Samstag, 28. Juni 2014

Terror oder Ordnung?

Franz Ferdinand und seine Gattin wurden am 29. Juni 1914 von einem Attentäter, der zum serbischen Geheimbund der Schwarzen Hand gehörte, durch zwei Schüsse getötet. Dies Ereignis löste weltweit den bis dahin blutigsten Krieg der Weltgeschichte aus und ist doch für eine Gruppe von Menschen immer noch ein Jubeltag.

Während wir dem Attentat von Sarajewo gedenken, das vor heute hundert Jahren die Welt veränderte, wird es Zeit darüber nachzudenken, ob was für die Serben ein legitimer Akt des Freiheitskampfes war, nicht doch nur Terror war und ob es nicht die Pflicht jedes legitimen Staates wäre, ihn so zu behandeln, ein Denkmal in Sarajewo und tolerierte Jubelreden dem Terrorismus Vorschub leisten, den wir uns nicht leisten können, wollen wir die Ordnung aufrecht erhalten.

Der Sache nach war das Attentat ein terroristischer Akt gegen einen damals legitimen Repräsentanten. Es löste infolge einen Krieg aus, der die alte Ordnung über den Haufen warf und für manche Menschen in der betroffenen Region als nationale Befreiung erschien. De facto hat er sein Ziel erreicht. De jure bleibt es Terrorismus, ein Mordanschlag von einem Verbrecher, der noch dazu glückte.

Wir gedenken in einigen Wochen dem Grafen Stauffenberg, der mit seinen Verbündeten am 20. Juli den Umsturz des Hitlerregimes geplant hatte. Dazu deponierte er eine Bombe in dem Führerhauptquartier Wolfsschanze in Ostpreußen. Diese explodierte, tötete aber Hitler nicht. Wie legitim dessen Herrschaft war, ob sein mörderisches Regime längst reiner staatlicher Terrorismus war, ist eine andere Frage. Nach der geltenden Ordnung war Hitler Staatsoberhaupt und seine Tötung war ein terroristischer Akt. Entsprechend folgte das heute ganz klar als Unrechtsregime beurteilte Deutschland seiner Zeit dies Attentat, lies den Attentäter und die engsten Verbündeten noch am gleichen Tag standrechtlich erschießen.

War es Terrorismus oder ist der Kampf gegen eine Herrschaft des Terrors mit dem Ziel der Errichtung einer neuen Ordnung kein Terrorismus und wer beurteilt es legitim als die Sieger der Geschichte?

Serbien gehört derzeit nicht zu den Siegern der Geschichte, auch wenn sie Vorteile aus dem Attentat zogen, ihr Kult um den Attentäter toleriert wird, fragt sich, ob dieser Akt des aus damaliger Sicht sicher Terrors heute anders zu bewerten ist und ob Unrecht zu Recht wird, wenn einer Sieger der Geschichte ist. Den damaligen Gegner, das Kaiserreich Österreich-Ungarn gibt es nicht mehr, es ist nach dem verlorenen Krieg untergegangen. Auf die nationalistische Diskussion, ob jemand im Feld ungeschlagen blieb, es darum keine Sieger gab, kann hier verzichtet werden, der mit dem Kriegsende verbundene Umsturz beendete sie faktisch. Die Reiche gingen unter und wurden in den Friedensverträgen von Versailles als Verlierer behandelt. Die Terroristen, die den Krieg begannen wurden Staat, alles hatte wieder eine neue Ordnung gefunden.

Diese Unterscheidung ist für die Abgrenzung von großer Bedeutung. Der Terrorist kämpft gegen die bestehende Ordnung. Die legitimen Kämpfer, auch wenn sie teils die gleichen Methoden verwenden, bemühen sich um dereren Erhaltung. Im Fall von ISIS und der momentanen schiitisch geprägten Irakischen Regierung zeigt sich das gleiche Problem. Die momentan Terroristen, deren Grausamkeit nun sogar Amerikaner und Russen Seite an Seite zum Eingreifen verführt, sehen sich als Vertreter der Mehrheit der Suniten und als Nachfolger in gewisser Weise des vorherigen Regime von Saddam Hussein, zumindest sind hohe Köpfe dieses Regimes dort engagiert, wird der Kampf um Tikrit, des Diktatoren Heimatstadt besonders blutig geführt.

Unversöhnlich stehen sich die Anhänger des Propheten und seiner Jünger und die seines Schwiegersohnes seit Jahrhunderten gegenüber und manches erinnert an die serbische Berunfung auf das Amselfeld, jene Schlacht in der sie die heranrückenden Muselmanen vernichtend schlugen, ein Mythos ihrer Geschichte. Wer handelt nun der Ordnung gemäß und wer ist Terrorist, wie beurteilen wir in Zeiten des Umsturzes diese Einordnung bei der Bewertung der realen Gemetzel von beiden Seiten beim Krieg im eigenen Land.

Wir leben seit über 60 Jahren im relativen Frieden in der Mitte Eropas und haben erkannt, wie wertvoll dieser Zustand an sich ist. Er schafft eine Ordnung, in der wir unseren täglichen Geschäften nachgehen können, uns bereichern, damit das Wachstum fördern und also den Wohlstand aller, glauben wir Adam Smith - zumindest gilt dies Land aufgrund seines ökonomischen Wohlstandes vielen als Paradies. Das liegt zu großen Teil an der Sicherheit und Ordnung die herrschen, der relativ großen Rechtssicherheit und der auch relativ weitgehenden Unbestechlichkeit der staatlichen Institutionen, wobei hier Ausnahmen den Grundsatz bestätigen.

Terror hatten wir in den 70ern infolge der aus der Studentenbewegung der 68er entstandenen RAF, die sich gegen verkrustete Strukturen in der alten Bundesrepublik wehrte, den Umsturz wollte, sich auf diesem Weg auch gerne von Osten her, also konkret der DDR und Moskau, fördern ließ. Sie waren für alle odrnungsliebenden Bürger Feindbilder, gelten bis heute relativ unstrittig als Terroristen und die Gruppe, die sie noch als Freiheitskämpfer verehrt, ist relativ überschaubar am linken Rand. Wären sie erfolgreich gewesen, hätte sich der Kult wohl umgedreht.

Bei der Begründung des Staates Israel schreckten spätere führende Politiker auch nicht vor Attentaten zurück, die zu ihrer Zeit klar terroristisch waren. Die Methoden des Mossad wären teilweise auch terroristisch, wenn sie nicht im legitimen Interesse eines Staates erfolgten, der aus guten Gründen auch im verborgenen um seine Existenz kämpfen muss, sich von Feinden außen und Terroristen innen umgeben sieht, deren erklärtes Ziel die Ermordung aller Juden ist. Dagegen vorzugehen scheint nicht nur legitim, sondern dringend geboten.

Gleiches gilt auf der anderen Seite des Kampfes um das vermeintlich Heilige Land, die Palästinenser, deren erster inzwischen seltsam verstorberner Präsident Arafat auch ein gesuchter Terrorist lange war, bis er zum Friedensnobelpreisträger und eben Präsidenten wurde.

In den USA wird momentan die Rechte stark über den Flügel der Republikaner, der sich Boston Teaparty nennt und damit an einen weiteren Terrorakt aus der Zeit der Gründung der Vereinigten Staaten erinnert. Diese hoch verehrten Gründer, aus deren Kreis sich auch Präsidenten später rekrutieren und die vorher Terroristen, die Teepakete des Kolonialherren als Beginn des Aufstandes ins Wasser geworfen haben. Auch ein klarer Terrorakt

Ob also der Terror anerkannt wird, liegt nur daran, ob er siegreich ist, dann wird er zur herrschenden Ordnung und ist damit wieder alles in Ordnung. Die Unterscheidung von der Ordnung, die den Kampf gegen den sonst Terror rechtfertigt, scheint verschwommen und bemisst sich weniger nach Kriterien wie Grausamkeit oder voriger Illegitimität sondern allein danach, wer als Sieger der Geschichte vom Platz geht.

Wir können also feststellen, das Terror teilweise sehr legitim sein kann, wenn er siegreich ist. Es geht am Ende immer um die Wahrung der Ordnung, wer dafür steht herrscht, der andere wird oder bleibt Terrorist Da stellt sich logisch die Frage, ob die Ordnung ein Wert an sich ist oder nur dann, wenn sie siegreich ist oder doch eher nie, weil sie kein Wert sondern nur eine Form des Systems ist, was sich eben durchsetzt oder nicht. Wenn aber die Ordnung kein Wert an sich ist, fragt sich, warum wir es für gerechtfertigt halten, für diese zu töten. Sollten wir uns vielleicht häufiger fragen, was Leben wert ist, bevor wir in den Kampf gegen den Terror ziehen, der doch nur ein sehr relativer ist, je nachdem wer siegt und sicher stürben weniger, wenn wir nicht mehr eine relative Ordnung für mit dem Leben wert zu verteidigen hielten. Bei kritischem Nachdenken fiele wohl auch allen Teilnehmern auf, dass diejenigen, die dazu auffordern, alles zu geben und das Leben für die Idee zu riskieren, seltenst selbst etwas riskieren, was Grund genug wäre, den Wert des Risikos zu hinterfragen.
jt 28.6.14

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