Mittwoch, 19. Juni 2013

Erwartungsgemäß normal

Die Zeit der Wunder ist vorbei, wer heute Politik macht, zelebriert die Kunst des Machbaren. Wenn die Visionen nicht nur zum Arzt führen, sondern über das eigene Ego hinaus reichen, ein Politiker sich auf Kant beruft, globale Zusammenhänge skizziert, dann können wir uns eigentlich freuen.

Gute Absichten sind viel nach zu vielen Jahren Bush und dem Symptom kollektiver Verblödung. Wer wollte sich da über einen lockeren Redner beschweren, der wirklich die Ärmel angemessen  hochkrempelte und allen zu rief, lasst uns unter Freunden locker sein, es ist heiß in Berlin.

Wir können ja auch alle verstehen, warum er nicht alles von dem schafft, was er gerne will, der Präsident hinter Panzerglas. Wir wollen ihn gerne wieder mögen, den Helden im Weißen Haus, der so wunderbar reden kann.

Ja, es gab keine großen Überraschungen, es war zu heiß für vieles und dennoch, da war nichts schlechtes an dieser Rede, ein sympathischer Mann, ein mitreißender Redner, wie es unter den Beamten der deutschen Politikverwaltung nicht einen gibt. Eigentlich beruhigend zu sehen, dass die große Weltmacht in der Hand eines so weitsichtigen Mannes liegt, könnten wir glatt meinen.

Er steht in Zwängen, die ihn daran hindern, vieles von dem, was er gern wollen würde, umzusetzen. Die alte normative Kraft des faktischen, sollten wir Deutschen doch gerade gut verstehen können. Zu gern verzeihen wir diesem lieben Mann und glauben ihm seine gute Absichten, was bleibt uns auch, wer wenn nicht er, sollte noch etwas bewegen wollen oder können - vergleicht die Reden von Merkel und  Wowereit und ihr seid alle bereit, dem einzigen Politiker etwas zuzutrauen, er kann es und er wagt es in großen Feldern zu denken, ohne nur festzustellen dass manche Felder eben weit sind.

Ist diese Kritiklosigkeit gegenüber BigBrother aus Washington nun neue Verblendung, schlichtes Schwarmverhalten oder hielte es auch einer kritischen Prüfung stand?

Er hat nahezu keines seiner Ziele erreicht, er erneuert nur Versprechen, lässt weiter überwachen, will nur Guantanamo schließen, wie vor 5 Jahren und lebt sichtbar gefährdet, noch ist Amerika im Krieg gegen den Terror, den seine Vorgänger begannen.

Aber eines unterscheidet ihm deutlich von anderen Staatsoberhäuptern und lässt die infolge faktische Unfähigkeit, die Welt real merklich zu verbessern, gerne verzeihen. Er sucht den Dialog, will gemeinsame Lösungen, strebt nach Vereinbarungen und so scheint es der besten Absichten eben Schicksal, dass es in einer komplexer gewordenen Welt keine einfachen Antworten mehr gibt.

Dies zu erkennen, das Richtige zumindest zu wollen, ist wohl viel längst.  Die Sachwalter managen ein komplexes Gebilde und wer da, wie Obama heute noch Zusammenhänge erkennt, die großen Aufgaben benennt und Kant im Kontext kennt, der hat wohl schon viel und ist ein Glück, auch wenn sich am Ende nicht riesig viel ändern wird, wie auch?

Fast sind wir sogar geneigt, ihm diese verfluchte  amerikanische dreifache Segensformel wieder zu verzeihen, die den Schluss der Rede bildete. Auch wenn sie uns kultivierten Europäern eher atavistisch vorkommt und diese Anrufung von Segen irgendwelcher erdachter höherer Wesen nach einer komplexen weltpolitischen Rede, dem vorigen wieder den Hauch von Lächerlichkeit und Aberglauben gibt. Wen kann in einer  multikulturellen Welt noch ernst nehmen, der mit einem Hokuspokus Segen schließt, wären wir logisch geneigt zu denken, aber auch diesen wohl  amerikanischem Lokalkolorit geschuldeten Unsinn verzeihen wir diesmal gerne.

Vielleicht bleibt die wichtigste Frage nach diesem Besuch, was tun wir, damit sich etwas ändert und warum hat Deutschland so gnadenlos schlechte Redner und wenig inspirierte Denker in der Politik.
jt 19.6.13

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