Mittwoch, 8. Oktober 2014

Sex in Berlin XXII

Was passiert im Sexleben der Großstadt, wenn der Herbst kommt, fragt sich der Flaneur beim nächtlichen Gang um den Platz und beim Blick in die Cafés und Bars, nach dem großen Regen mit herbstlichen Winden, scheinen die Orte nächtlicher Unterhaltung nahezu leergefegt. Es ist nichts los und die Menschen scheinen Zuhause geblieben zu sein.

Auch in den Hinterhöfen ist nichts von ihrem Treiben zu hören, auch wenn unklar ist, ob die Stille mehr an den nun geschlossenen Fenstern liegt oder eher daran, dass wirklich mal nichts los ist in der Stadt, die für sich in Anspruch nimmt sexy zu sein. Die wenigen Passanten tragen ihren Kragen hochgeschlagen und den Blick eher gesenkt, auf dem schnellen Weg nach Hause. Die beiden jungen Türken, im Nachtdienst am Kiosk sitzen in dicken Jacken noch vor ihrem Laden beim Bier und debattieren auf deutsch über türkische Politik. Mit Sex hat das alles nichts zu tun.

Es könnte nun die Theorie aufgestellt werden, dass die Wendepunkte des Wetters in der Stadt eher asexuell sind und dem sonst hier Liebesleben abträglich wären. Ob das nichts als Anhaltspunkt dafür genügt, oder es doch mehr wäre, wenn wir wüssten, was hinter den Fenstern passiert, kann nicht geklärt werden. Lassen wir es für heute dahinstehen und gönnen der Stadt auch Tage ohne Sex, wo sie es sich in hoffentlich trockenen Wohnungen gemütlich macht und nur darauf wartet, dass die Sonne wieder aufgeht.

Von der Sinnlichkeit des Nichts könnte viel geschrieben werden, aber tatsächlich passiert eben nichts und darum muss auch nicht viel darüber geschrieben werden und wir überlassen es im übrigen der Phantasie und fragen uns, ob wir die Pause lieber mit Vorfreude oder erwartungslos genießen, um keinesfalls enttäuscht zu werden, denn es kann ja auch im Nichts für sich genug Genuß und Schönheit liegen, wenn wir es nur zu würdigen wissen. Die Einsamkeit als Glück der dialektischen Spannung, die gespannt bleibt, was als nächstes geschieht und wie wir uns in dieses Glück finden, ist vielleicht die angemessene Umgangsweise mit Tagen wie diesen, die uns, was sonst hier passiert, mit anderen Augen sehen lässt und die Sinnlichkeit, so es sie gibt im Verborgenen lässt für eine ruhige Nacht.
jt 9.10.11

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