Sonntag, 5. Oktober 2014

Sex in Berlin XVIII

Sex ist das Ergebnis von Kommunikation zwischen den Geschlechtern, ob nun des gleichen, verschiedener oder multipler Varianten davon. Er ist so spannend, weil die Kommunikation immer wieder so schwierig ist, sich nicht einfach zur Sache verständigt wird, sondern lange um diese herum geredet wird, auf dem Drahtseil gespannt zwischen Gefühl und Lust.

Ob dem Sex etwas fehlte, wenn wir uns dazu einfach vertändigten, klar auf das Ziel gerichtet ist die eine Frage, die manche für sich verneinen würden und dabei auf Prostitution oder die Lust nur um der Lust willen schauen, andere aber immer bejahen würden, die ohne die Anbindung an das Gefühl, keine erotische Spannung entstehen lassen können.

Außer im Fall der Prostitution klappt die Verständigung selten zielgerichtet sondern nimmt immer Umwege, fühlen wir uns, wenn einer daraus ausbricht eher vor den Kopf gestoßen, soweit wir eine romantische Neigung haben noch mehr. Denke ich an meine Liebhaberinnen, kann ich zumindest für mich sicher sagen, ohne die Idee eines Gefühls füreinander, ist die Sache als bloßer Akt langweilig und interessiert mich nicht mehr. Purer Sex hinterlässt einen irgendwie faden Nachgeschmack, warum die auch verbale Zärtlichkeit drumherum doch wesentlich wichtiger sein kann, als sie uns im Akt an sich erscheint, wo wir nur noch körperlicih getrieben, uns umeinander bemühen, mehr tun, als wir oft wollen.

Manchmal bedarf es auch nicht mehr vieler Worte, weil alles spürbar ist und die Kommunikation bereits nonverbal so klar war, dass im Ergebnis nur Sex noch der nächste Schritt zueinander sein kann. Manche ziehen auch dann noch den Eierlauf mit verbundenen Augen vor in der irrigen Überzeugung, dies könnte ihnen gut tun, gäbe einander mehr Wert, auch wenn dies selten so vor sich zugegeben wird, sondern meist eher die besten Ausredenmodelle ausgesucht werden, sein Verhalten entgegen der eigenen Natur, die ja wollte, aber sich nicht verschenken will oder was immer hier als Ausrede taugt.

Viele Fälle scheitern an diesem einfachen Hindernis, was sich am liebsten in verschlossener Kommunikation ausdrückt, die gerne das Gegenteil von dem sagt, was sie meint, warum die Verständigung zwischen denen, die sagen, was sie meinen und jenen, die sich nur verdeckt offenbaren immer schwierig bleibt. Warum besonders Frauen, die betonen, ihnen sei Ehrlichkeit am wichtigsten, dazu neigen genau so sich verständigen zu wollen, also eigentlich, ehrlich gesagt, alles tun, Kommunikation zu verhindern, ist eines der großen Rätsel.

Spannend wäre hier die Frage, ob dies aus der Natur der Frau oder dem sozialen Kontext resultiert. Viel spricht dafür, dass es nur die Anpassung an Erwartungen und gesellschaftliche Regeln ist, die dies hervorbringt. Sie will ja, eigentlich, aber sie kann ja nicht so wollen, oder es ihm so sagen, weil sie meint, was wir haben, wäre uninteressant und spannend würde nur, was wir nicht bekommen. Weiß nicht, wie oft ich diesen Satz von Frauen schon zur Rechtfertigung eigentlich absurden Verhaltens gehört habe, denke auch lieber nicht darüber nach.

Nach meiner beschränkten Erfahrung und über was mehr soll ich reden, als was ich kenne, passen sich auch Männer gut in diesen eigentlich von Frauen diktierten Konsens ein, wonach Frau nur reizvoll ist, wenn sie schwer zu erringen ist oder scheint, während was leicht und willig vor uns liegt, schnell jeden Reiz verliert. Auch ich funktioniere immer wieder so, sogar wenn ich es mir bewusst mache und das Gegenteil behaupte - denn Frau hat ihren Reiz auch daraus, dass wir sie erringen müssen. Welch atavistisches Schauspiel, fern jeder egalitären Beziehung, spielen wir da?

Scheinbar funktioniert das Spiel umgekehrt genauso - am interessantesten wirke ich dann auf Frauen, wenn ich entweder glücklich liiert bin oder mich sonst nicht sonderlich interessiert gebe, während ich am schnellsten scheiterte, wo ich mich bemühte und alles gab, um ihr Herz zu erringen und dies auch so offen ihr sagte. Scheinbar fehlte dann die Spannung, die sich uns einander unter Aufhebung aller Zweifel der Verständigung lustvoll hingeben lässt.

Es gibt seltene Ausnahmen, wo die Verständigung auf die je Lust auf der Ebene des Gefühls schon so innig ist, dass es keiner anderen Verrenkungen mehr bedarf, einander zu reizen. Dennoch gilt wohl immer, interessant sind wir, wenn wir uns nicht füreinander interessieren und nichts vor allem beabsichtigen - uninteressant werden wir, wo wir die Absicht aussprechen, auch wo wir sie in einen großen Wattebausch des Gefühls packen.

Erinnere mich in diesem Zusammenhang an verschiedene Fälle, wo das Gefühl vorab schon sehr innig war, der letzte Schritt zum Vollzug aber meinerseits ausgebremst wurde, auch aus dem guten Willen, dem Gefühl mehr Raum zu geben und dann das ganze von Frau abgebrochen wurde, weil sich die Situation und damit die Spannung in ihr verflüchtigten. Wenn Mann dann noch oder doch will, ist das scheitern in nahezu allen Fällen, außer es besteht bereits eine große emotionale Abhängigkeit, vorprogrammiert. Kenne keinen anderen Fall, lasse mich aber gern vom Gegenteil überzeugen, was ich ganz leichtfertig so sage, weil ich ohnehin davon überzeugt bin, dass dies nicht geschehen wird.

Weiß vom Hörensagen, dass Männer dies untereinander eher nicht betreiben, aber auch dort gibt es auf emotionaler Ebene ähnliche Spielchen nur der Sex wird untereinander wohl auch direkter kommuniziert nach meiner geringen Erfahrung dabei. Frauen sagen, so sie Frauen lieben, gerne, dies sei reine Gefühlssache und es gäbe da eine Nähe und Verständigung, die mit Männern nie erreicht werden könne, was auch für den Sex gelte, auch wenn sie dennoch Männer mal oder dauernd vorziehen, sagten sie es mir so. Damit ist nicht klar, ob das Spiel untereinander genauso gespielt wird.

Die rein soziale Notwendigkeit entfiele hier und dennoch wird die untereinander oft in noch stärkeren Maße imitiert. Eine der Parteien spielt die Männerrolle und eine die dann eher Frauenrolle, was auch amüsant in Anbetracht der Tatsache ist, dass die Mehrheit der Heteros sich gerade bemüht, diese Rollen hinter sich zu lassen in der Meinung der Umgang miteinander würde damit gerechter und besser, die Verständigung leichter.

Sofern aber diese Muster, die auch homosexuelle Paare wiederholen, in teilweise sogar potenzierter Version, aber in unserer Natur lägen, wäre der Versuch, sie zu überwindern ein paradoxer und wir balancierten nur durch uns wesensfremde Rollen aneinander vorbei und könnten nur der Natur und unseren eben auch Trieben, geeint mit dem nicht vollständig logisch zu definierenden Gefühl, dankbar sein, dass sie ein Zusammenkommen auch wider diese widrigen Umstände immer wieder realisiert.

Wenn es aber in unserer Natur liegt, uns eben zu suchen und zu finden, wenn es passt, wäre alle Kommunikation überflüssig eigentlich. Was wir spielerisch für den logischen Anfang halten und mal mehr genießen, manchmal auch nur erdulden, wäre eine nur soziale Bedingung, auf unsere Natur gesetzt und ihr entgegengestellt, auch wenn wir uns gerne sagen, ohne diesen Kontext kein Gefühl und ohne Gefühl kein schöner Sex.

Um so mehr ich darüber nachdenke, wo ich triebhaft meiner Natur folge, wo ich sie diszipliniere um des Kontextes willen, um so weniger kann ich sagen, was wann ist. Oft hat es von allem etwas und ist nichts isoliert existent. Wir treffen im sozialen Kontext aufeinander, auch in sozialen Netzwerken, die darum ein solcher Tummeplatz der Liebenden sind. Wir meinen uns davon durch die Einmaligkeit des Gefühls wieder zu isolieren, einen neuen sozialen Kontext zusammen zu bilden und irgendwo dabei rutscht dann auch die Lust aufeinander dazwischen.

Frage mich also, ob es mich freier machte, wenn ich den ganzen Vorgang des sich Verliebens neurologisch verstünde, logisch als Teil meiner Natur, die auf Arterhaltung gerichtet ist und der ein sozialer Kontext gut tut und habe inzwischen das Gefühl, es kann dahinstehen, vielleicht kann auch beides nebeneinander existieren - unsere Natur die aus der Fülle von Gründen schöpft, wie das Gefühl, das uns so groß und schön scheint, dass es in keine Schublade passt.

Schön wäre es, wenn wir uns darüber verständigen könnten, was uns sichtbar schwer fällt, weil es uns manche Salti ersparte, die immer eine hohe innere Verletzungsgefahr bergen. Zu gewinnen gäbe es das Glück der Harmonie von dem, was wir für unser Gefühl halten, mit unserer Vernunft und Natur, warum das schwierige Experiment der Verständigung gewagt werden sollte, sofern es eine Chance hat, so schlecht auch die Aussichten sind.

Sex ist auch am Ende immer Kommunikation, nur ist es selten das Ergebnis von dem, was wir eine vernünftige Kommunikation nennen, sondern passiert meist nur trotzdem.
jt 5.10.14

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