Dienstag, 13. Mai 2014

Recht auf Vergessen

Vergiss es einfach, denke ich, ein Recht auf Vergessen, kann es nicht geben, in Zeiten in denen alles gespeichert wird und Daten sowie der Handel mit ihnen zum Hauptmarktplatz der Zukunft werden. Es wäre doch auch wohl absurd, wenn wir, die wir uns mühsam um eine Erinnerungskultur bemühen, dem Vergessen ein eigenes Recht geben, als wäre es ein Wert, etwas nicht zu wissen.

Anders wird es nur, wenn es für uns ein Schaden ist, was andere wissen. Dann ist zumindest für die Betroffenen das Nichtwissen der anderen ein Wert an sich. In solch einem Fall entschied der EuGH nun zugunsten eines Spaniers, der nicht länger mit einer wohl falschen Unterstellung online über einen Artikel in Verbindung gebracht werden wollte. Hier wurde ein Recht auf Löchung zugebilligt zum Schutz der Person. Scheint auf den ersten Blick relativ logisch und in der Tradition der Rechtsprechung der europäischen Gerichte zu stehen, die den Menschenrechten gerne mal den Vorrang vor denen der Konzerne oder Staaten geben, den einzelnen seiner Grundrechte entsprechend stärken.

Fraglich, ob der Betroffene nun, den Fall zuende gedacht, auch gegen die Verbreitung dieses Urteils klagen kann, dass seinen Fall weiter als Musterbeispiel in der Presse hält und es ist für jeden interessierten kein Problem herauszubekommen, wer die Prozessparteien waren, welcher weiße Ritter nun Google schlug und uns von der Krake vermeintlich befreite. Der Held, der etwas vergessen machen möchte, steht nun durch seinen Erfolg mit diesem im Mittelpunkt der Öffentlichkeit, hat zwar das Recht vergessen zu werden nun, kann das aber getrost wieder vergessen, da er nun in die Geschichte zumindest der Jurispudenz wie des europäischen Kampfes gegen Google eingegangen ist. Das erkämpfte Recht, vergessen zu werden, machte ihn zu einer quasi öffentlichen Peson, ein irgendwie absurder Vorgang, der in Zeiten des öffentlichen Netzes aber leider ganz normal leider ist.

Wie verhält sich dies vom EuGH nun etwa mit den Erben der Täter des Nationalsozialismus - sollen wir den Familien Goebbels, Hitler, Himmler und anderen Nachfahren der Verbrecher, die ja im Rechtsstaat nicht mehr unter die Sippenhaftung fallen, auch irgendwann ein solches Recht zubilligen, könnte das deutsche Volk dies einklagen, etwa, wenn das letzte Opfer gestorben, der letzte Täter verscharrt und der Holocaust nur noch Geschichte ist, hat dann Deutschland aus dem Recht auf Vergessen einen Anspruch auf eine neue Position in der Geschichte, wie sie etwa Muttis Harmlosigkeit entspricht?

Auschwitz schließen Bergen Belsen abreißen und Sachsenhausen als Freizeitpark umnutzen könnte die Konsequenz sein, wenn wir das Recht vergessen zu werden, zu ende denken, wird es schnell ein Ende haben mit der Erinnerungskultur, die dieses Land nach seinen Verbrechen wieder in den Bund der Völker brachte, es in Europa zum Partner und zuverlässigen Freund machte.

Sicher bezieht sich das Urteil nur auf die virtuelle Präsenz in Suchmaschinen und nicht auf die eben Sicht auf die Geschichte, aber ist der Gedanke so abwegig, dass wir, wo wir ein Recht auf Vergessen bejahen, den blinden Feinden der Aufklärung nur eine Brücke diese unter Berufung auf Grundrechte künftig verhindern zu wollen , es gäbe ja ein Recht auf Vergessen.

Wie Geschichtsvergessen werden wir künftig und was hätte es für Folgen, so mit seiner Vergangenheit umzugehen?

Es ist richtig die Rechte der Einzelnen zu stärken. Es ist nötig den Schutz der Grundrechte auf das Internet auszuweiten. Es bedarf unbedingt eines weiteren Schutzes als den bestehenden.Grundrechtsschutz im virtuellen Raum, der die alten Rechte wie Briefgeheimnis und Abhörschutz völlig lächerlich machte für solch halbseidene Unternehmen wie Geheimdienste. Aber es braucht dazu kein Recht auf Vergessen, im Gegenteil, es braucht eher ein Recht auf Erinnerung, einen Anspruch auf Gedenken, denn wer sich von seiner Geschichte abschneidet, entwickelt sich nicht mehr weiter, lernt nichts, hat eine Zukunft ohne Inhalt.

Wir müssen Google in die Schranken weisen, was unsere Grundrechte betrifft und selbstverständlich muss der Schutz des Individuums im Netz genuso gelten, hat der Verkauf persönlicher Daten ohne vorherige Zustimmung oder Beteiligung am Gewinn tabu zu sein, damit das Netz eine Zukunft in Freiheit hat - sofern amerikanische Unternehmen dies zumindest in Europa und mit den Daten von Europäern nicht gewährleisten, gehören sie hier verboten, muss gegen ihren Betrieb geklagt werden und eine freie europäische Alternative errichtet werden.

Insofern wird es einen Anspruch auf die Löschung in Europa geschützter Daten geben können, aber nie ein Recht auf Vergessen, welch absurder juristischer Irrtum. Es kann nur die Persönlichkeit geschützt werden, ein Recht auf Vergessen weist in die falsche Richtung, es bedarf das Gegenteil und Google muss anders in die Schranken gewiesen werden , als mit solch ungaren Vorschlägen ohne Perspektive. Europa hat Werte und Rechte, bestehen wir auf sie auch im Netz, dann lösen sich aktuelle Probleme eher als mit abstrusen rechtlichen Konstruktionen.
jt 13.5.14

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