Um den Block
Aus
dem Haus treten, sich nach links wenden und an dem Café Restaurant
Caterinas Liaison vorüber gehen, in dem Menschen ganz in Ruhe auf den
türkis farbenen Holzstühlen oder der weißen Bank sitzen, Kaffee oder Tee
trinken, manche auch schon einen Wein und mit dem dynamischen Chef des
Hauses plaudern, um daneben beim Kindergarten die Mutter zu beobachten,
die sich zu ihrem Kind ans Fenster beugt, ersten Kontakt aufnimmt, ganz
bei sich ist, während ihr Rock vom Fahrradfahren ein wenig
hochgeschoben, auch tiefere Einblicke gewährte, die der Flaneur den
Buchladen schon im Auge lieber übersieht, zeigt schon in zehn Schritten
viel von der hier Heimat in der großen Stadt.
Sich
am Buchladen, drei Hauseingänge der in milden Farben gestrichenen
Altbauten weiter, für einen Moment im Fenster versenken. Die schönen
Bände der Inselbibliothek, die dort gerade stehen lieber studieren als
die Thriller, die vorher dort standen, sich an dem Band der Eheleute
Reich-Ranicki besonders erfreuen und an seine Geschichten aus meinem
Berlin denken, als noch Gründgens am Theater am Gendarmenmarkt spielte.
So schon keine fünfzig Meter vom eigenen Haus entfernt, an der nächsten
Ecke eben die Zeit vergessen, ist typisch für einen verträumten Ort
jenseits der Zeit, an dem die letzten auch am Montag ihr Frühstück bis
17h bestellen.
Sich
nun mit dem Buchladen um die Ecke begeben, in die dort nach dem
Entdecker Trojas benannte Straße mit den teils genossenschaftlich sehr
intensiv bunt bemalten Häusern und den noch mehr Schaufenstern mit den
Kinderbüchern nur halb aufmerksam folgen. Einen Moment in das
Schaufenster des Secondhand Ladens voller sommerlich frischer Kleider
aus verschiedenen Zeiten schauen, sich an der liebevollen Dekoration im
Detail erfreuen und von den irgendwann wieder so gewandeten Damen am
Platz träumen im weiter gehen, denn was hat ein einzelner Herr, auch mit
Zigarette in der Hand zu lange vor einem Schaufenster mit Damenkleidern
zu suchen, würden sie sich vielleicht westlicher fragen, hier lächelt
mir die vermutlich sogar noch eingeborene Ladenbesitzerin freundlich zu,
weil ich ihres würdige.
Nun
geht es mit nur einem Hauseingang als Unterbrechung weiter am Film-Café
vorüber, meiner und meiner Tochter Fußballkneipe, mit dem kleinen Kino
im Keller und den Bänken vor der Tür, an Spieltagen oder zu Premieren
bis auf den Gehsteig überfüllt, nun eher beschaulich für sich, ein wenig
abseits des Platzes schon. Ähnlich spärlich um diese Zeit, wenn am
Platz noch die Sonne scheint oder doch zumindest teilweise die Hoffnung
auf sie, ist das Steakrestaurant daneben von dem ich bis dato wenig mehr
berichten kann, als dass es da ist.
Es
folgen noch verschieden bunte Hauseingänge der hier ehemals besetzten
nun ordentlich genossenschaftlichen oder milder gestrichen schlicht
vermarkteten Häuser.
Ein
Fotoladen voller animierter Brautbilder, der die vollständige digitale
Begleitung der geplanten Hochzeit anbietet wird von manchen eher schnell
übersehen, um sich nicht der eigenen Einsamkeit bewusst zu werden,
manchmal stehen auch Paare träumend davor und wer wollte ihnen schon die
Illusion rauben - manchmal verzögere ich dort den Schritt, ziehe noch
mal tief an meiner Zigarette und schaue mir, den Ball der einsamen
Herzen im Hinterkopf die bebilderte Glücksseligkeit an und manchmal
träume ich noch, wie es wäre, solches zu erleben, doch glücklicherweise
ernüchtert die Wirklichkeit aus fernen und nahen Fenstern oft schneller
als gedacht - die traute Zweisamkeit ist ein schöner Traum mit
vermutlich Anspruch auf Artenschutz heute.
Nebenan
ein nicht nur leicht alternativer Töpferladen, dessen Fenster schon
vermutlich sehr gesund gestrichen sind. Die schmalen Schaufenster
dekoriert mit Vasen, Bechern, Stövchen und irgendwie Platztellern
verlocken, wenn schon nicht zum Konsum so doch potentielle Käufer
glaubwürdig zum guten Gewissen.
Eher
attraktiv und voller auch für denkende Menschen reizvolle Plakate ist
die Videothek, die eigentlich nun vohl eine DVDthek wäre, spräche sich
dies nicht so schlecht - auch in ökologisch korrekt bemaltem rot die
hier Fenster, die mit Plakaten der schönen Klassiker des Films
geschmückt sind - was danach an Auswahl sichtbar ist, ist eine große
Auswahl der wertvollen Filmkultur, allerdings urteile ich bis dato nur
von außen, denn die bewegten Bilder sind dem Flaneur zumeist zu schnell,
doch das Publikum ist hiesig, eher akademisch gebildet oder zumindest
mit kulturellem Anspruch jenseits der genossenen oder gezwungenen
Bildung. Die sonst übliche Schmuddelecke mit Kinderverbot ist nicht
ersichtlich, die Paarung wird wohl noch miteinander vorgenommen und die
Ergebnisse sind allerorts zu hören und zu bestaunen.
Zwei
Hauseinfahrten weiter, sehr dunkel noch, die Raucherbar, in der eine
Bar, wenige Tische, dafür ein Billiardtisch und ein Kicker im
Hinterzimmer stehen. Ob es die Schwaden sind, die dort nicht sehen
lassen, die spärliche Beleuchtung oder die Ahnung des vielfältigen auch
alkoholischen Abgrundes in den sich der Besucher hier begibt. Wer hier
war, wird sich und alles was er trug gut waschen müssen, will er nicht
von allen als Besucher wiedererkannt werden, schreibt der Flaneur aus
Erfahrung, der manch tiefschürfendem Gespräch an der dortigen Bar
lauschte oder den dortigen, auch Damen, beim Spielen zusah. Eine
Spelunke würden manche sagen aber gerade die bieten ja manchmal die
tiefsten Einblicke in was wir Leben nennen. Hier erschöpft es sich zu
oft leider, wenn auch verständlich, im Klagen über Zustände, die auch
anders beklagt würden, weil es den Beteiligten allen längst an der
Motivation fehlt, etwas noch zu ändern.
Etwas
ändern dagegen wollten die Besetzer des Hauses 1989 in dem direkt
daneben nun die Robert Havemann Stiftung sitzt und in deren Archiven
sind die wichtigsten Zeitungen, Flugbläter und vieles mehr des wilden
Jahres, in dem noch von Gerechtigkeit und Demokratie geträumt wurde, bis
der Rechtsstaat kam, auf mittlerweile über 400 laufende Metert
angewachsen. Es sind Erinnerungen an eine Zeit in der viele noch vieles
füreinander und eine Idee riskierten, gerade in der hier sehr nahen
Gethsemanekirche war ein Zentrum des Widerstandes wie dieses nun wohl
sanierte und mild gestrichene Haus, fünfzig Meter um die Ecke von mir.
Selbige Kirche wäre zu erreichen, wenn an der nächsten Ecke nicht
planmäßig um den Block nach rechts sondern nach links, ohne nomen est
omen, abgebogen würde und der dortigen Stargarder Straße über rund
hundert Meter und drei Kreuzungen gefolgt würde.
Wir
aber wollen nach rechts, nur einmal eben um den Block - noch kurz an
einem ummauerten irgendwie Gartengrundstück vorbei, einer seltsamen
Lücke und dem Eckhaus mit unten Café im hier verbreiteten Stil zwischen
Sperrmüll und 70er Edel-Design, um diese Zeit der Teestunde noch eher
leer, wenn überhaupt geöffnet, ist es ein Ort der Nächte hier auch.
Da
es nun an Schönen vor und im Café Fräulein Dickes nur mit Namen
mangelt, es also auch wenig Gründe zur Verzögerung gibt, geht es nun
abgebogen nach rechts weiter an der nächsten Hauseinfahr vorbei, die mit
den hiesigen Singvögeln das sehr engagierte Kindermusikprogramm zweier
ansässiger Kirchenmusiker beherbergt. Ein Ort der Musikliebe mit
gelegentlichen Konzerten für Kenner, ein noch Geheimtipp, ist es wieder,
wie so oft hier im Kiez eben, man kennt sich aus der Schule, kennt die
Geschichten der anderen Kinder, lächelt sich an und denkt sich seinen
Teil, falls das Lächeln zu kurz oder zu intensiv war oder nicht innig
genug - sehr ernsthafte Menschen jedenfalls, die, was sie tun, mit Herz
tun, auch wenn sie die Kinder aus den Augen verloren, wie die Eltern
bald, wenn sie nicht übereinander stolpern gelegentlich, verlegen
lächelnd eben.
Neben
besagtem Hinterhof, der zurück in die ersten Schuljahre meiner Tochter
führte, taucht der Friseur Hairlich Natürlich auf über den es nicht mehr
zu berichten gibt bis dato als, dass zumindest zwei der dortigen Damen,
die nicht mehr Friseusen heißen, wie wir sicher alle wissen, rauchen
und dazu gelegentlich vor der Tür ihres herrlich natürlichen Salons
stehen.
An
diesen schließt sich ein kleiner Platz an - seit Kriegszeiten oder
länger womöglicvh, spätestens jedoch da, leer stehend und mit Bäumen
anstatt bewachsen, einigen Bänken, zwei Tischtennisplatten zur
Ertüchtigung der Jugend und einer Boule Bahn, dem gelassenen Sport der
südlichen Franzosen, der sich bei den Bewohner dieses Viertels immer
größerer Beliebtheit erfreut.
Den
Platz in der Diagonale querend nuin bereits über die Hälfte des Weges
zurückgelegt, kommen wir in die Dunkerstraße und wieder beginnt es, wie
an der vorvorigen Ecke mit einem Buchladen - diesmal für Kinder, mit
wunderbarem Fenster voller Träume und hier und da auch einem Buch für
Eltern, die nicht nur über ihr Elternsein lesen wollen.
Nun
geht es wieder Schlag auf Schlag auf Schlag und Laden an Laden, Café
neben Bar und Schnellimbiss, einige mit ihren Shishas werbend, andere
mit dem möglichen Alkohol oder Absinth, dazwischen das keusche Lila
Lämmchen in dem die gebildete Mutter guten Gewissens ihren Sprößling
einkleiden kann und so sie selbst nicht mehr weiter gehend sucht als in
diesem Milleu wird auch sie hier noch etwas bequemes und gesundes für
sich finden. An den Schnellimbiß asiatisch internationaler Provenienz
schließt sich noch eine Herrenboutique mit den etwas edleren Jeanswaren
an auf die noch eine Spur edler der Laden wieder an der Ecke folgt mit
dem royalen Namen Victoria & Albert, der Kleider im hiesigen Stil,
Lampenschirme, Geschirr und andere englische Dekorationswaren vertreibt
und dessen Fenstern wir wieder um die Ecke in die Lettestraße folgen,
bis quasi vor die eigene Tür.
Stilistisch
passend zu dem royalen Bekleidungs- und Dekorationsladen im
Landhausstil folgen noch Café und Bäckerei Malinkoff, die dreiviertel
des hier schon sehr breiten Gehwegs einnehmen, so dass nur sich
gelegentlich entgegenkommende Zwillingswagen vielleicht aufpassen
müssen, nicht zusammen zu stoßen.
Bevor
der Gang um den Block endet noch ein Friseur mit Tisch vor der Tür in
dezentem Braun gehalten und zahlreichen digitalen Bildschirmen in
mehreren Fenstern die uns Passanten Tag und Nacht die Anwendung von
Harkuren, Färbungen oder Pflegemitteln bilderreich erläutern,
dahingestellt, ob dafür noch Bedarf ist.
Auch einen Tisch hat inszwischen der Makler vor der Tür, in dezentem lindgrün und die üblichen Objekte dezent im Fenster hängen.
Und
das war es schon, einmal um den Pudding und wieder da, nichts passiert
aber viel erlebt und ein wenig durch die kleine Welt gewandert, die mich
umgibt, auch wenn von den Hinterhöfen noch keine Spur erwähnt wurde.
jt 14.05.13
Um den Pudding, Klasse!
AntwortenLöschenDanke, das freut mich, ein Versuch in verzögerter Prosa und eben nur einmal umme Ecke oder um den Pudding, wie wir Bremer so sagen ;)
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