Dienstag, 25. Juni 2013

Vom Untergang des Abendlandes

Wie eine Sintflut Zeichen setzt

Kaum gehen die Fluten zurück gehen wir wieder zur Tagesordnung über soweit wir nicht noch mit dem dort irgendwie überleben beschäftigt sind. Genug der Bilder und Nachrichten, die Schlagzeilen machen morgen schon wieder andere kleine oder große Katastrophen wo auch immer und im übrigen haben wir noch die Wahl, freuen wir uns also, wenn der feuchte Grund zur Profilierung endlich weg fällt.

Die jedesmal Jahrhunderte übertreffenden Ereignisse werden langweilig, wenn sie sich häufen, wir sind längst gesättigt von Bildern, auch wenn jetzt erst die Arbeit beginnt, die des Wiederaufbaus. Nur ist die Beseitigung von Dreck wenig schlagzeilenträchtig, Gift ist unsichtbar und wirkt langsam, nichts, was sich filmen ließe.

Wir nennen unsere Kultur gerne abendländisch, erinnern an unsere auch christlichen Wurzeln, als eine Kultur die auf Büchern fußt. Bücher aus einer Zeit als die großen Fluten noch für göttlichen Fluch gehalten wurden, Eingang in die heiligen Bücher fanden, den Menschen eine Lehre sein sollten. Sie mahnten zu maßvollem Leben und der sagenhaft einzig überlebende baute keine Mauern sein Gut zu retten, zog nicht in höhere Lagen, sondern baute ein Boot.

Der biblische Noah hatte begriffen, dass er der Natur nicht gegen sie trotzen konnte, sondern nur mit ihr.  So hat ihm die Anpassung das Leben gerettet, er fügte sich den Umständen und rettete, so geht die Sage, Natur und Kultur nicht indem er sie abschirmte, sondern mit den größeren Kräften respektvoll leben lernte.

Wir dagegen bejubeln Deiche, die noch halten, auch wenn sie so Druck und Welle noch erhöhen. Das einzige, was unsere Kultur bis zur Besinnungslosigkeit noch beherrscht, ist höher und höher zu bauen. Noch im Untergang halten wir uns an diese letzte Fähigkeit, um uns zu retten, die wir längst wissen, dieser Weg ist eine Einbahnstraße mit immer fataleren Folgen.

Aus der Geschichte unserer Welt wissen wir, jede Kultur trieb, was sie meinte besonders gut zu können, kurz vor ihrem Untergang noch zu besonderen Höhen, achtete nicht auf dem etwa entgegen stehende Zeichen von Natur oder Menschen, sondern betonte, dass, was sie schon immer und immer besser konnten, sie auch am Ende retten würde. Ihr immer wieder Untergang bewies das Gegenteil.

Wir sehen unser Scheitern bei der Beherrschung der Natur immer wieder, doch statt eine Arche zu bauen, planieren wir den Grund, bauen höhere Mauern, meinen beim nächsten mal, genug getan zu haben, wenn noch mehr Wasser den Nachbarn trifft.

Ohne ganz zu wissen, was wir tun, greifen wir klonend in die Tiefe der Natur ein, erzeugen Leben und können doch die Folgen kaum abschätzen.

Blind für die Folgen wollen wir, fasziniert von den riesigen Kräften, Atome spalten. Die Folgen dieses Prozesses übersteigen die Dauer aller menschlichen Kultur auf diesem Planeten. Wir wissen weder, wie wir die strahlenden Reste beseitigen, noch was aus diesen je werden wird, wie kommende Generationen mit ihnen überleben sollen uns wenn wir langsam unsere Unfähigkeit bei etwas einsehen, wird es noch genug geben, die uns den Gewinn entgegen halten, ganz menschlich kürzer kalkulieren, denn von nichts, käme bekanntlich keine Energie.

Vor allem gäbe es einen Markt, der ein Funktionieren fordert, dessen kühle Kalkulation sich nicht mit Ideen umgehen ließe, alles müsse sich eben rechnen und so fügen wir uns dessen Zwängen, um zu überleben. Jeder tut es auf seine Art, auch die radikalsten Verweigerer bieten sich auf ihrem Markt an, konsumieren und verkaufen sich und ihr Gut und sei es nur auf dem ältesten Marktplatz, dem der Begattung, bei dem wir dem gewählten Partner gefallen, ihn vom Angebot überzeugen wollen, auch wenn die Paarung in den allermeisten Fällen eher eine Auswahl derer ist, die sich scheinbar wählen lassen aber diese Feinheiten des menschlichen Paarungsverhaltens sind völlig irrelevant für die Tatsache, dass es sich hierbei um ein Verhalten am Markt handelt, das eben diesen Regeln folgt.

Was hat der also natürliche Markt mit dem Untergang zu tun, wird sich nun fragen und muss, was scheinbar natürlich ist, darum unbeschränkt werden?

Die Folgen der Flut und unser Wahn immer höher und weiter zu bauen, sind das Ergebnis einer auf Wachstum ausgelegten Ökonomie, in der untergeht, wer sich nicht ständig übertrifft, weiter wächst, auch wenn wir längst wissen, dass dem Wachstum in unserem begrenzten Umfeld naturgemäß enge Grenzen gezogen sind. Unter dem Druck größtmöglicher Effektivität handeln wir auch gegen jede Vernunft und halten unser Verhalten, da effektiv, für dennoch nötig und vernünftig. Wir beten unseren Guru, das Wachstum, an, als böte es uns einzig Glück.

Dem Diktat der Ökonomie folgend verhalten wir uns also nur formal rational, eben rationell, ohne uns noch Gedanken über die Wurzeln dieses Verhaltens machen. Betrachten wir die Wurzeln dieses Treibens genauer müssen wir feststellen, es ist nur die Gier nach mehr und die These, mehr zu haben, würde unser Glück mehren, ist so irrational wie ihre Wurzeln in einer Variante des Pietismus, der eben göttliche Gnade, also etwas höchst irrationales am ökonomischen Erfolg maß.

Eine auf ständiges Wachstum angelegte Kultur ist auf notwendig begrenztem Raum zum Scheitern verurteilt. Das wissen wir, dennoch ändern wir nichts an unseren Zielen oder den Methoden ihrer Erreichung. Im Gegenteil, wir gaben der globalen Ökonomie zu Beginn dieses Jahrtausends noch mehr Macht, weil der freie Markt, diese nur scheinbar demokratische Götze des kapitalistischen Systems, es schon richten werde, für gerechten Ausgleich sorgen würde.

Leider nur war der Markt nie frei, noch hatten seine Teilnehmer je die Chance dazu. Vielmehr sorgte die zunehmende Liberalisierung dafür, dass die Inhaber der Monopole auf Kosten der Mehrheit noch stärker wurden, ihre Position erfolgreich ausbauten.

Die Regierungen der nur noch vermeintlich demokratischen Staaten unterstützen diesen Vorgang, beraten von den besten Ökonomen, die eben im Dienst derer standen, die am meisten zahlen konnten und so regelte sich der Markt, in der Hand derer die ihm kontrollierten, selbst. Nicht umsonst sind die Chef Volkswirte des größten deutschen Bankhauses, um nur ein Beispiel zu nennen, immer Berater der jeweiligen Kanzler gewesen.
Eine eigentlich irrationale Ideologie im Kleid des Rationellen sorgte so für den immer weitergehenden Ausverkauf der Staaten die sich mit ihren Maßstäben messen ließen. Die polis begab sich in die Hand eines Klientels von Geldverleihern und spielte über ihre eigenen Institute auch ein wenig auf dem großen Markt mit. Verluste wurden sozialisiert und Gewinne privatisiert, der nur scheinbar demokratische Maßstab ökonomischer Notwendigkeit begann, Europa zu regieren.

Regierungen regierten nicht mehr, auch wenn sie dazu den demokratischen Auftrag vom eigentlich Souverän bekamen, sondern reagierten nur noch auf Notwendigkeiten. Das Wort der Stunde im politischen Handeln wurde  "alternativlos".

Logisch gehorchte die Planung nun kurzfristigen Zwängen des Marktes und konnten langfristige Vorhaben ohne vordergründige Effektivität nicht mehr realisiert werden.
Da stehen wir nun, elf Jahre nach der letzten Jahrhundertflut mitten in der nächsten, haben nur einige Dämme und Mauern erhöht, statt der Natur den notwendigen Auslauf zu geben, den sie unstrittig braucht. Wir haben den Druck also nur erhöht und im übrigen den Gesetzen des Marktes gehorcht. Es verschiebt und potenziert die Katastrophe, weil wir unfähig sind, am Markt zu lernen, dem wir immer nur hinterherlaufen und der doch kurzsichtig bis zum Selbstmord bleibt.

Positiv daran ist jedoch, bei aller Schwarzmalerei, dass wir über die Fähigkeit uns und unser Leben aufzugeben, die höchste und letzte Verfügbarkeit der Freiheit wach halten. Vielleicht überleben wir all dies verzweifelt nicht, machen dem Grauen angesichts unserer blinden Hybris ein Ende, aber zumindest wissen wir dann jedesmal, wenn es gelingt, wir können uns weiterhin der Illusion hingeben, wir seien frei und könnten etwas ändern. So sind die Selbstmörder wohl die wahren Helden einer Zeit, die beständig an ihrem umgehend arbeitet. Sie zeigen, jedenfalls etwas können wir ändern und verändern und werden so zu den wahren, ungläubigen Märtyrern einer Zeit, die glaubt, sie sei Geld, der Sand im Getriebe der Betriebsamkeit, sich der steten Beschleunigung entgegen stellend.

Es ändert nichts, sich umzubringen, es beendet nur ein eigenes Leben endgültig und unwiderruflich und es stellt sich einfach der Zeit entgegen, entschleunigt, was doch ein deutlicher Mehrwert gegenüber weiter kopfloser Teilnahme ist. Um so mehr es sich überlegen, um so weniger Probleme hätten wir noch.

Lausche dem Regen im Sommer, weiß nicht, was wird oder wie es sein soll. Zu wissen, wir könnten auch anders und es zumindest beenden, hat doch sein Gutes, ein wenig Sonnenschein an trüben Tagen.
jt 25.6.13

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