Samstag, 11. Oktober 2014

Sex in Berlin XXIX

Sex in Berlin beschäftigt sich als Sammlung von Essays mit den Formen der körperlichen Liebe in Berlin und dies müsste wohl zu den Orten, an denen diese zelebriert wird, um einen realen Bezug zu bekommen. Es gibt dazu Clubs und Orte genug hier, die gar nicht den Umweg über das einfach Kennenlernen wählen sondern ganz gezielt auf den sexuellen Kontakt aus sind, der dort gesucht und gelegentlich wohl auch gefunden wird. Allerdings kann nach dem Besuch einiger dieser Orte nur festgestellt werden, sie haben eine eher sportliche Atmosphäre und der Akt wird mehr zur artistischen Übung als zum Vollzug von irgendwas anderen.

Fraglich ob gerade diese Etablissements Berlin sexy machen oder es nicht mehr um den normalen Sex geht, der überall stattfindet und gefunden wird, auch im Supermarkt nebenan. Besonders an den Theken und auf den Tanzflächen treffen sich die paarungswilligen jeden Geschlechts und spannend wird es dort, weil es nicht nur auf den artistischen sexuellen Akt reduziert wird, sondern noch die unkalkulierbare emotionale Komponente dazu kommt, die in kein Schema passt und für die es kein Rezept gibt, wenn auch gewisse Methoden sich in der Praxis als tauglicher erwiesen haben.

Aber trotz der großen Zahl dieser naheliegenden Räume ist der größte Marktplatz des Dating in Berlin inzwischen das Netz, ob über soziale Netzwerke, Tinder oder Finya - hier wird gesucht und manchmal gefunden, wenn sich auch in der Praxis zeigt, das diejenigen Fälle, in denen es gerade nicht klappte, wenn plötzlich anders wahrgenommen, ein oft überraschend schönes Ende nehmen, warum sich das Ausgehen mit offenen Augen immer lohnt, um die Enttäuschten zu  entdecken, die sich gern über den Frust der Erwartung trösten und dabei eher erwartungslos aufeinander zugehen.

Wer sich geplant treffen will, sollte also das Netz wählen, um schnell Kontakt zu finden und neue Begegnungen zu haben, denn viele in den Bars und Kneipen sind genau dazu da. Diese jedoch immer mit gegenseitigen Erwartungen und Hoffnungen überhäuften Treffen sind häufiger, im Ganzen gesehen, eine Enttäuschung als die Kontakte anstatt, es sind, warum sich fragt, ob die gezielte Planung noch sinnvoll ist oder lieber das Fischen im Meer der frisch Enttäuschten weiter ausgebaut werden sollte, um sich die üblichen Geplänkel und Enttäuschungen zu ersparen.

Wer nichts erwartet und sich erwartungslos aber offen irgendwohin begeben kann, wird damit sicher mehr Erfolg haben, als auf dem Weg des konventionellen Onlinedating, was inzwischen schon wieder langweilig wird, auch wenn der Markt kontinuierlich wächst. Anderes kann für die gelten, deren Ausdrucksform gerade das geschriebene Wort ist - sie werden online schneller für sich einnehmen können, als es ihnen eben schreibend für sich in Bars oder Cafés gelingt. So zumindest meine Erfahrung, wenn auch diese sich inzwischen relativiert, da auch hier die Welten gelegentlich verschwimmen und wer dennoch aufmerksam wird im Realen, diese um so mehr verdient, weil sie oder ihn interessiert, was du gerade tust und das ist selten ein schlechter Anfang.

Im Gegenteil, aufmerksam für den anderen sein, ist das sicherste Mittel, andere erfolgreich kennenzulernen, wenn es dabei um so etwas wie Erfolg gehen kann, nicht viel mehr die Frage ist, was glücklicher macht, die ruhige Betrachtung der anderen in ihrem steten Bemühen umeinander oder die aktive Teilnahme an diesem Minnewettbewerb, der in Berlin stets mit einer gewissen Großmäuligkeit und Kaltschnäuzigkeit verbunden ist. Habe mich da inzwischen lieber auf den Beobachterposten zurückgezogen, da der Wettbewerb klassischer Überbietung mir zu sportlich langweilig ist und ich da wohl eher weniger in den klassischen Disziplinen der hiesigen Großmäuligkeit zu bieten habe, in denen Intellekt oder historisches Wissen selten den ersten Trumpf ziehen.

Wer aber im dennoch als nur Beobachter die Aufmerksamkeit der Damen erringt, fährt damit langfristig betrachtet meist besser, jedenfalls kann der Betroffene nicht über Einsamkeit klagen, auch wenn er immer außen vor bleibt beim großen, Jagen und sich nur darüber amüsiert oder eben wie hier darüber schreibt, weiß ich doch, die wirklich interessanten Frauen mögen zwar dies laute Spiel um ihre Gunst mitspielen, doch ist dies wohl noch seltener zielführend als die scheinbare Passivität, da Frauen sich ohnehin die aussuchen, die sie wollen, warum solches Bemühen, eher verlorene Liebesmüh meist ist und wenn eine Nacht dabei herausspringt, diese es selten wert ist, im Verhältnis zur dafür vor sich her geschobenen Bugwelle.

Diejenigen aber, die aus der Stille Aufmerksamkeit erringen, haben nur scheinbar weniger Kontakte, wirken einsamer oft, aber gewinnen dafür doch immer eher die Herzen derjenigen, die dieser Mühe wert sind und nicht nur aus artistischen Gründen der Präsentation unterwegs sind. Was die Frage aufwirft, um was es eigentlich dabei geht und was uns zufrieden macht und auf diese gibt es vermutlich ebensowenig eine Antwort, wie die Neigung dazu nur eine Richtung hat.

Die einen amüsieren sich im Minnewettstreit der Superlative aufgeblasener Egos an der Bar mit den je Satussymbolen geschmückt, lassen sie sich ihre Rolle gern etwas kosten und wollen auch darum begehrenswert erscheinen, während die übrigen dies mehr oder weniger amüsiert beobachten. Manche kochen innerlich oder entwickeln Beschützerinstinkte für die so billig angemachten scheinbar wertvolleren Frauen, unternehmen aber selten mehr, als sich innerlich zu distanzieren und den Platzhirschen ihr Revier zu überlassen, warum dieses Verhalten noch immer bei einigen als dominant erfolgreich gilt. Andere genießen die Distanz, amüsieren sich für sich im sicheren Wissen, ihre Zeit wird kommen, wenn die hohlen Hirsche ihr Pulver verschossen haben und wenige kluge Bemerkungen schon das Ruder langer Bemühungen leicht wenden können.

In Summa und nach langer Beobachtung schienen mir letztere immer am glücklichsten zu sein, auch wenn es vielleicht mehr Geduld kosten kann, um zum Zug zu kommen, hat sich der Weg doch bewährt, auch wenn ich zugeben muss, häufiger von diesem Retterinstinkt gepackt worden zu sein, um dabei aber immer wieder festzustellen, gerade auf der Tanzfläche, dies wird höflich honoriert, mehr aber auch nicht, während die noch Geduldigeren meist erfolgreicher waren im Aufbau von Nähe, die ohnehin nach weiblichem Gutdünken bemessen wird, auf das auch die klügste Vernunft viel Einfluss hat.

Frau wählt, sagt sie zumindest, nach dem Gefühl und es wäre an dieser Stelle vermutlich spannend das sogenannte Gefühl in seine einzelnen tatsächlichen Auslöser aufzuwickeln, die womöglich offenbaren könnten, dies Wahlverhalten ist wesentlich vernünftiger als die vermeintlich kopfgesteuerte Auswahl der Herren nach Äußerlichkeiten und sonstigem. Die wenigsten, sind sich vermutlich der genauen Gründe ihrer Wahl bewusst und verlassen sich auf ihren Instinkt, den sie Gefühl oder Bauch nennen. Fraglich, was sich ändert, wenn wir uns dessen bewusst sind oder ob Frau anders handelte, wenn sie Gefühl und Verstand weniger dialektisch betrachtete.

In der Praxis zeigt sich, dass wer nicht nur One-night-stands sammelt, lieber den Damen die Wahl überlässt, um nachhaltig zu genießen. Auch die Geschichten, die mit viel Aufwand für eine Nacht errungen werden, haben sicher ihren Reiz und machen in Summa sicher die größte Menge der Begegnungen aus, doch sind sie selten wirklich erfüllend und eher eine sexuelle Erledigung des eben Pflichtprogramms, das auf den Erfolg der eigenen Befriedigung zustrebt und unzufrieden macht, wenn dieser nicht irgendwie erreicht wird. Sex aber kann auch beim ersten mal gut und erfüllend sein, ist es aber selten, wenn so beabsichtigt, da der Reduktion das entscheidende Element fehlt, was die Begegnung schön macht.

Damit sind wir schon nahezu beim Kern dieser Essays angekommen, die über Sex reden, der aber ohne Gefühl eben langweilig ist, warum die vermeintliche BlackBox der großen Emotionen doch das ausschlaggebende Kriterium für glücklichen Sex ist und das Schreiben über Sex ohne dieses eine nur halbe Sache bleibt und es darum ganz entscheidend für den Genuß auf das richtige Gefühl ankommt, es sei denn, ich bin Leistungssportler auf dem Parkett der schnellen Befriedigung, dann sollte ich mich nicht von solchen Dingen wie Gefühl ablenken lassen, wenn ich auch außer in Tempo und Numerus nichts gewinnen werde, was zwar zum Bieten in der Runde pubertärer Knaben geeignet erscheint, ansonsten aber eher lächerlich macht, der Genießer schweigt über beides lieber und um ein solcher zu sein, wird es auch an dieser Stelle nun Zeit ein schnelles Ende zu finden, alles eine Frage des Gefühls scheinbar und das bisschen Technik lernt der Aufmerksame schnell.
jt 11.10.14

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