Donnerstag, 2. Oktober 2014

Sex in Berlin XVI

Es gibt Abende an denen liegt der Sex in der milden Luft, welche die noch relativ leicht für den 1. Oktober bekleideten umspielt. So sehen sich die Fremden im Vorübergehen an und jeder spürt, hier genügten wenige Worte, damit etwas passiert, beide sich in die lustvolle Spannung fallen lassen, die eben in der Luft liegt.

Überhaupt, die Berliner Luft, schon in Schlagern besungen und doch so oft kaum den Namen wert, da stickig oder verraucht, voller Staub und dem üblichen Dreck einer Millionenmetropole, der eher Sorge um die eigenen Poren macht, als ein eingeatmeter Lustgewinn noch zu sein. In Nächten wie dieser aber, wo es schon abkühlt aber noch mild bleibt, streichelt sie uns zärtlicher als Hände es könnten und ersetzt die nur geträumten beim Gang um den Platz mühelos.

Eine Luft voller Lust, erwartungsvolle Blicke, Hoffnung und Sehnsucht schwirren durch herbstliche Milde und so spiegelt schöner Herbst schönsten Frühling nur nicht als vorsichtiges noch werden des jungfräulichen Jahres, sondern als gereifte Zeit, die Erfahrung des Sommers schon im Rücken, weit über diesen hinaus ein nochmal glänzen in den Farben der Blätter, die langsam die Bäume entblößen. Noch nicht nackt und schutzlos wie im Winter, der sich nach Schnee als milder Decke sehnt, sondern eben noch nicht vergangen und doch auch nicht mehr Sommer, etwas nachdenklicher vielleicht, nicht aufgewühlt oder erdrückt von der Hitze sondern einfach da mit der Erinnerung der Lieben des Jahres.

Sich im Herbst finden und diesen gemeinsam genießen, muss wohl das schönste Glück sein, was ich mir vorstellen kann, als Kind des Herbstes vielleicht naheliegend und doch scheint mir gerade die Liebe im wie zum Herbst, diejenige jenseits der vierzig, die nichts mehr an neuen Erfahrungen um der Erfahrung wegen sucht, sondern genießt, was ist, wie es kommt. Es ist die reife Liebe, die auch eine Lust kennt, wie wir sie vorher nie erlebten, weil die Reife und Ruhe sie zu würdigen, fehlte.

Sich an kleinen Details freuen und sich auf sie konzentrieren, um nicht den frischen Körper zu erwarten, der noch stets neue Blüten sucht, wie sie die Lust an so vielfältigen Punkten und in so unterschiedlichen Varianten offenbart, sondern sich an den gereiften wie erfahrenen Liebsten zu freuen, für die auch die Nähe ein Glück des Moments ist, weil sie nicht Rekorde oder Ziele erreichen müssen, sondern einfach genießen können.

Die Lust im Herbst muss sich nicht mehr überschlagen, um Rekorde zu brechen, die eigenen oder die der anderen, mit denen noch so lange konkurriert wird, wer im Frühling am schönsten blüht, im Sommer seine Triebe am höchsten schießen lässt, um gleich den größten Bäumen über die anderen hinaus zu wachsen. Es ist mehr dieses um sich schauen, sich an der Schönheit erfreuen, die einfach da ist, auch der schon fallenden Blätter, der kleinen Falten wie der Versuche noch den Anschein des Frühlings zu wecken, die der Herbst mit seinen milden Farben und Temperaturen gar nicht mehr braucht, weil er sich mit der Mischung aus Erinnerung an die Leidenschaft des Jahres wie der eigenen Schönheit, die noch einmal blüht, nicht mehr beweisen muss.

So sehe ich beim Gang um den Platz noch junge Paare, die ein wenig Sommer oder Frühling spielen, weil es ihnen entspricht, die aber von der reifen Schönheit wenig merken, weil sie noch viel zu sehr von der keimenden Leidenschaft gefressen werden, die den Blick auf bloße Lust lenkt und Schönheit kaum sieht. Welch Genuß daran vorbei zu gehen, ihnen ihre Lust zu gönnen, im Wissen die eigene ist eine andere, muss sich niemandem mehr beweisen und kann genießen, was ist, wenn es da ist. In dem Moment ist sie nicht weniger leidenschaftlich als die des Frühlings und strebt zum gleichen Ziel des Höhepunktes, aber sie kann es in Ruhe genüßlich tun, verzögern und warten, braucht es nicht einfach, um sich zu befriedigen sondern genießt das Ganze umfassender.

Kann auch die Stimmung als Sex genießen ohne mehr zu erleben als einen Blick, der mehr sagte als der viele schnelle Sex, den leidenschaftliche Junge sich in solchen Nächten noch in vielen dunklen Ecken suchen, hat Zeit und nimmt sie sich. Geht vorbei, erwidert ein Lächeln und denkt sich, es wird irgendwann wieder da sein, heute genügt der Gedanke und der Genuß sich von der Luft streicheln zu lassen, um den Herbst zu würdigen und nicht Frühling zu spielen anstatt.

Einfach für sich bleiben und genießen, wie schön es ist, dass so viel Lust in der Luft liegt, zu wissen, welche Wege sie nehmen könnte, ohne sie darum einzig gehen zu wollen, sondern die Stimmung zu genießen, ist ein viel größeres Glück, scheint mir gerade als das erfolgreiche Wechselspiel mit erreichtem Ziel der Befriedigung und so sich im Herbst Zeit zu lassen, um zu genießen, was ist, ohne mehr zu erwarten, würdigt die Lust des Moments, ohne sie erobern zu müssen - sie ist ja da und wird schon kommen, wenn es passt.

Rede ich mir nun die real existierende Einsamkeit schön, um nicht zu leiden, fragt sich ein wenig selbstkritisch der Autor beim Versuch zu genießen, was ist, fragt sich nur, was die Schönheit einer Herbstbacht für sich je ersetzen könnte, oder vermutlich fragt es sich nicht, wenn es da ist, macht aber was nicht ist für sich schöner und so gesehen, könnte alles obige genauso geistige Onanie sein wie gefühlte Wirklichkeit, fraglich nur, ob sie geteilt schöner wäre, oder frage ich lieber nicht, weil es nichts an dem ändert, was ist und es ja selten für uns darauf ankommt, wie es ist, sondern viel mehr, wie es uns scheint und wir uns dabei fühlen, warum es in manchen Nächten einfach besser ist, für sich zu bleiben.
jt 2.10.14i

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