Montag, 29. Juli 2013

Untergang oder Geburt?

Buchtod=Bürgertod?

Der Untergang der Kultur, der des Abendlandes oder des Morgenlandes wird stets beschworen sobald von Veränderungen die Rede ist.

Noch ist die Welt keinmal untergegangen und allen Prophezeiungen zum Trotz hat sich die Kultur immer weiter entwickelt, neue Antworten auf die Fragen einer veränderten Welt gefunden.

Das gefürchtete Sterben des Buchhandels im digitalen Zeitalter gehört zu den liebsten Visionen der Propheten des Untergangs, weil sich an ihm der Tod der auf Büchern fußenden bürgerlichen Gesellschaft, des bereits stark moribunden Bildungsbürgertums, ablesen ließe.

Ist dem so?

Zum Zeitpunkt ihrer Entstehung war die bürgerliche Gesellschaft eine sich nach oben, von Adel und Kirche wie nach unten gegen die einfachen Stände und die entstehende Arbeiterschicht abgrenzende Gruppe dazwischen. Sie machte Karriere und stieg auf durch  ökonomische Kompetenz und Bildung.

Entsprechend wurden die früher dem Adel und den Klöstern vorbehaltenen Bibliotheken zu Statussymbolen des sozialen Aufstiegs. Bis das kostbare Gut zur Massenware wurde, beliebig verfügbar oder die Buchrücken nur noch Tarnung für andere Bedürfnisse blieben.

Bildung ist nicht mehr als solche ein Wert sondern nur, wo sie eine Anwendung findet. Die spezialisierte Gesellschaft belohnt die Fachidioten und bestraft die umfassend Interessierten,  die sich nicht beschränken können oder wollen, indem sie diese beschränkten Wesen zu kurzzeitigen Helden im rasenden Spiel um Aufmerksamkeit macht.

Es gelten die Aufsteiger, die das schnelle Geld verdienen mehr als die seriösen Kaufleute nach dem Vorbild noch eines Thomas Buddenbrook, der nur des Tags solche Geschäfte tätigte, dass er des Nachts gut schlafen konnte.  Bis er zu spekulieren begann als Geste der Freundschaft für den Weizen noch auf dem Feld des Gatten der alten Schulfreundin seiner Frau, jener Mecklenburgerin Armgard von Schilling, womit auch der wohl unaufhaltsame Untergang des Hauses Buddenbrook begann.

Der Untergang durch Spekulation oder durch fehlende Anpassung an eine sich wandelnde Gesellschaft, zu der die Regeln, die noch aus der Zeit der Hanse zu stammen schienen, nicht passen wollten?

Die Parallelen in unsere Zeit scheinen frapant und offensichtlich, und ein Klassiker wie Thomas Mann scheint gute Ratschläge zu haben auch noch für unsere Zeit, um nur auf dem gerade zufälligen Beispiel ein wenig weiter zu reiten.

Im Faust wird, wer sucht, ähnliche Parallelen finden auf andere Art, in der göttlichen Komödie Dantes finden sich Spuren des selben Geistes, schon die griechischen Tragödien zeugen davon und der Codex Hamurabi aus noch älterer babylonischer Zeit weist auf die gleichen Spuren, wenn vom Konkurs eines Staates unter der Last der Schulden berichtet wird.

Alle diese literarischen Beschreibungen des Lebens ihrer Zeit fürchteten um den Untergang, infolge der drohendem Veränderung. Sie erhielten sich als Spuren der Kultur, auch wenn sie genauso eine Geschichte des Sozialen und der Ökonomie sind. Es scheint ein wenig als jammerte die Kultur zu allen Zeiten über die immer schrecklicheren Zustände der Ökonomie.

Es gibt diese Kultur und ihre Geschichten auch in Asien, etwa in China, wo es kurze Zeit nach Einführung des  Papiergeldes zu einer damals noch ungeahnten Inflation kam, die riesige Werte zerstörte. Jedesmal traf es die Kultur besonders hart, die als erstes eingespart wurde und in diesem Ringen um ihr Überleben, wie sie meinte, schuf sie die größten Werke ihrer Epoche.

Die Krise und die ökonomischen Zwänge bedrohen die Kultur und lassen sie leben, zwingen sie auf höchste Höhen. Es könnte nun lange darüber gestritten werden, ob es sich dabei um eine Form der notwendigen Dialektik handelt, erst der Untergang wahre Größe offenbart, oder eine zufällige Koinzidenz vorliegt. 

Eine sicher spannende Frage, die noch an anderer Stelle zu erläutern sein wird, hier aber ein wenig vom Thema wegführt, der Frage nämlich, was aus der bürgerlichen Kultur wird, wenn deutsche Schutzgebiete gestürmt werden, wie die Buchpreisbindung oder andere Formen der staatlichen Kulturförderung im Bereich der schreibenden Kunst. Sicher wird sich auch diese Frage wieder der obigen Dialektik nähern, wenn es existentiell wird eben und was die Folgen sind. Doch tut sie dies zuerst aus Sicht der Produzenten und Händler, weniger mit Blick auf die Kunst und ist damit näher beim Bürger, der die Kunst lieber nur beobachtet oder konsumiert, als Teil von ihr zu sein.

Welche Zukunft steht einer bürgerlichen Kultur bevor, die ihren Bildungskonsens wie ihr nur noch anekdotisch geachtetes Wissen aus E-Books bezieht, künftig riesige  Bibliotheken digital für nicht zählbare Gramm mehr mit sich herumschleppt?

Sie wird mobiler sein, ihre geistigen Schätze leicht mit sich tragen und also freier sein. Noch hängt sie dafür ab und an an Steckdosen, doch können wir diese längst leicht mechanisch oder durch Sonne ersetzen.

Verlieren wir nun unsere Kultur, wenn wir die schweren Bibliotheken in die Tasche stecken können?

Es scheint, als könnte die Kultur einfach mobiler werden, auch wenn es den klassischen Buchladen oder viele herkömmliche Verlage ihre Existenz kosten wird, denn für einen Download wird keiner in einen Laden gehen, sich vielleicht lieber online die passende Beratung durchlesen, um zu finden, was gefällt.

Bücher werden nie verschwinden, sie werden nur vermutlich eine andere Position einnehmen, werden zu Luxusgütern von hoher haptischer Qualität, statt zur Massenware in der sich jeder mal versucht, von der bei Schwankungen der Mode wenig mehr noch bleibt als Altpapier.

Droht uns nun der Untergang des Abendlandes, wenn große Mengen gebildeter und belesener Buchhändlerinnen auf der Straße sitzen?

Vielleicht geht ein ganzer Berufsstand verloren oder es bleiben nur die, die sich schnell genug im Luxussegment spezialisieren. Oder es wird ein Teil der Verkäuferinnen ihren Platz im Vertrieb der Online-Ware finden, keine schöne Vorstellung, doch die Sparte Antiquariat wird wie der Handel mit Luxusbüchern seine Lücke am Markt finden.

Noch sind wir nicht so weit, es wird noch in Massen gedruckt, weit mehr als nötig und vieles, was zur Wahrung der Kultur besser nie gedruckt worden wäre. Aber ist es ein Gewinn diesen Markt der Massen mit einer Bindung der Preise noch zu schützen?

Wir schützen die Kleinen wertvollen indem wir die Masse dem gleichen Diktat unterwerfen und lassen lieber weiter massenhaft Papier gefordert bedrucken, statt uns auf die Kultur und ihre Werte zu konzentrieren, wertvolles fördern, billiges seinen Markt suchen lassen.
Die Kultur der Sprache ist wichtig, sie zu fördern und zu erhalten, ist sicher eine staatliche Pflicht. Aber ist es darum sinnvoll einen ganzen Markt streng zu reglementieren?

Die bürgerliche Kultur ist auch eine der Befreiung. Sie war der Bruch mit dem Monopol der Kirchen in der Bildung und sie hat Emanzipation durch Freiheit in der Bildung erreicht. Der Begriff der Freiheit spielt also eine große und vielleicht entscheidende Rolle für die Entwicklung der bürgerlichen Kultur.

Ist diese Kultur nun mehr durch eine Veränderung eines geregeltem Marktes bedroht oder werden Bücher erst wieder einen Wert bekommen, wenn sie sich zum Luxusgut zurück entwickeln und die Masse elektronisch liest?

Momentan scheint die relative Auflösung des Begriffs der Freiheit im Schatten der vorgetäuschten Gefahr  zugunsten der angeblichen Sicherheit für unsere Kultur die größere Gefahr.

Die Liebe zu Büchern wird denen die sie lieben immer bleiben. Verleger werden weiter gebraucht, nicht weniger als jetzt. Drucker werden es schwerer haben und Buchhandlungen, die nicht eine Lücke finden, doch das Abendland wird wohl sowenig untergehen wenn der Markt sich wandelt, wie das  Morgenland oder der ferne Osten - vielleicht stünde es besser um unsere immer gefährdete Kultur wenn sie dadurch in eine neue Situation käme, statt sich auf einem satten Markt, um die Verwaltung der Monopole zu kümmern.

Damit wären wir wieder bei der anfänglichen Dialektik und nur die Sorge darum, dass hohe Kultur immer ein wenig auch am auch leiden muss, lässt nun nicht allzusehr frohlocken, aber vielleicht sollten wir weniger jammern, als gestalten, um die Zukunft mit zu formen.
jt 29.7.13

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