuordnung eines literarischen Werkes zur Gattung Lyrik lässt sich nicht auf rein formale Elemente reduzieren. So ist Lyrik nicht unbedingt an den Reim und eine bestimmte rhythmische Gestaltung gebunden. Das Vorhandensein eines strukturierenden Versmaßes und/oder eines Reims wurde zwar bis ins 20. Jahrhundert bei der Identifizierung eines lyrischen Textes angenommen, moderne Texte arbeiten jedoch auch mit freien Versen und mit freien Rhythmen. Es geht um die Form, aber die Form ist nur ein bedingt tauglicher Maßstab zur Abgrenzung wir schweben also weiter ohne etwas konkreteres als das Gefühl, das ist wohl Dichtung und die finde ich nun gut oder nicht.

Wichtig für die Zuordnung eines lyrischen Textes sind heute die Bildhaftigkeit, besondere sprachliche Ausdrucksmittel, Klangreichtum, Stimmungshaftigkeit und Rhythmusbetontheit, Assoziationsreichtum, sowie das Aus- bzw. Ansprechen von Empfindungen. Was einen weiten Rahmen gibt zur Wertung aber wenig an die Hand gibt.

Der Begriff „lyrisches Ich", der noch vielfach für den Sprecher benutzt wird, ist dagegen von der außergewöhnlich einigen Literaturwissenschaft inzwischen ganz nebenbei überholt worden, ohne dass es schon alle Lehrer mitbekamen. Heute wird allgemein den Thesen des Literaturwissenschaftlers Dieter Burdorf (geb. 1960), der in seinem Buch „Einführung in die Gedichtanalyse“ (1997 ff.) eindringlich vor der Verwendung dieses Begriffs warnt. Das ICH im Gedicht ist lediglich ein „artikuliertes“, denn hinter diesem ICH verbirgt sich nicht der Autor des Textes, sondern eine Instanz, die der Autor zwischen sich und den Text stellt. Er ist durchaus mit dem Erzähler in Prosatexten vergleichbar, also eine fiktive Figur. Das „lyrische Ich“ wird jedoch sehr häufig mit dem Autor des Gedichtes identifiziert. Meistens bin ich auch ich wenn ich mal ich benutze, aber was weiß ich schon, vielleicht sollte ich mehr ich schreiben und nicht mich meinen sondern es oder sie, die letzte Instanz, dann würde ich mein ich im Text bedeutender und zeitgemäßer machen auch wenn ich dann langsam hinter dem so transzendierten ich verschwände und dabei geht es mir doch selten um mehr als mich, geschweige denn, dass ich von sonst etwas wüsste als mir.

Es gibt eine Vielfalt lyrischer Ausdrucksmöglichkeiten. Lyrik ist sehr traditionsreich in bezug auf Inhalt und Form, etwa in der Formenstrenge des Sonetts. Der Inhalt-Form-Zusammenhang modernerer Lyrik wird oft weitgehend über die Form vermittelt. Die Form der Dichtung kann den Inhalt verdeutlichen. In der konkreten Dichtung (konkrete Poesie oder auch konkrete Literatur) wird das Gedicht sogar oft auf sein reines Sprachmaterial bezogen, auf seine optischen bzw. akustischen Aspekte, auf Wörter, Buchstaben, Satzstrukturen. Womit ich nun weiß, ich kann es auf viele Arten tun, solange ich es tue, kann es auch mehr auf die Form als auf den Inhalt ankommen, wobei sich mir dann die Frage aufdrängt, ob der Inhalt eher formell betrachtet wird oder die Form zum Inhalt wird aber vielleicht klärt sich das ja im Laufe der Suche nach der Poetologie, die mich berührt und mein Schreiben bewegt.


Wirkung

Lyrik hat eine Wirkung auf uns, auch wenn wir sagen, sie hat keine Wirkung und tangiert uns nicht, dann ist diese Haltung bestätigen auch eine Wirkung, zumindest eine widerständige Meinung. Unklar ist noch was für eine und warum. Beruht die manchmal eigentümliche Wirkung von Gedichten darauf, dass sie Gefühle ansprechen, die im Alltagsleben oft zu kurz kommen?

Wirken noch Gedichte, die genau diese Absicht haben, etwa die Verse der Werbung oder die Lieder in Diktaturen, wirkt die Gebrauchslyrik noch lyrisch oder wird sie zur Hure der Absicht dahinter?

Ist die Lyrik eine willige Hure oder nichts als Worte?

Sie ist es sicher und sie wird es in der käuflichen, postdemokratischen Gesellschaft immer mehr, wo es eher um den Marktwert als die Inhalte geht, weil nur, was sich gut verkauft, gut sein kann, der Buchmarkt und sein Marketing zur Größe des Gefallens wird, während sich Monopolisten in Schlachten um die Anteile balgen, Übernahmen tarnen und sich im staatlichen Schutzraum vermeintlicher Freiheit weiter bereichern als machten die globalen Spieler auch einfach nur Bücher wie der Verleger von nebenan. Aber wer wollte etwas dagegen sagen, zumindest manchmal wagen sie noch Lyrik, wer wollte nicht davon partizipieren und wer das Glück hat von einem der Großen verbreitet zu werden, wird sich freuen dürfen, wie weit auch Lyrik sich mit dem richtigen Marketing verbreitet, wie gut die Wirkung auf die eigenen chronisch klammen Kassen ist – aber ist das schon Dichtung oder noch Wahrheit über die Wirkung der Lyrik im Zeitalter der Messbarkeit der Qualität, sind wir da nicht schon beim falsch verstandenen Wert?

Wert

Hat die Lyrik noch einen Wert jenseits des messbaren Marktanteils und wenn ja, wie messen wir ihn, fragt sich bei der Wertanalyse neuer Dichtung im multimedialen Zeitalter der Dichter vor dem Berg der angehäuften Worte, aus der Beliebigkeit, denen er gerne ein etwas entgegensetzte.

Einen hohen Wiederkennungswert jedenfalls haben die Verse der Werbung, wenn sie als solche ins Gedächtnis dringen und dort bleiben, erhöhen sie den Marktwert des beworbenen Produktes, all dies ist irgendwie messbar, hat aber wohl weniger mit Lyrik als Literatur zu tun, denn als Gebrauchsgegenstand, fraglich nur, ob das ihren Wert mindert, überlege ich zwischen Markt und Elfenbeinturm ein wenig verwirrt und fragen darum einen zum Wert, der sich damit auskannte, mit dem Elfenbeinturm, dem sphärischen Sein des Dichters und der Selbstvermarktung, der sich dernehmlich so ernst nahm, wie er teilweise bis heute genommen wird, ein kultisches Bild der Wertschöpfung inszenierte. Stefan George meinte das Folgende zum Wert der Dichtung:


Den wert der dichtung entscheidet nicht der sinn (sonst wäre sie etwa weisheit gelahrtheit) sondern die form d.h. durchaus nichts äusserliches sondern jenes tief erregende in maass und klang wodurch zu allen zeiten die Ursprünglichen die Meister sich von den nachfahren den künstlern zweiter ordnung unterschieden haben.

Der wert einer dichtung ist auch nicht bestimmt durch einen einzelnen wenn auch noch so glücklichen fund in zeile strofe oder grösserem abschnitt. die zusammenstellung das verhältnis der einzelnen teile zu einander die notwendige folge des einen aus dem andern kennzeichnet erst die hohe dichtung.


Es geht also nicht um den Sinn, wenn wir vom Wert sprechen, sondern um die Form, die auch nicht formal sondern innerlich erregend eine Unterscheidung ermöglicht, sofern sich im Verhältnis der Teile die notwendige Folge auseinander ergibt. Wem das unklar verwirrend erscheint, irgendwie mehr gefühlig als sachlich, gehört wohl nicht zum hehren Kreis der George Jünger, was aber heute wenig macht, oder gerade, wenn es jenseits aller Logik hellauf begeistert. Mir eher ungläubig glücklichen Menschen fällt tieferes Verständnis da schwer, aber dennoch sollten wir nicht blind sein für die auch reale Wertschöpfung des Geistes dieser Gruppe von irgendwie Geistersehern, zumindest Jüngern.

Ein Wert dieser Werte im Inneren könnte sich bei dem George Jünger Graf Claus Stauffenberg gezeigt haben, als er seinem Gewissen folgte und zum Widerstand schritt, wenn auch erfolglos, äußerte sich der bleibende Wert der lyrischen Gemeinschaft noch in seinen letzten Worten bei der Erschießung im Bendlerblock, als er ausrief, „Es lebe das geheime Deutschland!“ – damit hätten wir einen Ausgangspunkt für lyrischen Wert, nach der wir vielleicht eine neue Skala finden könnten, das Maß der Identifikation – wie wenig dies tatsächlich messbar ist, macht es in meinen Augen nicht unsympathischer. Manchen soll sie sogar noch als Kunst ein Wert an sich sein, ohne alle Nebenzwecke und vor allem jenseits der Alternativlosigkeit, die menschliches Handeln maschinell macht, aber um hier nicht künstlich künstlerisch wirken zu wollen in eingebildeter Anmaßung, soll dies bei der nüchternen Betrachtung der Wertschöpfungskette außen vor bleiben, denn  sich mit der Kunst gemein zu machen ist dem Analytiker der Situation immer fernliegend, raubte er sich doch viel seiner Objektivität.

Aufgaben

Heutige Hauptaufgabe der Lyrik ist ihre Funktion in Werbung, Marketing und zur Unterhaltung etwa im Karneval, denn selten wird so viel gereimt wie in der närrischen Zeit zum Spott, nur ist die Reimerei noch Lyrik oder ist eine Aufgabe der Lyrik auch ihre Abgrenzung als Kulturgut von der bloßen Gebrauchsverseschmiede?

Fragen wir doch noch mal den Elfenbeinturmbewohner George, worauf es ankommen könnte, ob es eine Aufgabe gibt:

Jeder widergeist jedes vernünfteln und hadern mit dem leben zeigt auf einen noch ungeordneten denkzustand und muss von der kunst ausgeschlossen bleiben.

Aufgabe der Kunst könnte es nach Stefan George also sein, einen Teil derer, die darüber nachdenken, auszuschließen, da sofern nicht alles klar und im Denken geordnet ist, es keine Kunst sein könne. Damit wissen wir zwar auch nicht viel über die Aufgabe der Kunst, denn als Ordnungsmacht, die große von kleinen Geistern trennt, nach nicht greifbaren Maßstäben subjektiver Selbstfindung, aber zumindest werden die stringenten Maßstäbe georgischen Denkens deutlich, denn Ausschluss scheint heute weniger Thema zu sein, denn Suche und Frage in der postmodernen und postideologischen Gesellschaft voller Fragezeichen. Eine konkretere Aufgabe lässt sich nicht finden, sowenig wie ein begrenzter Rahmen der Wirkung. Aber eine Art Elitebewusstsein unter den dichtenden Geistern ist doch zumindest ein qualifizierbarer Mehrwert, auch wenn wir damit noch nicht wissen, welche Kriterien dafür erfüllt sein müssen und was wir dafür tun können,  Kunst zu schaffen und nicht nur keine weil wir noch widergeistern,vernünfteln und hadern.

Funktionen

Bei den Funktionen der Dichtung findet der im Netz Suchende sich schnell vollständig von der Technik überrannt, die hier nicht nur die ersten sechs Plätze aller Individualisierung zum Trotz einnimmt, sondern auch nach einem Horaz noch dominant bleibt. Aufgegeben haben wir den Weg hier vertiefende Erkenntnisse zu erlangen, als unter dem inspirierenden Titel „Dichtung mit ewigem Leben!“ nur noch zu erfahren ist, dass Dichtsysteme funktionswichtige Konstruktionselemente aller technischer Produkte sind, wie baumaschinen.de uns verriet.

Nur wer sich wieder auf die griechischstämmige Lyrik besinnt, wird bei den Funktionen fündiger und entdeckt, dass es doch noch Funktionen jenseits funktionaler Beschränkung des dicht seins einer Verbindung geben kann, es der Dichtung nicht nur um die Undurchlässigkeit geht, sondern um neue Gedankenschlupflöcher. Also scheint funktionale Dichtung in Deutschland eher ein technisches denn ein literarisches Problem, damit hier eben alles dicht ist und ob bloß Literatur solches gewährleisten kann, scheint zumindest fraglich.

Die folgenden Funktionen unterscheiden die Sprachzergliederer feinsäuberlich und lassen an die veterinärmedizinischen Termini der Zergliederung beim doch nur Schlachten denken:

Hinsichtlich der referentiellen Funktion gilt, dass Informationsübermittlung bei Lyrik selten eine wichtige Rolle spielt, lassen wir die alten Sagen, die jedoch eher Epen als Lyrik sind, mal außen vor und die Chronisten ihrer Zeit, auch wenn es davon gerüchteweise noch welche unter den Flaneuren geben soll, sind diese doch bis dato eher Einzelfälle denn eine Bewegung und auch dem Flaneur geht es eher um die Vermittlung einer Stimmung als um echte Neuigkeiten – wobei gedichtete Nachrichten vielleicht sogar den Dingen im rasenden Fluss der Zeit mehr Gewicht gäben, als das Faktenstakato, dem die Bürger gerne mindestens ihre tägliche Viertelstunde medial einräumen, als erführen sie noch neues im widergekäuten Medienbrei als Wochenschauersatz. Hier wäre die Frage, ob sich das Volk der Dichter und Denker nun zu dem der Dichtung und Fakten verwandelte, wichtiger ist, was hinten raus kommt oder eben nicht entweicht aufgrund guter Dichtung, denn was oben hinzukommt aber auch das sind noch bloße Vermutungen.
Die emotive Funktion der Dichtung, jedenfalls der in der Lyrik, hat ihre Orientierung auf den Sprecher gewählt, ein „schaut, was er zu sagen hat“ – ist in unserem Volk derer, die so oft besonders paarweise fürchten, nicht ausreden zu können von hoher innerer Bedeutung – ob es für das Schreiben und sein Gewicht bedeutsam ist, kann an dem wenigen kaum geklärt werden.
Bei der imperativen oder persuasiven Funktion wird die Orientierung auf den Empfänger betont, es geht um, immer höchst verdächtig, Beeinflussung und diese Befehle der Besserwisser spiegelten gewiss einen gewohnheitsmäßigen Charakter hier, ob sie geeignet sind eben mehr als Gewohnheit hervorzubringen, scheint zumindest fraglich, denn im Gewohnten zu bleiben, den Charakter zu bestätigen, ist nicht unbedingt innovativ.
Die phatische Funktion oder Kontaktfunktion scheint dagegen von einer gewissen Bedeutung zur Bindung des Lesers, dient sie doch der Aufrechterhaltung des Sprechkontakts mit diesem – wobei, welche Lyrik ist schon diskursiv? – schadet es marketingstrategisch sicher nicht, sich über den Leser schreibend Gedanken zu machen, ob dies nun nach Mehrheiten dazu führt, nur noch populär zu schreiben oder eher sich die eigene Elite zu wählen, bleibt unklar, doch führt es zumindest aus dem Elfenbeinturm hinaus, auch wenn dieser durchaus ein Wert sein kann, es bleibt also zwiegespalten.
Auch die metasprachliche Funktion sollte nicht vernachlässigt werden, geht es doch dabei um die Verständigung über Codes, also die  Klärung des Sinns einzelner verwendeter Begriffe, was die Verständigung enorm erleichtert und der Interpretation unendliche Scheunentore öffnet – wer nutzt sie nicht und wo nicht überall tauchen sie lyrisch gerne auf, schwieriger könnte höchstens werden diese verinnerlichten Sprachteile schreibend bewusst zu reflektieren, aber zu wissen, was wir sagen und wie andere es nennen werden, schadet zumindest nicht.
Am Ende steht schließlich die poetische oder ästhetische Funktion, die  eine „Einstellung auf die Botschaft selber“ bedeutet und die Form der Mitteilung betrifft, hier geht es um das Schöne am dichten jenseits aller Dichtungen, was es zum Besonderen macht und genau hierüber gibt es wieder wenig greifbares zu sagen, wir schwimmen also weiter im relativ luftleeren Raum mit dem Willen zum Guten scheint es aber nicht getan, denn „gewollte“ Dichtung ist noch lange nicht gekonnt. An der ästhetischen Funktion  jenseits aller formalen Wichtigkeiten werden sich also die Geister scheiden, die neuen Größen geboren, wenn wir mal den Aspekt des strategischen Marketing im Buchhandel vergessen, der literarisch vermutlich ähnlich erotisch ist wie der Bestandskatalog eines Dichtungslieferanten und damit sind wir am Ende schnell wieder am Anfang.

Alle diese 6 Sprachfunktionen sind in jeder Sprachäußerung beteiligt, aber in unterschiedlicher Gewichtung und in der Textlinguistik werden Textsorten nach der jeweils dominanten Sprachfunktion unterschieden. Worauf es wohl ankommt, haben wir nun festgestellt, nun werden wir weiter elementar suchen, um auf dieser Spur fündig zu werden.


Ausdrucksmittel

Die Ausdrucksmittel der Lyrik scheinen der Schlüssel zur Schönheit in manchem zu sein. Gern zitierter raunender George meinte dazu:

Reim ist bloss ein wortspiel wenn zwischen den durch den reim verbundenen worten keine innere verbindung besteht.
Freie rhythmen heisst so viel als weisse schwärze, wer sich nicht gut im rhythmus bewegen kann der schreite ungebunden.
Strengstes maass ist zugleich höchste freiheit

Was uns wieder erwartungsgemäß bei der formalen Analyse unseres Handelns nicht viel weiterbringt und da dies kein George Verriss werden soll – warum auch, als ob es dafür noch ein anderes Bedürfnis als das historische gäbe? – sollte doch noch ein wenig nach den Formen zwischen Ausdruck und Inhalt gesucht werden.

Die Versanalytiker wissen, was sie meinen, wenn sie zunächst von den melopoetischen, also klangorientierten Ausdrucksmitteln wie Klangfarben, Melodie, Rhythmus und Onomatopoesie sprechen, der Dichter spürt es, so er genial ist einfach, sonst lernt er es oder sie tut selbiges, um den Worten Musik zu geben, ohne notwendig Gesang zu werden.

Nach dem Hören kommt das Sehen und also die phanopoetischen, sprich bild und vorstellungsorientierte Ausdrucksmittel, die da sind Bild, Vergleich, Metapher, Metonymie, Katachrese, Oxymoron, Synästhesie, Allegorie, Symbol.

Logisch kommen wir nun vom Sehen und Hören endlich zu den Inhalten, zu den logopoetischen, also bedeutungsorientierten und argumentativen Ausdrucksmitteln, die das sind Antithese, Klimax, Antiklimax, Wortspiel, Paradoxon, Anspielung und sogar noch andere.

So bleiben uns, bevor es um die Haltung geht, die wir zu ihnen einnehmen noch die auffälligen Stilmittel, als die Parataxe, Hypotaxe, Asyndeton, Polysyndeton, Ellipse, Zeugma, Anakoluth, Inversion, Parallelismus, Chiasmus, Antithese, Litotes, Meiosis, Euphemismus und Hyperbel gelten – wer sie nicht kennt, kann sich nun bewegen, den Schlüssel zum Verständnis zu entdecken, für alle übrigen noch wacker weiter lesenden ist jede Weiterführung hier entbehrlich und das schöne an der Lyrik ist ja auch, dass sie klares Handwerkszeug hat mit dem Dichter wie Interpret geübt jonglieren, in einer Sprache neben der Sprache, darum war es wichtig diese zumindest zu benennen, suchen wird sich jeder selbst seinen gerade passenden Weg.

Stilhaltungen sind vielfältig und oft tabellarisch vorgeführt, um den Kontext und ihr Zusammenspiel zu verstehen, worauf im hier fließenden Text natürlich verzichtet wird, was aber nichts an ihrer Schlüsselfunktion zum Verständnis ändert, bei dem sie uns helfen, die kleinen Reimereien von großen Versen zu trennen, ein wenig Orientierung zu finden. So sind sie emphatisch, neutral, distanziert, heiter oder lyrisch sachlich, kritisch, spielerisch und manchmal emphatisch, trocken, spöttisch, witzig bis zu patheitsch, reflektierend, ironisch, komisch, aber auch nicht ohne gelegentlich enthusiasitisch, didaktisch, sarkastisch, absurd zu sein und zu bleiben.

Überschaubarer sind die intendierten Wirkungen, dahingestellt, ob das am bescheideneren Horizont der Dichter liegt, an der womöglich noch beschränkteren Vorstellungskraft ihrer Interpreten, oder einfach ist, wie es ist, und also emotiv, kognitiv, praktisch, unterhaltend oder voller Ergriffenheit, Einsicht, Betroffenheit, Entspannung auf der Suche schließlich nach Tiefe, Klarheit, Schärfe, Leichtigkeit.

Schon die Klangfülle der verwandten Begriffe macht deutlich, es geht um den Kern von dem, was eben ausgedrückt oder, schlicht gesagt, rüber gebracht werden soll, voller Gefühl aber mit gutem Handwerk klar ausgedrückt und verstehbar.


Poetischen Gattungen

Die poetischen Gattungen sind ein unermesslich weites Feld, darum ist es erfreulich, dazu erstmal eine wunderbar klare Äußerung eines mittelgroßen Dichters zu lesen:

Die drey Hauptgattungen der Poesie überhaupt sind die epische, die lyrische und die dramatische.
(August Wilhelm Schlegel)

Leider können wir es nicht ganz darauf beruhen lassen, wenn wir verstehen wollen, was wir tun und was wir damit sagen, ob wir uns nun etwas dabei denken oder nicht, denn zumindest können dann auch wir Dichter jedenfalls ex post erfahren, was wir meinten, indem wir es so sagten und einen tieferen Sinn erkennen lernen, auch wenn wir diesen schon an sich bezweifeln, was dem Absurden dieser Tätigkeit zumindest eine Richtung gibt.

Darum nun noch eine Unterscheidung lyrischer Gattungen nach der Form, wie sie früher schon üblich waren und wie wir sie nun zwanglos nutzen können, ins Krosett uns begebend oder an diesem variierend, einen Kontrapunkt bildend oder eine spielerische Fortsetzung.

Man kann bei lyrischen Gattungen eine Unterscheidung nach der Form vornehmen. Formen von Lyrik sind: Ballade, Elegie, Sonett, Hymne, Epigramm, Ode, Lied.

Ballade

Ballade heißt ursprünglich "Tanzlied" und kommt vom italienischen Ballata. Der Begriff ist auch im Germanischen gebräuchlich. Eine Ballade vereinigt Merkmale der drei literarischen Hauptgattungen miteinander. Die Handlung repräsentiert das Epische, die Dialoge stehen für das Dramatische und die Gebundenheit der Sprache (Reim, Versmaß) für das Lyrische.

Die Ballade kann als erzählerisches Lied definiert werden. Sie greift Erlebnisse, Erfahrungen und Beziehungen der Menschen auf und literalisiert sie. Vor allem das Geheimnis- oder Rätselvolle, ein Mythos oder deren Reste in Sage oder Märchen interessierten die unbekannten Verfasser. Die Kunstballade griff während Klassik und Romantik ähnliche Themen auf. Jedoch wurde sie auch zum Mittel gesellschaftskritischer Anklagen, als die sie etwa bei Brecht auch im 20. Jahrhundert wieder auftauchte.

Als literarische Gattung entwickelte sich die Ballade etwa seit dem 16. Jahrhundert als sogenannte Volksballade. Im 18. Jahrhundert erfuhr sie während des Sturm und Drangs und der Weimarer Klassik in Deutschland einen Höhepunkt.

Elegie

Die Elegie entstand im griechischen Ionien und war im alten Rom sehr beliebt. Eine Elegie bezeichnete ursprünglich jedes im elegischen Versmaß (Distichon: Hexameter und Pentameter) abgefasste Gedicht, Trauer- oder Klagegedicht. Die Elegie fand ihren Höhepunkt in der Dichtung Hölderlins, wurde aber auch noch von Werfel, Trakl, Brecht, Benn, Celan, der Bachmann oder der Sachs genutzt.

Sonett

Das Sonett ist eine aus dem Italienischen stammende Gedichtform mit strengem Aufbau. Im Deutschen besteht es aus meist fünffüßigen Jamben. Seine zwei Teile stehen als These, Antithese und Synthese miteinander im Dialog. Die zwei vierzeiligen Quartette sind im Idealfall thetisch-antithetisch formuliert, die zwei dreizeiligen Terzette sind synthetisch, d. h. sie führen die These und Antithese zusammen. In der neueren Lyrik wird diese strenge Form immer wieder durchbrochen durch drei vierzeilige Quartette und ein zweiteiliges Duett oder sogar einfach umgedreht bei Beibehaltung der Form also ein konkretes Spiel mit der Geltung eines Rahmens gespielt.

Die Reime in den Quartetten folgen dem Schema abba abba (umschlingender Reim) bzw. abab cdcd (Kreuzreim), während in den Terzetten unterschiedliche Reimstellungen möglich sind.

Nach der Reimstellung unterscheidet man folgende Sonetttypen:

PETRARCA-Typ:    abba/abba/cdc/cdc
SHAKESPEARE-Typ:        abab/cdcd/efef/gg
RONSARD-Typ:      abba/abba/ccd/ee

Hymne

Die Hymne bezeichnete ursprünglich einen Kultgesang ohne feste formale und inhaltliche Kennzeichen. Spannend ist die klangliche Nähe zu dem Wort Hymen und dem sich daraus ableitenden Kult chauvinistischer Abhängigkeiten.

Die Hymne steht zwischen Ode und Dithyrambus; sie lebt von der Gehobenheit der Sprache und ist unbeschränkt in der metrischen Form.

Epigramm

Ein Epigramm ist eine Gedichtgattung von prägnanter geistvoll-zugespitzter Kürze, es wird auch Sinngedicht genannt. Epigramme waren ursprünglich Auf- oder Inschriften auf Grab- oder Denkmälern. Im Barock wurden sie sehr beliebt, in Romantik und im Jungen Deutschland fanden sie ihren letzten Höhepunkt. Eine Sonderform ist der Limerick.

Ode

Die Ode ist Lyrik in weihevoller, feierlich-erhabener und schwungvoller Form. Sie ist traditionell ungereimt. Die Ode (griech.: Gesang) bezeichnete ursprünglich den antiken dramatischen Gesang auf Dionysosfesten. Man unterscheidet deshalb die Chorlyrik und die monodische Lyrik (Einzelvortrag).
Die chorische Ode ist dreiteilig:

1. Ode,
2. Antode (Gegenstrophe),
3. Epode (Abgesang).

Bei den sogenannten Anakreontikern ist der Begriff Ode oft gleichbedeutend mit Lied; Vorbild sind die Oden des griechischen Lyrikers Anakreon und seiner Nachahmer. Im Unterschied zu den sogenannten klassischen Oden sind diese jedoch gereimt.

Lied

Das Wort Lied stammt vom althochdeutschen liod; mhd. liet; auch zu lat. laus = Preislied. Das einende Kriterium des Liedes ist seine Sangbarkeit. Zudem ist der Aufbau klar gegliedert, ist das Lied an eine Melodie gebunden. Das Lied kann man in
Volkslied und Kunstlied unterteilen.

Das Volkslied zeichnet sich durch Schlichtheit des Textes und einfache sprachliche Formen aus. Es weist zumeist einen einfachen 2/4-Rhythmus auf (Jambus, Trochäus) und ist oft vierhebig und vierzeilig. Die Verfasser der Volkslieder sind zumeist nicht bekannt.

Das Kunstlied ist kaum formellen und inhaltlichen Beschränkungen unterlegen, allerdings orientiert es sich den Formen nach bisweilen an der Einfachheit des Volksliedes. Um als Lied zu gelten, muss es lediglich das Kriterium der Sangbarkeit erfüllen. Die Verfasser von Kunstliedern sind zumeist bekannt.

Inhaltliche Gattungen

Doch die Form genügt noch nicht zur Differenzierung, auch wenn sie das Gedicht zu einem solchen macht, erforderlich ist auch die Unterscheidung lyrischer Gattungen nach dem Inhalt: Liebeslyrik, Mundartlyrik, religiöse Lyrik, Konkrete Poesie, experimentelle Lyrik, politische Lyrik, Gebrauchslyrik, Gedankenlyrik, hermetische Lyrik, Kinderlyrik, Naturlyrik, Gesellschaftslyrik, Alltagslyrik, Bildgedichte usw.

Hier wird wichtig, an wen sich das Gedicht richtet. Viele dieser inhaltlichen Kriterien sind vom Entwicklungsstand einer Gesellschaft abhängig (Politik, Alltag). Andere sind abhängig von den objektiven Gegebenheiten (Mundart, Religion), wiederum andere vom subjektiven Empfinden (Liebe, Hass, Hermetismus).

Man kann bei lyrischen Gattungen eine Einteilung nach der Typisierung vornehmen.
Je nachdem, welche Haltung der lyrische Sprecher zur Gestaltung des lyrischen Gegenstandes einnimmt, wird unterschieden zwischen liedhafter, lehrhafter, hymnischer oder erzählerischer Dichtung.

Liedhaft ist Lyrik, wenn sie durch ihre Schlichtheit und ihren Bezug zur Natur oder zu menschlichen Erlebnissen (Liebe, Abschiede usw.) gekennzeichnet ist.

Lehrhaft wird Dichtung, wenn philosophische, religiös-weltanschauliche oder politische Fragen reflektiert werden.

Hymnische Dichtung sind Preislieder zu Ehren Gottes und der Schöpfung, auch in ihrer kritischen Sichtung. Die Sprache ist meist abgehoben von der Alltagssprache und nicht immer allen Menschen verständlich.

Erzählerisch ist Dichtung, wenn Begebenheiten, Handlungen, Ereignisse durch Vers, Reim, Strophe in eine dichterische Form gebracht werden (Ballade u. a.).
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Ende vom Lied


Die Form ist auch heute wichtig aber zugleich egal. Wir können sie nutzen oder verdrehen, wir können den Inhalt spielerisch dem einen oder anderen Bereich dieses Handwerks zuordnen, oder wir tun das genaue Gegenteil, um so Inhalt und Form zu einer solidarischen Opposition zu einen – es gibt nicht den einen oder anderen Weg, der einzig richtig scheint und viel an Anerkennung hängt eben auch am Marketing in einer Gesellschaft, die Kunst und Markt gern trennt aber zugleich innig verbunden nutzt und dies auch in der hehren Sphäre der Lyrik, die sich genau so auch inszeniert.

Lyrik ist immer auch Handwerk und manchmal ein wenig Genie, was immer das nun sein soll, streng logisch betrachtet, aber sie ist nie bloßer Zufall, und auch wenn aus hingeworfenen Worten scheinbar einfach große Lyrik wird, steckt dahinter doch viel Handwerk, auch wenn sich der Leser und vielleicht auch die ein wenig geneigtere Leserin nun fragen könnten, ob auch ich dies nicht nur aus Marketinggründen erzähle, den Wortwert meiner hingeworfenen Brocken zumindest theoretisch zu erhöhen, es weniger um Überzeugung geht als um dessen Verkauf, der eben auch ein eigener ist.

Dies zu verhindern sollte ich nun natürlich aus voller Überzeugung mit noch vollerem Herzen von der tieferen oder höheren Bedeutung der Lyrik sprechen, von der verdichteten Sprache, denn genau darauf läuft es eben am Ende hinaus, von der geschöpften Sphäre, die von lyrischer Sprache getragen gerade Liebenden ganz neue Räume öffnen kann – schwärmen von der verzaubernden Kraft der Worte, die Herzen öffnen, Seelen berühren, Schösse willig machen und der Liebe ihre Form erst geben. Kann so sein, kann aber auch ganz anders sein und ich kann mich nicht gegen das Gefühl wehren, dass ich dann erst voll in die Marketingschiene rutschen würde und jede Glaubwürdigkeit aus gefühligem Gesülze heraus verspielt hätte.

Mag jeder so seine Motive und Kalkulationen beim Schreiben haben und ist die beschworene oder mit magischen Worten erschriebene Liebe, denn weniger eine solche, als die einfach erklärte, und wird das Gefühl weniger wert, wenn sich der Dichter bewusst ist, was er tut?

Die Frage berührt den Kern des dichterischen Selbstverständnisses, denn darum geht es am Ende eben auch beim Schreiben, was lässt es uns tun und wie tun wir es dann?

Es wird hier keine Antworten als die bereits gegebenen zur Form und zum Rahmen geben, es bleiben viele Fragen. Fühlen wir uns, wenn wir uns als Dichter des Herzens sehen, wenn wir es dann auch für Geld tun, plötzlich als Prostituierte und wäre das schlecht oder gut, um zumindest glaubwürdig stöhnen zu können?

Sind wir mehr oder weniger dilettantischen Dichter nun Zuhälter der Worte oder stehen wir immer noch in der Tradition der Minnesänger, auch wenn wir ganz real mit den von uns besungenen schlafen und nicht nur davon singen?

Ich weiß es nicht, wie ich überhaupt schreibend über das nachdenkend, was ich tue, merkte, wie wenig ich überhaupt weiß, wie ich nur stotternd mich nähern konnte, mich an Formalien halte, wie ein Teenie, der vorm ersten Sex noch Stellungen auswendig lernt, um gut zu sein, wenn es auf nichts mehr ankommt, es einfach fließen muss, raus will – aber, beim dichten wohl, wie im Leben merkst du das erst, wenn du viel Erfahrung hast, gelassen weiter schreibst, es nicht mehr auf die eine oder andere Meinung ankommt, du dir sicher bist, aber doch eitel genug, dafür irgendwie geliebt zu werden als Handwerker und manchmal auch ein wenig mehr, was sich nun wieder der Erklärung entzieht und so sind wir mit den letzten Worten wieder am Anfang, wir haben keine Ahnung, wissen nichts genaues aber wir machen weiter, weil wir lieben, was wir tun und manchmal findet es einer gut oder sogar eine.

© jens tuengerthal 3.06.13