Mittwoch, 4. Juni 2014

Königin der Postdemokratie


Als lange und immer wieder Kritiker der Kanzlerin, der nicht scheute ihre kurzsichtige europäische Politik gegenüber Griechenland mit schlimmsten deutschen Nationalismus zu vergleichen, ihr immer wieder Kurzsichtigkeit vorwarf, über ihre Handlungsarmut jammerte, die in Zeiten, die der Initiative bedürften, zum tödlichen Gift der Entwicklung wurde, an dem Europa zu ersticken drohte in einer Schleife in der nur die Kapitalbesitzer verdienten und die Differenzen zwischen Reich und Arm immer größer wurden, ist es, wo die Zeiten sich ändern, nur fair sie auch zu loben, ohne den Blick auf ihr kritisches Verständnis von Demokratie zu verlieren.

Sie lässt sich nicht vom europäischen Parlament vorführen und das ist gut so, sie zeigt damit, dass Europa im Kern immer noch ein Bündnis von Nationalstaaten ist, die sich nur vertraglich einander verpflichteten, sehr weit aneinander banden, aber doch von nationalen, dort gewählten Regierungen, geführt wird, warum ihr die Macht und Stimme des Rates über die des Parlaments geht. Dieses Parlament, dessen demokratische Legitimation nur auf etwa 40% der Stimmen der Wahlberechtigten beruht, das sich just mit Extremisten auch füllte, steht nicht näher am Volk als die nationalen Regierungen jeweils, warum die Mahnungen an die Kanzlerin bei der Auswahl des Präsidenten die Demokratie zu berücksichtigen, wie etwa von Jürgen Habermas und den geistig meist weniger fundierten Sozialdemokraten überall, relativ ins Leere läuft.

Solange das europäische Recht ist, wie es ist und dies bestimmt, der Rat schlägt vor und das Parlament muss zustimmen, ist eine populistische Verkehrung dieser Umstände weder guter Stil noch wirklich demokratisch. Juncker ist ein Kandidat, der es machen kann, aber keiner, der für eine langfristige Reform der bestechlichen EU an Haut und Gliedern steht. Im Gegenteil, es wäre ein weiter so und die Kanzlerin hat völlig Recht, wenn sie bemerkt, bei dieser Aussicht, ist es völlig egal, wer im Brüsseler Sessel sitzt. Doch gerade jetzt bräuchte es eine Kraft, die sowohl integrieren, wie nachhaltig und visionär gestalten und dazu noch sowohl Autorität im Kreise der Staatschefs hätte, als auch unbestechlich wäre und mit der grassierenden Korruption in Europa radikal aufräumte, die jenseits des bekannten Schadens von 120 Milliarden Euro jedes Jahr und das ohne die direkt an die Kommission fließenden Gelder, ein einziger Moloch ist, der manche Sorge schnell beseitigte.

Wir sparen uns zu Tode, um jährlich 120 Milliarden Bestechung mitzutragen, die sich ja zu lohnen scheint, sonst gäbe es sie am Markt nicht. Da muss erstes Ziel sein einen absolut unbestechlichen Kopf an die Spitze zu setzen, wofür der Luxemburger, aus dem Geldwäscheparadies nicht gerade zählt, weshalb Juncker wie Schulz als zu langer Netzwerker zwischen Straßburg und Brüssel, für alle Proeuropäer indiskutabel sein müsste. Bei aller früheren Kritik an Merkel, ihrem immer wieder sichtbaren postdemokratischen Verständnis von Demokratie, gilt sie doch als die mit Sicherheit unbestechlichste Regierungschefin in Europa. Sie in Brüssel gäbe der Kommission, die mit Durchgriffsrechten umzustrukturieren wäre, um eine nachhaltige gemeinsame Haushaltspolitik und eine gute ökonomische Entwicklung zu gewährleisten, der Volltreffer.

Europa ist unsere Chance, wenn wir auf globalen Märkten gegen andere Bündnisse bestehen wollen, wenn wir unseren Standard an Wohlstand und Menschenrechten wahren und am besten zum Exportschlager machen wollen. Dies geht nur, wenn die Kommission im positiven Sinne preußisch wird, zuverlässig, unbestechlich und mit einer Perspektive für ein Europa ohne Korruption und Bestechlichkeit, damit Gelder mit denen sich die Regionen  unterstützen, nicht in Kanälen verschwinden, wir gemeinsam an diesem großem friedlichen Haus für die Bürger bauen, nicht länger nur die Bürger gezwungen werden, mit ihrem Geld die Banken zu retten, was Europa über kurz oder lang auseinander treiben wird, Misstrauen und Divergenz verstärkt.

Es gibt in Europa derzeit keinen Politiker, der so sehr für Zuverlässigkeit und Unbestechlichkeit steht wie Angela Merkel, von daher wäre sie ideal für die Rolle der Präsidentin einer umstrukturierten Kommission, die Europa befreit. Mit allein 120 Milliarden weniger Bestechung ist viel zu retten und dies ist nur die bekannte Spitze des Eisberges, allein es genügte, sich klar für die Preußin einzusetzen, die Europa mit sanfter Hand und Ruhe führte.

Fraglich ist nur, ob eine noch dazu gestärkte Kommission, die Europa immer mehr regieren wird, der seltsamen Konstruktion von gemeinsamer Währung bei getrennten Haushalten endlich ein geschlossenes Konzept entgegen stellt, mit einer so preußischen Deutschen an der Spitze dem Rest Europas vermittelbar wäre und vor allem inwieweit die bekanntermaßen Postdemokratin Merkel geeignet ist Europa demokratischer zu machen, die Richtige für das Amt einer Behördenvorsteherin wäre, oder sie dann nicht völlig den Kontakt zur Basis verlöre, nur noch die immer funktionierende Funktionärin wäre.

Wer die Kommission als Auswuchs des Parlaments sieht, wird dies mit Recht auch in der Erfahrung mit Merkel fürchten, noch mehr werden vermutlich die Südeuropäer fürchten, dass Merkels eiserne Hand, sie zu Tode sparen wird, sich nichts am Kurs ändert sie nur weiter auf Sparsamkeit als Lösung aller Probleme drängt, während vielen Südeuropäern das Wasser schon bis zum Hals steht, sie das morgen fürchten und manche nicht wissen, wie sie was zu essen finanzieren können. Aber, die Preußin wir in ihrer Rolle als Präsidentin nicht mehr die erste Hüterin deutscher Sparsamkeit sein müssen. Sie wird im Gegenteil ihr Talent zur Gestaltung wieder nutzen können und ihre Begabung zur stillen Konfliktlösung optimal einsetzen im teilweise zu testosterongeschwängerten Kreis der Staatsoberhäupter.

Diese vermutllich Eignung für viele Teile der Aufgabe klärt aber nicht die Frage, ob eine Politikerin mit einem solch postdemokratischen Verständnis von Demokratie geeignet wäre die Kommission und also Europa in eine demokratische Zukunft zu führen. Dies scheint zumindest zweifelhaft angesichts ihrer jüngsten Äußerungen im Kampf um die Nominierungen, als sie schlicht sachlich feststellte, es sei egal, wer da oben sitzt und, das sagte sie nicht wörtlich, unter ihr, die notwendigen Reformen der Agenda durchsetzt. Sie hatte Recht, so schmerzvoll das einigen Demokraten scheinen mag - es geht bei der Besetzung und bei der Arbeit der Kommission nur am Rande um Demokratie oder gar Repräsentation, denn welche Legitimation hätte sonst ein alter Fährmann des bestechlichen Europa aus ausgerechnet auch noch Luxemburg für irgendwelche Veränderungen zu stehen?

Die Kommission ist eine Behörde, sie soll rechtsstaatliche Vorgaben durchsetzen nach diesen Prinzipien. Als Behördenvorsteherin ist mir das relative Demokratieverständnis egal, solange die Behörde zuverlässig rechtstaatlich handelt, sich also an Recht und Gesetz hält und vor allem unbestechlich ist. Genau dafür steht aber wie keine in Europa Angela Merkel - wenn sie klug ist und als Bismarck Europas in die Geschichtsbücher eingehen will, wird sie nun die Rochade vollziehen, ihre Oberkommandierende als Kanzlerin einsetzen, die sich so großer Beliebtheit schnell erfreuen wird, dass sie beruhigt auf die nächsten Wahlen schauen kann, sie wäre sicher, könnte unabhängig von schnellen Stimmungen eine konsequente Angendapolitik betreiben und Europa sanieren, zukunftsfähig machen und das, was ihr Vorgänger Kohl mit viel gutem Willen aber teilweise schlechter Methode begonnen hat, zu einem guten Ende für Europa führen.

Es bliebe der Mangel an demokratischem Verständnis und ihre de facto postdemokratische Form der Regierung mit immer häufiger missbrauchter Alternativlosigkeit, die jeden guten Demokraten empören muss. Fraglich nur, ob dieser tatsächliche Mangel bei einer künftig Behördenchefin ins gewicht fiele oder dort nicht viel mehr das rechtsstaatliche Pflichtbewusstsein, das Angela Merkel nicht mal ihre schlimmsten Feinde wohl absprechen, sowie die Unbestechlichkeit, für die ich als ehemals scharfer und ausgewiesener Gegner der Kanzlerin sogar meine Hand ins Feuer legen würde. Rechtsstaatlich schiene sie unter den europäischen Staatschefs, und ein solcher sollte der Kommission vorstehen, nicht ein Kasper aus der zweiten Reihe für die das nun lautstark erpressende Parlament steht, allererste Wahl. Es bleibt der kritische Blick auf ihr nationales und sonstiges Demokratieverständnis, es bleibt die Kritik an ihrer relativen Handlungsarmut in Zeiten der Krise, aber es ist eben auch die Bewunderung für ihre überragende Fähigkeit der Vermittluing und ihre Fähigkeit zur stillen Gestalltung - ideal für dieses Amt und besser in diesem Amt, denn als real postdemokratische Kanzlerin - es wäre ein eleganter Abgang, eine riesige Chance ihrem Vorbil Kathahrin der Großen nachzueifern, wirklich etwas zu bewegen. Schicken wir Angela Merkel nach Brüssel, es ist das größte Geschenk, was Deutschland Europa und seiner Zukunft machen kann - dass es damit auch seine Demokratie aus der postdemokratischen Erstarrung erlösen wird, ist ein gerne inkauf genommener Nebeneffekt - fast scheint dieser Weg in der verfahrenen Situation derzeit altrnativlos und unter Merkels Führung rückte auch Großbritanien plötzlich viel näher an Europa heran.
jt 4.6.14

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