Mittwoch, 31. Juli 2013

Wer beherrscht die Welt?

Gibt es Deutschland?

Eine verwirrende Frage, wir sind ja schließlich da, scheint es, ohne zu überlegen, was einen Staat eigentlich ausmacht. Also sollten wir uns vorab fragen, was und wo sind wir, wenn wir vom Staat reden und was ist unsere Rolle dabei tatsächlich und vermeintlich.

Nach Max Weber ist Staat die Gemeinschaft, die „innerhalb eines bestimmten Gebietes […] das Monopol legitimer physischer Gewaltsamkeit für sich (mit Erfolg) beansprucht“, also ein auf Legitimität gestütztes „Herrschaftsverhältnis von Menschen über Menschen“

Der juristisch-völkerrechtliche Staatsbegriff bezeichnet als Staat „die mit ursprünglicher Herrschaftsmacht ausgerüstete Körperschaft eines sesshaften Volkes“, wie Jellinek es auf den Punkt brachte.

Nach einer gängigen politikwissenschaftlichen Definition ist der Staat das System der öffentlichen Institutionen zur Regelung der Angelegenheiten eines Gemeinwesens.

Nach der sittlichen Auffassung vom Staat (Aristoteles, Rousseau, Hegel) ist dieser die Verwirklichung der moralischen Ziele des Einzelnen und der Gesellschaft.

All dies klingt als gäbe es im Geltungsbereich von GG, BGB und StGB einen Staat.  Fragt sich nur, wer dort die Herrschaft ausübt.

Ein Staat genießt volle (völkerrechtliche) Autonomie, wenn er keiner Gesetzgebung, Exekutive und Rechtsprechung außerhalb seiner selbst untersteht. Staaten oder Gebiete werden auch als autonom (früher gelegentlich auch als souverän) bezeichnet, wenn sie sich außenpolitisch von anderen Staaten vertreten lassen, nach innen aber selbständig sind.

Insofern die Bundesrepublik dies nach noch zu Zeiten der Alliierten Besatzungsmacht geschlossenen Verträgen, wie jetzt offensichtlich wurde, offensichtlich weder kann noch tut, scheint dies zumindest fraglich.

Anders klang das noch im Maastricht Urteil des Bundesverfassungsgerichts, indem es nicht nur den eigenen Vorbehalt aus den "Solange wie" Urteilen zur europäischen Integration und die Notwendigkeit eines Fortbestands an eigener Kontrolle betonte, sondern generell von einer nicht preiszugebenden Autonomie ausging.

Gleichzeitig üben wir im Namen unserer Banken in Europa über unsere eigentlich vertraglich souverän verbundenen Partner nicht demokratisch legitimiert die Herrschaft eines absoluten Fürsten aus.

Die Lage scheint so bedrohlich wie verworren.

Gilt in Deutschland deutsches Recht oder gibt es weder diesen Staat als Souverän, noch seine Verfassung und was hat das für Folgen?

Wo leben wir eigentlich sonst?

Die Frage nach der Geltung des Rechts stellt sich in Zusammenhang mit der Behauptung der Bundeskanzlerin, dem sei so und dem andererseits  weiter geltenden Besatzungsrecht der früheren Alliierten, das vielfach gegen deutsches Recht verstößt.

Unstrittig werden mit der erlaubten Spionage Grundrechte verletzt, die das Abhören von Telefonaten oder das Öffnen von Post unter einen engen Erlaubnisvorbehalt stellen.

Sofern ein Staat die Gültigkeit seiner Verfassung oder der Rechte seiner Bürger nicht durchsetzen kann, ist er entweder nicht demokratisch oder nicht souverän, wobei auch beides zusammen möglich wäre.

Wo er sich nicht einmal darum bemüht, sondern in einer willkürlichen Reihung der grundsätzlich gleichrangigen Grundrechte versucht der nur optionalen Sicherheit, die nie wirklich gewährt werden kann, den Vorrang zu geben vor der Freiheit oder anderen Schutzrechten des Individuums, haben wir bereits die potenzierte Inkompetenz, die im postdemokratischen Staat ihre verlogene Realität findet.

Staaten behaupten nur noch ihre Legitimation als Ausführungsorgane der auf Zeit vom Bürger geliehenen Macht. Real sind sie die Macht und tun alles selbige weder zu teilen, noch dem Souverän die Entscheidung über seine Interesse zu überlassen. Sie regieren dann aus und mit Notwendigkeiten, die alles legitimieren und jegliche vorher für höherrangig oder unverrückbar gehaltenen Rechte einfach im normativen Zwang des Faktischen ersticken.

Dies alles spräche nun zwar gegen die verfassungsmäßig gebotene Demokratie und stellt damit die Legitimation der so handelnden Politik infrage, die nur noch im eigenen Auftrag handelt und nicht mehr in pflichtgemäßer Erfüllung der vom Souverän übertragenen Aufgaben, aber es stellte noch nicht die Souveränität des Landes infrage.

Anders verhält es sich, wenn die Behandlung der eigenen Bürger nicht mehr der eigenen Kontrolle unterliegt, wie es die Bundeskanzlerin zuletzt vorgab inbetreff der  amerikanischen Überwachung.

Wäre dann ein Vertrag des nur vermeintlich souveränen Staates überhaupt gültig?

Was bindet und was ist nur Schein?

Der Handelsblatt Vorstand Gabor Steingart sagte zur Souveränität und ihren Zusammenhängen kürzlich im Interview mit der FAZ:

" Souveränität? Das Bundesverfassungsgericht muss die Regierung dreimal daran erinnern, dass das Parlament anzuhören ist. Wir hatten europäische Regierungen, die gar nicht gewählt sind. Wir sagen, bestimmte Staaten sollen keine Wahlen abhalten, weil die Märkte nervös werden könnten. Wir erlebten einen Souveränitätsverlust auf der gesamten europäischen Ebene. Gut, das war die Krise. Aber die gleiche Deformierung beobachtet man doch auf der individuellsten Ebene. Der Einzelne in der Informationsökonomie wird zusehends zu jemandem, der ein liquides, aber eindimensionales, ausrechenbares Ich entwickeln muss, der sich nicht mehr auf die Vielschichtigkeit der menschlichen Psyche berufen kann. Lesen Sie mal die einschlägigen Karriereratgeber nach: In der modernen Welt bist du, was deine Präferenzen sind."

Zur Frage der Konsequenzen aus der Krise sagte der kluge Journalist erstaunliches im Interview, was manchen nachdenklich machen sollte auch hinsichtlich der Urteile über Griechenland:

"Wir brauchen eine lang angelegte Entschuldung der gesamten westlichen Staaten, aber keine abrupte Nulldiät für Südeuropa. Muskeln kann man sich nicht anhungern. Statt einer Brüningschen Austeritätspolitik wäre eine Ertüchtigungspolitik, wie sie General Marshall den Deutschen nach dem verlorenen Weltkrieg hat angedeihen lassen, für alle Beteiligten fruchtbarer."

Zur Frage warum das bisher nicht passiert ist, meint Steingart, der gerade ein Buch über unseren Wohlstand und seine Feinde schrieb:

"Die kurze Antwort lautet: weil Frau Merkel von Wirtschaft nicht genug versteht. Die ehrlichere Antwort aber müsste lauten: weil sie mit Blick auf das, was innenpolitisch in Deutschland ankommt, vielleicht auch gar nicht mehr verstehen will."

Ist das nun eine verantwortliche, nur eben am Willen der Mehrheit  orientierte Politik oder ist es die Flucht aus der Verantwortung einer längst nicht mehr demokratischen Regierung, die nur noch Zwängen gehorcht?

Wir sehen ein Land, das mit dem Glück seiner erfolgreichen Banken im großen Zockerspiel vom realen Verlierer der Geschichte sich zum Sieger ohne Souveränität wandelte, der die übrige europäische Welt wie ein absoluter Fürst beherrscht und nur auf seinen Vorteil bedacht ist.

Ein Land, das sich stolz als Sieger fühlt, weil es Geld zu horrenden Summen verleiht und dessen Feinde in Zahl und Wut stetig wachsen, läuft Gefahr an seinem Geld einsam zu ersticken. Wir wissen, was zu tun wäre, aber wir lügen uns alle weiter an, statt die Aufgaben anzugehen und das noch als nicht souveräner Staat, der unfähig ist, die Grundrechte seiner Bürger gegenüber Dritten zu sichern.

Völkerrechtlich scheint die Bundesrepublik als Souverän zu existieren, intern verhält sie sich, als wäre sie ein bloßes Opfer fremder Mächte, faktisch nicht zu einer Entscheidung fähig und extern vertritt sie die Interessen ihrer Banken, von denen sie selbst als Schuldner abhängt.

Wir leben also in einem nicht souveränen Staat, der in der ihn umgebenden Welt, wie ein Fürst des Marktes regiert und seinem Volk vorgaukelt all dies geschehe zu seinem Wohl.

Die große Frage am Ende ist, wie lange lässt sich der deutsche Michel noch für dumm verkaufen und wie lange tanzen die anderen europäischen Völker noch nach der Pfeife deutscher Fürsten, wann nimmt der eigentlich Souverän wieder seine Macht in die Hände?
jt 31.7.13

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