Dienstag, 3. Juni 2014

Von Höhepunkten und Huren

Während ich noch über die Lust mit den Huren und das falsche und echte Spiel mit den Höhepunkten nachdenke, wird es lauter im Innenhof, etwa zur Teezeit feiert ein hiesiges Paar sein Wiedersehen, brauchte etwas, es zu erkennen, ging erst von einem genervten Gemecker, dann Kinderspiel aus, als es immer lauter rhytmisch sich in Schreie steigerte, zu denen auch die Bewegung der Beteiligten hörbar war, schloss ich, ganz für mich das Fenster und fragte mich einen Moment, wie schnell es die beiden wohl überkommen haben musste, dass sie es im Eifer des wohl einverständlichen Gefechts vergaßen, überlegte noch ob oder wenn ja wie oft mir das hier schon passiert war und dachte wohl selten, also zu vergessen das Fenster zu schließen meinte ich, aber dies dahingestellt, ist doch an Tagen wie diesen das Leben mit Fenster zum Hof in der Großstadt immer wieder eine Freude.

Mal war es mir wohl auch passiert, einmal, höchstens zweimal, auch am Rande der Leidenschaft hatte ich immer noch versucht einen Rest Vernunft zu bewahren, die Nachbarn zu verschonen und fragte mich, wie es wohl andere fänden dies zumindest akkustisch völlig öffentliche vögeln, das jeden Schritt des Aktes nachvollziehbar machte und mit der Gemeinschaft teilte. Vermutlich müsste dabei unterschieden werden. Der nun alleinige Nachbar im Erdgeschoss, der ein wenig zu Schwermut neigt, musikalisch ist und manchmal zu tief in die Flasche schaute, sein Leben von öffentlicher Hilfe bestrit, hier dafür kleine Dienste versah, er würde wohl lächeln aber womöglich auch leiden, sicher war ich da nicht, wie lange seine letzte Freundin ausgezogen war, nachdem ich die sonst sehr aparte Dame zweimal betrunken im Hausflur gefunden hatte. Wie war es mit der Pastorin aus dem Hinterhaus, einer nicht unattraktiven Dame in den wohl frühen fünzigern, wohl auch weltlichen Genüssen nicht völlig abgeneigt, sie wird wohl verständnisvoll gelächelt haben, wenn sie nicht noch Sterbende im Virchow betreute und zu einem seligen Ende begleitete - so sind kleine und große Tode manchmal dicht beieinander, scheint es, alles mehr dazu wäre vermutlich schon zuviel bei ihr, auch wenn ich mich, insgeheim schon frage, wieviel Sehnsucht darin bei ihr wohl läge - eine Tochter hat sie, mehr wäre Mutmaßung. Ob es eines der jungen Paare hier mit noch mehr oder weniger jungem Nachwuchs war, scheint unwahrscheinlich - junge Eltern haben keine Zeit zur Teestunde lauten Sex zu haben, so sehr ich es ihnen gönnte, da sind sie entweder mit den Kindern noch draußen oder bereits mit der nächsten Mahlzeit oder dem Aufräumen und überleben beschäftigt. Es gibt die schönen Musikerinnen, in der Wohngemeinschaft im Hinterhaus, nicht ausgeschlossen, aber ich sah sie immer nur in musikalischer Begleitung , Stipendiatinnen, fleißig und gut, werden nicht um diese Zeit bei geöffnetem Fenster verkehren. Die sonst hier auch selbständigen, die wie der Autor auch mal mehr oder weniger kontinuierlichen Damenbesuch empfangen, kämen wohl infrage, aber die beiden hier sind zu nett, als dass sie nicht dezent ihr Fenster schlössen, eher wohl nicht. Bleiben noch die wechselnden polnischen oder ukrainischen Bauarbeiter, die wochenweise eine der hier Ferienwohungen bewohnen, Nachts in Gemeinschaft auf polnisch, ukrainisch oder russisch im Hof rauchen - so klang es ein wenig, muss ich sagen, hoffentlich ohne Vorurteile, wie in fremder Umgebunf völlig ungehemmt und spontan denke ich an das Ehepaar vom schlechten Russentisch, dem Hans Castorp bei ähnlicher lautstarker Verrichtung im Berghof immer wieder lauschen durfte, knabenhaft verwirrt, moralisch ein wenig empört. Ohne jede Empörung lauschte ich und schloss dennoch das Fenster, weniger aus Neid oder Mangel an Gelegenheit, auch wenn das ja eigentlich Grund genug wäre, als um mich nicht vom Thema ablenken zu lassen, um das ich mit der Beschreibung der nur Umstände nun schon so lange herumschreibe, die Höhepunkte bei und mit den Huren.

Es ist das klare Ziel des Aktes, den die die Huren auch stets mit großem Eifer erstreben, da ihr Job dann erfolgreich war, den buchenden Teilnehmer zum Höhepunkt zu bringen, bei Männern genügt dabei, um erfolgreich zu sein, meist einmal, bei Frauen kann dies variieren je nach Neigung und Erfahrung. Ungeschriebenes Gesetz der Huren ist dabei, dass sie ihre Lust nur vorspielen, nie selbst kommen, um vermutlich ihre Lust privat und die Sache unter Kontrolle zu behalten, was schon allein mir genügte, den Verkehr mit Huren nicht so erquicklich zu finden, da ich es noch schöner finde, die echte Lust der Frauen bis zur Erschlaffung zu erspüren, als einem nur gespielten, zu lauten Stöhnen zu lauschen, das bloße Fassade ist, an die Küsse auf Silikonbrüste erinnert, die auch das enttäuschende Gefühl hinterlassen doch nur einen Gummiball geliebt zu haben. Und hier im Eifer der Leidenschaft zum Thema werden schon ganz nebenbei die Ebenen verdreht, die so das Verständnis erschweren. Es geht bei der käuflichen Liebe, wie sie gern genannt wird, nicht um Gefühle, sondern nur um Sex, da Gefühle nicht käuflich sein, was ich beim Blick auf die Geschichte der Ehe für eine zumindest gewagte These halte, aber so wird zumindest argumentiert.

Vor allem von weiblicher Seite wird, was seltsam genug von vielen Huren, als hätten sie sich mit ihrer Opferrolle abgefunden, sogar bestätigt wird, behauptet, sofern der Akt gekauft wäre, müsse jedes Gefühl und jede Leidenschaft abgeschaltet werden, um sich nicht noch schmutziger zu fühlen bei ihrem unmöralischen Treiben. Interessant wäre dazu nun eine neutrale Studie, die feststellen könnte, ob sich die Betreffenden aufgrund ihrer Tätigkeit nun beschmutzt fühlen oder umgekehrt sich beschmutzt fühlen, weil andere Frauen dies postulieren und sie sich dann eben entweder unreflektiert oder mangels Alternative in diese Rolle begeben.

Habe als Knabe des öfteren darüber nachgedacht, wie reizvoll doch der Beruf des Callboy sein könnte, der sein Geld mit der erfahrenen Befriedigung wohlhabender Damen verbingt, dafür auch über manches hinwegsieht und warum das ganze in irgendeinerweise schlecht sein soll. Irgendwann lässt der Drang nach Vielfalt dann nach, insbesondere wenn möglichst alle Varianten ausprobiert wurden, die denkbar sind, es keine Überraschungen mehr gibt, als den immer anderen Duft einer jeden oder die unterschiedliche, oft überraschende Form der je Lippen. Dann prüfen wir den Mehrwert, entdecken und erinnern uns, dass bei aller bunten Welt in ihren lebenden Varianten, doch das gemeinsame Kommen, das zusammen echt erschlaffen, unübertroffen ist, da es in der Gleichzeitigkeit dazu noch jede manchmal etwas verkrampfte ex post Anstrengung entbehrlich macht - dies wäre dem Callboy wohl selten oder nie vergönnt, wenn er das gute Huren Ethos hochhält, was mir jedoch zunehmend fragwürdiger erscheint.

Wie also der Sex gut sein soll und befriedigend ohne gegenseitige Lust, erschien mir schon immer fraglich, so gesehen wäre die Hure ohne Höhepunkt mir das Geld nicht wert, die mit aber nach noch herrschender keine mehr sondern eine Liebhaberin, die sich nicht für die Hingabe hergibt sondern nur im indirekten Tauschhandel.

In diesem Bereich der vorgeblich edleren, ehrlicherweise aber nur unehrlicheren Prostitution, weil sich da keiner einen Höhepunkt und das Bemühen darum kauft, sondern Frau im Gesamtpaket mit allen Extras und als wäre es ernst. Diese aus Interesse gebauten angeblich nicht professionellen Beziehungen sind in Summa meist teurer, allerdings beinhalten sie dafür zumindest die Möglichkeit des Höhepunktes, der bei Huren eher als ehrenrührig und erlogen gilt.

Noch das lustvolle Stöhnen aus dem Hof im Ohr, fragt sich, was uns dies wert ist und was im Gegenzug der Befriedigungsautomat ohne Lustbeteiligung wert sein sollte und ob da nicht die eigenen Hände zuverlässig günstigere Arbeit im vertrauten Kreis leisten. Solange das soziale Stigma auf den einen der ehrlichsten Berufe nachgehenden Huren liegt, die wirklich am Erfolg gemessen werden, scheint mir die Debatte über deren wünschenswerte Höhepunkte noch ein wenig theoretisch. Sie sollten auch ihren Beruf mit voller Leidenschaft ausführen können, wie Ärztinnen, Bäckerinnen oder Automechanikerinnen - mal mit mehr, mal mit weniger Lust bei der Arbeit aber doch nicht von einer doppelmoralischen Gesellschaft zur immer Lüge gezwungen, sondern gleichberechtigt und wenn es ihnen Spaß macht, sie dabei noch zu wievielen Höhepunkten auch immer kommen, sei das gut so, nicht verwerflich, vermutlich täten auch ihre Lust beim käuflichen Sex professionell suchende Huren dem Frieden in deutschen Schlafzimmern besser als die Dulderinnen - so könnten sie noch nebenbei zu Lehrerinnen wißbegieriger Männer werden, verliehen ihrem Beruf einen ganz neuen Reiz und eine jedenfalls lustvollere Perspektive der Ausübung.

Vermutlich wird aber auch dieser eigentlich konstruktive Vorschlag einer vernünftigen Emanzipation der Huren auch in sexueller Hinsicht völlig ins Leere, da der momentan herrschende Feminismus die Hure nunmal als Opfer entdeckt hat und will, auch zur Beibehaltung des klassischen Rollenverständnis, was sie zwar behaupten überwinden zu wollen, real aber nur durch etwas irgendwie traurig moralisches ersetzen, dem verglichen die Inquisition noch ein Gärten der Lüste war.

Wenn wir also doch aussterben oder zu wenige werden sollten, was der Erde sicher gut täte, liegt die dafür mitursächliche zunehmende Impotenz der Männer nicht nur an zunehmend hoher Hormonkonzentration im Trinkwasser, sondern eben auch am Bild der Hure, die wir noch neben der Heiligen begehren lernten - da bleibt nicht viel an sexuellem Reiz, aber es gibt ja noch genug gute Bücher zu lesen anstatt.
jt 3.6.14

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