Donnerstag, 4. September 2014

Schuldfrage

Wer ist schuld am Krieg und gibt es da einen oder viele, fragt sich wer auf die leichtsinnige Entwicklung im Osten wie um die Levante herum schaut, von Afrika gar nicht zu sprechen und ob sich etwas änderte, wenn wir es wüssten.

Ganz klar Putin oder die Terroristen der ISIS wissen die Sympathisanten der USA und der westlichen Strategie, ohne dafür weitere Beweise als aktuelle Taten zu haben, die aus ihrem Kontext gelöst werden und deren Beweiskraft zumindest fragwürdig ist. Ganz klar die USA und ihre Banken, meinen die anderen, die nur auf die Ursache im Sinne von Kausalität schauen und beide könnten Recht haben.

Wer nach Schuldigen sucht, versucht meist sein unrechtes Handeln zu legitimieren, um so lauter andere angeklagt werden und verteufelt, um so genauer sollten die Taten der Kläger betrachtet werden.

Es ist die Frage, wer schuld am Ausbruch der Krise ist, wer also ursächlich handelte in dem Sinne, dass, was dieser tat, nicht hinweggedacht werden kann, ohne dass es zu der Krise kam - nur hat die bloße Kausalität noch nichts mit der Schuld zu tun, denn ob einem vorgeworfen werden kann, was aus einer Sicht an Unrecht geschieht, hängt zum einen davon ab, wie einsichtsfähig diejenigen sind, die handeln und ob ihnen ihr Handeln vorgeworfen werden kann, strafrechtlich betrachtet.

Anders ist es schon in der Ethik, im Zivilrecht, in der Psychologie oder gar der Religion und ob es einen eigenen politischen Schuldbegriff gibt oder geben sollte, der dann ethische mit juristischen Maßstäben mischte, ist auch noch ungeklärt, dabei würde es die Beurteilung der Rücktrittsrelevanz eines Verhaltens viel leichter machen. Diskussionen wie um Wulff, Haderthauer oder Wowereit, wären entbehrlich. Es ginge ja nicht mehr um politische Tricks zur Ausgrenzung des Gegners sondern um die Anwendung einer präzisen Norm - wenn es eine solche denn geben könnte, denn auch die summarische Festlegung taugt nicht zur Vermeidung politischer Konflikte und so bleibt wohl manche Schuld einfach stittig.

Was nun auch seltsam anmutet, denn wer etwas tut, sollte doch dafür verantwortlich sein und also schuldig, es sei denn er ist verrückt oder wusste gar nichts von dem Verbot, was einem aber auch bei uns nur hilft, wenn der Verbotsirrtum unvermeidbar war.

Als ich mein Auto erlaubt parkte, als ich noch überflüssig Auto mitten in Berlin fuhr, dieser Parkplatz sich aber im laufe einer Woche zu einem Halteverbot wandelte und ich, als ich Wochen später das nächste mal fahren wollte, feststellen musste, der Wagen war abgeschleppt worden, war die Empörung bei mir groß, was sollte das, ich hatte nichts davon mitbekommen, hatte ordnungsgemäß geparkt und warum sollte ich mich um mein Auto kümmern, wenn ich es nicht brauchte - nun, es war meine Sorgfaltspflicht als Halter, ich war ohne je etwas Verbotenes getan zu haben, durch bloßes nichts tun, zum Täter geworden und haftete dafür - genauso erging es mir an einer anderen Stelle, wo ein Laster das Verbotsschild verdeckt hatte und ich keine Möglichkeit hatte, zu erkennen, zumindest beim einparken und aussteigen, dass ich falsch parkte. Hätte noch um den Laster herumlaufen müssen, ein durch Äste verdecktes Halteverbotsschild freilegen sollen, um festzustellen, klar, hier war verboten zu halten - absurd? Ja, aber wer so ein gefährliches Ding wie einen PKW bewegt, trägt scheinbar eine Sorgfaltspflicht, die einem normal denkenden Menschen nicht einsichtig ist, es galt als meine Verantwortung und ich war nicht gewillt dafür noch den teuren Weg durch die Instanzen zu beschreiten, zahlte, weil schuldig falsch geparkt oder nicht doch unschuldig?

Juristisch ist die Sache relativ klar, es ist nicht unbedingt logisch im Sinne einer naturwissenschaftlichen Kausalität aber, da es politisch gewollt ist, die Autofahrer zur Verantwortung zu ziehen und das Parken in den Städten teuer und unbequem zu machen, um die Städte vor dem totalen Verkehrsinfarkt zu bewahren, kann die Logik hier dahinstehen, geht es darum einen Schuldigen zu finden, der eben die Kosten trägt, was also eine Frage der finanziellen Schuld ist, worum es im ganzen am Ende mehr geht, als viele noch gerne zugeben, wozu ich aber in Ruhe kommen werde bei der Betrachtung und ethischen Bewertung der Schuld.

Schuld hat verschiedene Betrachtungsweisen und wir benutzen es auf ganz unterschiedliche Art und Weise - unstrittig ist höchstens, wer einen Anspruch hat, ist der Gläubiger, wer dafür etwas zu leisten hat, der Schuldner. Alles dazwischen von Gründen bis Wegen ist mehr als umstritten und unterliegt vielfach einer ethischen Wertung, die nur bedingt einer logischen Erklärung zugänglich ist.

Schuldner und Gläubiger klingt sehr juristisch und nur nach einem Verhältnis zwischen Leuten, die einen Vertrag haben oder sich eben eine Leistung oder Sache schulden, von der Miete bis zum Vollzug der Ehe, wenn auch letztere nicht mehr vollstreckbar ist, einklagbar war sie lange genug und es fragt sich, was das bedeutet für das Verständnis von Schuld. Kurz ergänzt, den Vollzug der Ehe nennen Juristen den ehelichen Beischlaf, zu deutsch gesagt Sex mit oder ohne Fortpflanzungsziel, er gehörte lange zu den Rechten und Pflichten der Ehegatten, ein Mangel daran war früher ein Scheidungsgrund, als es noch Gründe brauchte, um eine Ehe scheiden zu lassen, was ja heute entbehrlich ist. Der Sex ist also im deutschen Rechtsverständnis und in anderen Ländern verhält sich das nicht anders, eine Schuld, ein einklagbares Recht - hier könnten sich Juristen nun sicher trefflich darüber streiten ob der eheliche Sex eine Hol- oder Bringschuld ist und haben dies auch Jahrzehntelang getan, es ist an dieser Stelle egal, an der es weniger um eine Bewertung der absurden Jurispudenz geht als ein Verständnis dessen, was wir als Schuld sehen und wie wir dazu kommen, den einen für schuldig zu halten, beschimpfen zu dürfen, als gäbe es noch einen Pranger, den anderen aber als unschuldiges Opfer.

Es besteht dabei die wohl natürliche Neigung, sich lieber als Opfer, denn als Schuldiger zu sehen und hier mischen sich ganz schnell die Begriffe der Psychologie mit denen der Jurispudenz, was beiden nicht gut tut. Gefährlich wird es dann, wenn noch Politik und Medizin auf der einen Seite und Philosophie auf der anderen Seite am gleichen Wort ziehen und versuchen auf der einen Seite, wie etwa Merkel im Fall Putin, diesen als nur begrenzt zurechnungsfähig darzustellen und auf der anderen Seite, ihm die ganze Schuld in einer Angelegenheit zu geben, unter völliger Ignoranz der tatsächlichen Kausalität der Ereignisse.

Die Russen solidarisieren sich mit ihrem Staatschef Putin, den sie zu Unrecht angeklagt sehen, übersehen dabei gerne auch seine Verantwortung und Unmenschlichkeit, die Deutschen mit Merkel, die ja schließlich ihr Land repräsentiert, auch wenn sie dummes Zeug erzählt, logisch betrachtet und manche verstehen sogar das Staatsoberhaupt, das seine Kompetenz völlig überschreitet, da es ja der Sache diene, er eigentlich Recht habe, warum es nicht seine Schuld sei, wenn Putin ihn dazu zwinge, die Pflichten seines Amtseides verbal zu verletzen und die Amerikaner machen es mit ihrem Präsidenten ähnlich, der eigentlich, streng kausal betrachtet, ursächlich verantwortlich für all diese Krisen ist als Amtsträger, aber wer will sich schon schuldig fühlen, darum wird der jeweils andere als Faschist apostrophiert, was wieder ein Modewort zu sein scheint.

Die Russen schimpfen teilweise zurecht über die Faschisten in der ukrainischen Regierung, die Ukraine über die faschistischen Methoden Putins, was die Krim angeht auch nicht ganz zu Unrecht, abewr die Relativität des Begriffes Faschismus zeigt, westliche Politiker scheuen den Hitlervergleich nicht mehr, um ihrer Empörung Ausdruck zu verleihen, was zur Besetzung der Krim zwar auch keinem historischen Vergleich stanhält aber die verbalen Entgleisungen expontierte. Es ist der Versuch einen Politiker, dem kausal wenig vorzuwerfen ist, als Schuldigen und damit Bösewicht zu inszenieren, die gerade im Westen bis zur Perfektion inszeniert wird und immer mehr laufen auf diesem Pfad mit und empören sich, längst nach Luft schnappend in einer Weise, die jeder Vernunft widerspricht.

Ginge es um eine finanzielle Schuld, wäre Russland unser Schuldner oder Gläubiger, wie im Fall der Ukraine, wäre das große Gefühl und die Angst ja vielleicht noch verständlich, aber so?

Absurdes Theater im inszenierten Krieg den keiner wollte und an dem alle mit schlafwandlerischer Sicherheit mitwirkten als gäbe es ein Ziel. Auf russischer Seite ist das Ziel klar erkennbar, scheint es, der Schutz der russischen Bevölkerung vor den Ausschreitungen der ukrainischen Nationalisten im Osten der Ukraine oder ist dies auch nur vorgeschoben zur Wahrhnehmung der eigenen geopolitischen Interessen, folgt Putin einer Strategie, die ihn, wenn auch wohl kausal unschuldig, so doch logisch in den Krieg führt, den er angeblich genauso wenig will wie der der Westen, der sich gerade täglich darin übt, den Kremlherren ein Stück weiter zu provozieren.

Beginnend mit Merkels Zweifeln an seiner Zurechnungsfähigkeit, er sei nicht von dieser Welt, wie sie sagte, womit ihn die Pfarrerstochter jedoch weder zum Gott erheben noch zum Alian machen wollte, sondern einfach seine geistige Gesundheit infrage stellte, um damit seine Befähigung zum Amt zu bezweifeln, ihn bloß zu stellen und lächerlich zu machen - auf politische Art zu sagen, der Typ ist nicht ganz bei Trost. Ging es weiter mit der militärischen Unterstützung und Befeuerung des Umsturzes in der Ukraine, bei der ganz klar Partei ergriffen wurde und der Teilnahme der NATO an einem Bürgerkrieg, dessen Ursachen zumindest umstritten sind, als jedenfalls drohende Partei.

Nach unbestrittenen Angaben amerikanischer Think Tanks sind wir nicht nur nicht unschuldig an der Situation in der Ukraine sondern direkt schuldig an der Eskalation, also kausal verantwortlich und schuldig im Sinne des Rechts. Dem weichen wir durch den Trick aus, dass wir als Täter die Opfer, die manchmal auch Täter waren, laut anklagen, um unsere Schuld zu verwischen und es funktioniert erstaunlich gut. Immer mehr Menschen in den Ländern des Westens sind der festen Überzeugung der Bösewicht sei Putin, auch wenn er nichts tat, als im nachhinein zu tun, was CIA und andere Dienste von Beginn an in dieser Krise taten, er nur reagierte, um die Situation und sein Gesicht zu retten.

Warum sollte Russland etwas gegen die Aufnahme der Ukraine in die NATO und die EU haben, warum dem Aufstieg seines Schuldners sich entgegen stellen, der zumindest die Hoffnung gibt, dieser könnte irgendwann seine Rechnungen bezahlen, warum die Ukraine klein und am Gängelband halten, das keine Perspektive verspricht als dauernde Abhängigkeit?

Dies täte nur, wer aus der Abhängigkeit einen Gewinn zieht. Ein solcher ist für Russland nicht ersichtlich, das in der gleichen Situation wie die Ukraine war, zur selben Zeit von der Planwirtschaft zur Marktwirtschaft wechselte und eine Gruppe von Oligarchen hatte, die sich an der Privatisierung der Staatswirtschaft bereicherte. Diese neuen Reichen gibt es in Russland und sie gibt es in der Ukraine. Auch sonst sind sich die beiden Nachbarn relativ ähnlich. Mit dem einen entscheidenden Unterschied - Russland wirtschaftete gut unter Putin, der Staat wurde wieder reich, der Staatschef selbst lebt ein relativ asketisches Leben, während die Ukraine von Oligarchen regiert wurde, die mal näher an Russland und dann näher an Europa orientiert waren, die ihren Staat ausbeuteten und ihren persönlichen Reichtum mehrten. Die Ukraine ist pleite, kann ihre Rechnungen bei Russland nicht bezahlen, verkauft dafür nun ihr Land an Monsanto und ähnliche maföse Kartelle der globalen Wirtschaft und Russland ist nahezu schuldenfrei, hat große Sicherheiten in Form von Bodenschätzen, wirtschaftet sauber, auch wenn es gerade bezüglich der Enteignung eines Oligarchen verurteil wurde, der noch dazu Jahre im Straflager zubrachte.

Die Frage von Schuld und Sühne habe ich noch völlig außen vor gelassen, da  ich mir ja nocht nicht einmal klar war, was die Schuld selbst ausmacht, ob es eine gibt und wer wenn der Schuldige ist, den es anzuklagen gilt. In der Krise, die längst ein Krieg war in der Ukraine, ist es relativ unklar zu sagen, wer der Schuldige ist, wer die Verantwortung trägt, wer Täter und wer Opfer ist.

Es gibt wie bei allen kriegerischen Auseinandersetzungen verbrecherische Elemente auf beiden Seiten. Sie in die Waagschale zu werfen, um jeden nach seiner Schuld zu be- und verurteilen, bräuchte es ein neutrales Gericht in dieser Angelegenheit. Diesem Gericht dürften keine Mitglieder aus Russland, der Ukraine, der NATO Mitglieder, der USA und anderer irgendwie direkt beteiligter angehören. Sehr fraglich wäre, ob sich einer der Beteiligten einem solchen Gericht und solch einer Aufarbeitung aussetzen würde.

Vielleicht sollten wir darum die steten Klagen lieber einstellen, die vermutlich zum größten Teil auf die lautesten Kläger im Moment zurückfielen und wenn wir gerade dabei sind, Russland die Destabilisierung der Ukraine vorzuwerfen, stellt sich die Frage, wie wir die Situation in Syrien und im Irak bewerten, wen wir dafür beschuldigen wollen und inwieweit wir uns dem Urteil eines neutralen Gerichtes auch stellen würden, sofern sich die Situation plötzlich wandelte und wir vom Ankläger zum Angeklagten würden und wir können gewiss sein, dass die Situation nicht so klar ist, wie die eine oder andere Seite behauptet, sondern vielfach verworren und uneindeutig bleibt, wer letztlich schuldig ist, denn ein solches politisches Gericht müsste dann wohl auch jeden Einspruch berücksichtigen den Kläger oder Angeklagte aus historischer Sicht vorbrächten - eine vielleicht sumarische Aufrechnung der Vergewaltigungen des 2. Weltkrieges gegen das Giftgas des 1. - wir werden kaum ein Ende finden.

Schuld haben in einem Konflikt sicher alle auf sich geladen, einen neutralen Richter zur Verurteilung der Beteiligten gibt es noch nicht. Es ist seltsam, dass sich die Europäer als Retter der Demokratie aufspielen und dabei inkauf nehmen, eine Oligarchenrepublik zu stabilisieren, während Russland tut, als wäre es völlig unbeteiligt, schickte seine Soldaten und Panzer nur im Urlaub gen Westen gegen eine NATO Übung, die in der momentanen Situation als Spiel der Kräfte verstanden werden muss, von der Rolle der USA in diesem Konflikt ganz zu schweigen, die alles tun, den Konflikt am brennen zu halten und behaupten ihre Politik der Abbschreckung und Isolation diene der internationalen Sicherheit.

Schuld wird gern mit Reue verbunden getreu der christlichen Ideologie, die im 19./20. Jahrhundert, als die Kirche langsam ihre letzte Glaubwürdigkeit und Macht ohnehin verloren hatte, durch die Psychologie ersetzt wurde, die mit schematischen Antworten die Seele durch das Unterbewusstsein ersetzte und versuchte die Menschen damit wieder in die Form zu bringen, die der Staat zum regieren braucht. Das Maß der Normalität, das sich vom Wahnsinn abgrenzt und über die Fähigkeit zur Schuld heute entscheidet. Die Grenzen verfließen nach Sitte und Gewohnheit und dienen doch immer dazu, den herrschenden Level der Normalität ungestört zu erhalten.

Das Strafrecht und viele prozessuale Fragen im Familienrecht werden von Psychologen darum heute entscheidender bestimmt als von Juristen und die Gültigkeit des reinen Rechts als solchem ist sehr relativiert worden. Wer aus psychischen Gründen zur Tat gezwungen war und keine Chance hatte dieser Situation zu entkommen, kann dafür nicht belangt werden und was scheinbar logisch klingt, fast schon menschlich, weil ja auch auf den einzelnen und seine Möglichkeiten abgestellt wird, macht das Recht erst unmenschlich, da es die ihm Unterworfenen in Klassen einteilt, die nicht mit dem Begriff der Würde vereinbar sind.

Ob jemand eine Tat bereut und Besserung gelobt, mag in das Strafmaß einfließen, wie es heute üblich ist, an der Tat ändert es so wenig wie die Frage der Schuldfähigkeit. Es offenbart nur die Untauglichkeit eines Systems, das die persönliche Rache durch den staatlichen Strafanspruch ersetzt hat und doch weiß, dass damit die Probleme erst beginnen, wir ein kriminelles Milieu schaffen, das künftige Kriminalität noch befördert, den Betroffenen die Verantwortung für seine Tat abnimmt - er ist ja nun bestraft und damit ist es gut.

Rache zu sanktionieren, war sicher eine gute Idee, den Frieden zu fördern und die Gesellschaft friedlicher zu machen. Es hat lange gedauert bis sich diese Idee, die erstmals in der constitutio criminalis carolina von Karl V. 1532 eine Rechtsform fand, auch wenn bereits der Mainzer Landfrieden von 1235 versucht hatte ein Fehdeverbot durchzusetzen und die Kirche sich seit dem 10. Jahrhundert versuchte, die Fehde einzuschränken mit der Gottesfriedensbewegung, nach der jede Fehde von Donnerstag bis Sonntagabend Ruhe sollten. Die Erfolge dieser frühen Bewegungen waren bescheiden und lange galt die Blutrache, die auch als die kleine Reiterei bezeichnet wurde, im Gegensatz zur großen Reiterei, dem Krieg also, noch als normales Recht eines freien Herrn - stammte es doch schon aus germanischer Zeit, findet Erwähnung im Hildebrand- wie im Nibelungenlied.

Bis weit ins 19.oder sogar 20. Jahrhundert galten Duelle als Ehrensache für alle Menschen von Stand und der Streit wurde eben auf Leben und Tod nach bestimmten Regeln ausgefochten. Diese Geschichte fand gerade im 19. und frühen 20. Jahrhundert vielfachen Niederschlag in der Literatur und führte oft zu einem unerwartet tragischen Ende der Geschichte - denken wir etwa an Fontanes Effie Briest oder Manns Zauberberg, in dem der Humanist Settembrini dann doch das begonnene Duell mit dem Jesuiten Naphta verweigert und aller Ehre zum Trotz in die Luft schießt und der etwas fanatische Gläubige daraufhin die Waffe gegen sich richtete, da er seine Ehre verloren sah.

Die Schuldfrage lässt sich bei Duellen oft noch relativ leicht klären, allerdings passen ihre Gründe, ein verletztes Ehrgefühl und ein eher metaphysischer Begriff von Ehre, nicht in einen modernen Rechtsstaat, in dem es nur in Strafnormen gegen Beleidigung noch Eingang fand aber vom immer liberaleren Auslegungen eigentlich lächerlich gemacht wird und einer anderen Zeit anzugehören scheint. Manchmal noch prallen mittelalterliches Ehrdenken, wie es im Islam teilweise verankert ist, und moderner Rechtsstaat zusammen - etwa in den Ehrenmordfällen. Hier stellen wir die Schuldfrage möglichst wenig individuell sondern antworten pädagogisch streng, weil eine solche Praktik und ein solches Denken bei uns nicht toleriert werden kann. Doch wir diskutieren nur ein wenig am Rande wie der Rechtsstaat damit umgehen soll, dieser kann in seinem formellen Korsett nicht darauf reagieren, sondern vollzieht nur seinen Rahmen, stellt sich keine Schuldfrage, täte er es, wäre sehr fraglich inwieweit die von falschem Ehrgefühl getriebenen, was immer da richtig oder falsch sein soll, schuldbewusst sind und ob dieser Mangel nicht relevant sein müsste, was er nicht sein darf, da wir uns aus pädagogischen Gründen davon abgrenzen wollen, um das Entstehen einer Parallelgesellschaft mit eigenem Recht zu verhindern.

Dabei wäre es in Anbetracht der Schuld, die unsere Staaten gerade östlich mit dem Versuch der Abschreckung auf sich laden könnten so wichtig, sich über Recht und Schuld mehr Gedanken zu machen - wir türmen Schuldenberge auf oder bauen sie mühsam auf, verkalkulieren uns im Namen des Volkes, vor allem mit seinem Geld um Milliarden aber das ist weniger eine Frage der Schuld als der Möglichkeiten - die im berechenbaren Rahmen, den Banken stecken nur alternativlos verhaltenden sind für ihr Handeln als Amtsträger im seltensten Fall noch persönlich verantwortlich und müssen noch viel seltener überhaupt dafür büßen, es sei denn, es liegt ein offensichtlicher Fall von Rechtsbruch vor, der ein Wegsehen untragbar macht.

Recht ist der Rahmen von Schuld im Strafrecht, in der Ethik geht der Begriff weiter und ist nicht an so strenge Formalien gebunden, da es darum geht die offenen Begriffe des Rechtes - wie das Gerechtigkeitsempfinden aller billig und gerecht denkenden mit Inhalten zu füllen, die jenseits des normativen liegen. Diese unbestimmten Begriffe sind der Rahmen, der das Miteinander erst menschlich macht, uns wohl fühlen lassen. Schuldig ist, wer gegen diesen Rahmen verstößt und damit die Interessen anderer verletzt. Schuldner ist wer anderen etwas schuldet. Der Schuldner hat einen Gläubiger, bei dem kann er seine Schuld begleichen, dann ist alles in Ordnung und er seine Schuld los. Der Schuldige muss sich verantworten. Vor wem ist die Frage des Rahmens, in dem er lebt.

Recht sanktioniert und nach seinem Rahmen wird entschieden, ob sich jemand schuldig gemacht und damit seine Unschuld verloren hat. Viele Schuldner büßten früher wie Schuldige im Schuldturm ihre Strafe ab, ohne das sich damit etwas änderte an ihrer Schuld, sie saßen nur eben ein, auch heute noch droht dem säumigen Schuldner ein Strafbefehl, insbesondere, wenn er sich dem Staat gegenüber als säumiger Steuerzahler schuldig gemacht hat, was viele noch, die selbst diesen Obulus, sei er nun gerecht oder nicht, klaglos entrichten, als gerecht empfinden, auch wenn es eigentlich nichts als Ausdruck von erpresserischem Absolutismus ist, der nur unter dem Diktat der Gleichheit plötzlich gerecht sein soll und die Menschen plärren es nach, als sei es in sich logisch.

Recht ist nicht gerecht sondern eine Setzung, die dem formalen Verfahren einer Norm genügt. Wir haben es eingeführt, damit wir einfacher miteinander umgehen können und in jedem Fall wissen können, was gilt und was nicht, die Gesellschaft einen Rahmen hat und wer ihn sprengt, sich eben schuldig macht. Es ist der Vertrag aller mit allen, der den Rahmen bildet in dem wir unsere kleinen Verträge abchließen. Das ist nicht sittlich, muss es auch nicht sein, es ist nur formal. Dennoch sprechen wir einen, der gegen das Recht verstoßen hat schuldig, ist einer ein Schuldner und ein anderer der Gläubiger gegenüber dem, was wir für Gerechtigkeit halten.

Die Schuldfrage stellt und behauptet der Staat. Wir sind die Schuldigen vor dem Staat und der Allgemeinheit, die er zu repräsentieren, für sich in Anspruch nimmt, sofern wir uns nicht an seine Regeln halten und dabei noch schuldfähig sind. Wir sollen im besten Falle reuige Sünder sein, im Strafvollzug Buße tun, um danach ein ordentliches Leben zu führen, wie es dem Staat und seiner Ordnung entspricht, uns jedenfalls nichts mehr zuschulden kommen lassen, ob wir danach Schulden haben oder nicht und wie wir aus der Falle der Schulden je herauskommen, ist dabei keine relevante Frage, es geht ja nur um die Ordnung, als sei der Rahmen des Zusammenlebens schon der Zweck an sich.

So scheint es in der Gesellschaft oft, als wäre es, anders als im Museum, wo wir die Bilder bestaunen und die Rahmen nur registrieren, es aber auf Inhalte und eben die Kunst des Bildes ankommt, entscheidend, was der Rahmen ist und am wichtigsten sind daher die, die über diesen entscheiden und um seine Gültigkeit streiten. Über die Schuldfrage ist das Gefühl für Inhalte verloren gegangen. Wir streiten auch zwischen den Staaten darum, wer schuldig ist und wie er gerecht zu bestrafen sei, auch wenn wir längst um unsere Mitschuld wissen, suggerieren wir dieses Spiel im Beispiel Putins und anderer weiter. Indem wir die Schuldfrage stellen aber nicht nach einer Antwort suchen, sondern verurteilen wollen, egal was die Fakten hergeben, weil wir uns im Recht wähnen, haben wir die Schuldfrage ad absurdum geführt.

Es geht nicht mehr um schuldig oder nicht, wie es das besser von außen nie ginge, weil Verantwortung nur der einzelne für sich übernehmen sollte, wenn es denn eine Verantwortung geben kann, es nicht nur um die Schattenspiele einer Scheinwirtschaft geht, in der wir einfach funktionieren sollen, damit alles seine Ordnung hat und die Geschäfte nicht gestört werden.

Vermutlich ist dem so und es kommt vor allem auf die soziale Funktionalität an, für die wir das Spiel mitspielen. Schuld wird nach Grundsätzen der Effektivität beurteilt und nicht nach einer höheren Gerechtigkeit, die es ohnehin nur in der Phantasie derer gibt, die an eine solche glauben, deren Existenz aber der Alltag oft genug Hohn spricht. Schuldig oder nicht kann von vielen Zufällen abhängen, die wenig mit dem Gewissen des einzelnen und seinem Gefühl für Verantwortung zu tun haben. Solange es aber nicht darum geht, ist jedes Recht nur eine formale und lästige Hülle, Funktionalität zu gewährleisten in einer Gesellschaft. Gerechtigkeit trägt das Recht in ihrer Mitte und viele denken, dies sei auch richtig so und lasse Schlüsse zu, die oft ins sittlich moralische gleitende Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts kündet gern von solchem Verständnis, was eigentlich dem Rechtsstaat als nur funktionaler Ordnung Hohn spricht.

Wir verurteilen Unschuldige im Sinne ihres Gewissens, weil die Ordnung es so will. Wir halten die Ordnung als Ding an sich hoch, statt uns um die Inhalte zu kümmern. Sollte ich noch wir sagen oder ist es die Gewohnheit, weil das Recht ja für alle gilt und wir Teil des Staates sind, den wir tragen oder sollte ich mich als einzelner schleunigst davon distanzieren, um nicht schuldig an einem System zu werden, das ich verurteile und falsch finde. Aber kann ich, wenn ich mich davon löse noch über das Ganze sprechen und wer soll darüber urteilen, wenn nicht die Betroffenen?

Der Rechtsstaat fordert, national wie international neutrale Richter und einen freien und unabhängigen Prozess, um zu dem zu kommen, was wir für ein gerechtes Urteil halten über die dann Schuldigen oder Unschuldigen. Aber ist noch wer unschuldig in einem Prozess um einen Krieg, in dem die eine Partei die andere anklagt und beide alle Mittel benutzen, die Schuld des anderen nachzuweisen?

Wer wäre der Richter, der in der Ukraine über schuldig und unschuldig entschiede - ein Gericht der UN, das in New York, also den USA ansässig sicher nicht in allem so frei wäre, wie ein neutraler Beobachter es sein sollte?

Wer wäre Kläger und wer Angeklagter?

Es geht um einen Konflikt zwischen Staaten an dem die Menschen vor Ort leiden, wer außer den Betroffenen sollte also klagen dürfen, um die Schuldigen zu verurteilen und nach welchem Recht, fragt sich, dem der Ukraine, in der die Kämpfe stattfinden oder dem der NATO Staaten und wenn ja welchem, dem der USA, die sich als gönnerhafte Kolonialmacht aufführen in der Welt und den alten Kolonialismus der Königreiche Europas nur durch den ihres Imperialismus in der Ökonomie ersetzten - Fragen über Fragen und auf keine gibt es eine Antwort von einer irgendwie tauglichen Verbindlichkeit.

Strittig ist zwischen den Staaten nicht nur die Frage der Schuld sondern vielmehr noch die des Maßstabes der Beurteilung dieser und schauen wir genau hin, stellen wir fest, es ist keineswegs klar, welcher anzulegen ist, aber das Ergebnis wird nach der je Sicht der Beteiligten ein völlig unterschiedliches sein und warum sich eine auf die Sicht der anderen einlassen sollte, ist nicht ersichtlich. Schuldig fühlt sich vermutlich keiner der Beteiligten aus der je Sicht und solange die Konfrontation eine neutrale Aufklärung verhindert, wie sie bisher leider nur Russland immer wieder forderte, aus welchem Interesse auch immer, wird es keine Lösung geben, die allen Beteiligten gerecht wird und damit außer mit den Mitteln der Unterdrückung tragbar wäre.

Einen neutralen Ausweg aus dieser Krise und den mit ihr einhergehenden Ungerechtigkeiten im Wege des Urteils böte nur ein neutrales Gericht, das keinem der Betroffenen verpflichtet oder verbunden ist, was es de facto nicht gibt und was bei zwei Supermächten in indirekter Konfrontation aber mit globalen Verbindungen schwer einzusetzen sein wird. Es gibt hier keine rechtliche Lösung und daher bedarf es einer politischen Lösung und dazu müssen die Beteiligten als gleichberechtigte Partner miteinander reden oder zumindest sich so behandeln, als wären sie es, wenn sie denn Frieden wollen.

Ein runder Tisch an dem alle Beteiligten sitzen und sich die Ukraine mit den Rebellen über eine künftige Regelung einigt wäre die beste Lösung, um dies zu erreichen sollten aber dringend die NATO Staaten ihre Provokationen gegenüber Russland unterlassen und diesen lieber als Partner wieder die Hand reichen, damit eine Einigung langfristig trägt und nicht in Europa neue Mauern gebaut werden müssen. Was spräche im Ergebnis dagegen die Ukraine mit Russland gemeinsam in die NATO zu integrieren als Partner für Verteidigung, statt sich täglich mehr unter hohen Kosten abzugrenzen?

Wer schuldig ist und wer nicht, wer das Flugzeug abgeschossen hat und warum, wird sich dann vielleicht unter international kontrollierten Umständen aufklären lassen. Es gibt derzeit in der Welt in der Konfrontation zwischen Süden und Norden, der islamischen Welt in sich und unserem Kulturkreis wichtigere Auseinandersetzungen als dieser lächerliche Poker um Macht und Vorherrschaft, bei dem Putins Russland dem Westen eine Grenze gezogen hat, die dieser sich nicht bieten lassen will, denn um mehr geht es letztlich nicht. Es gibt für beide Seiten verständliche Argumente, aber es gibt keinen, der sie neutral prüft oder vorträgt. Die Annektion der Krim war völkrerrechtlich wohl problematisch, an ihr wird sich nie etwas ändern, solange die Russen dort die Mehrheit bilden und Russland seinen einzigen eisfreien Hafen sichern will gegen eine NATO deren Gegner sie ist. Der Punkt ist geostrategisch zu wichtig, als das mit einer Änderung zu rechnen ist. Aber, Russland weiß, dass sein Handeln dort mindestens grenzwertig war und im Falle einer fortgesetzten Partnerschaft, könnten sicher die notwendigen Gegenleistungen ausgehandelt werden. Das reicht von einem Schuldenerlass gegenüber der Ukraine, der dem armen Land zumindest irgendeine Perspektive böte, bis zu einer NATO Partnerschaft in diesen Häfen. Es gibt viele Wege und wir sollten sie dringend nutzen, bevor es nur noch die Einbahnstraße Krieg gibt, die selten so überflüssig war wie hier.

Vergessen wir also die Schuldfrage, es ist, wie bei einer Scheidung oder einer sonstigen Trennung, völlig egal, wer Schuld hat. Entscheidend ist nur, wie wir aus dieser Affäre nahe dem Abgrund mit einer guten Lösung wieder heraus kommen. Obama muss sich den von seinem Vorgänger Bush jr geschaffenen Problemen im Irak und Syrien stellen. Soll das Kalifat der ISIS nicht noch mächtiger werden und ein Terrornetzwerk durch die ganze islamische Welt bilden, das nicht mehr zu befrieden wäre, müssen wir mit starken Partnern eine gemeinsame Lösung dort suchen. Der NATO Partner Türkei ist direkt bedroht, es gilt keine Zeit mehr zu verlieren und die Aufrüstung von Partnern, die einen Staat gründen möchten, den keiner der Nachbarn will, wird auch schwierige Folgen genug zeitigen - beenden wir dies lächerliche Schwänzemessen in der Ukraine, wenden wir uns ernsthafen Dingen zu, es ist keine Frage der Schuld sondern der Verantwortung für eine Welt, die momentan in einer sehr gefährdeten Ordnung lebt, nachdem die USA mit ihrem Krieg gegen Terror vieles durcheinanderbrachten. Gehen wir an die Lösung, hören wir auf über Schuld zu reden und werden wir Partner.
jt 4.9.14

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