Zur Theorie des Verhältnisses von
Natur und Kultur

Große Begriffe mit kleinen
Anforderungen auf ein menschliches Maß schrumpfen, macht mehr Freude, als sich
im überhöhten Ansatz unter relativierender Begrifflichkeit im Unfassbaren zu
verlieren. Sich Freude zu machen, entspricht einem Bedürfnis meiner Natur also
schrumpfen wir den Plan, über das Verhältnis von Natur und Kultur zu schreiben,
auf ein sehr menschliches Maß, meinen eben beschränkten Horizont und verlieren
uns nicht zu lange in dem, was andere meinten oder sahen, sondern konzentrieren
uns auf alles, was ich mich frage oder sehe, es wird also zwar theoretisch aber
nicht akademisch, es wird an jedem Beleg mangeln als dem des Gedächtnisses
eines relativ kulturkritischen Schwärmers und wem das zu wenig ist schon im
Ansatz, der möge sich die großen Abhandlungen zur Hand nehmen, die den
normierten Bedürfnissen besser genügen, dahingestellt, ob sie objektiver sind,
es eine objektive Theorie oder Sicht der Kultur überhaupt geben kann oder wir immer nur auf
unsere beschränkt subjektiven Mittel verwiesen sind bei der Sicht dessen, was
uns zu menschlichen also Kulturwesen macht.
Nun zu sagen, was hier alles
nicht erläutert und behandelt wird, könnte zwar befreiende Wirkung haben,
klänge aber überflüssig akademisch wie ein formales Dankwort an alle, die es
verdienen oder doch zumindest ein Amt innehaben, in dem sie genug verdienen, um
auch noch jedes Dankes gewürdigt zu werden. Überflüssiges ist hier auch entbehrlich
und also konzentriere ich mich an dieser Stelle auf Natur und Kultur jenseits
der strittigen –ismen und ihrer abweichenden Definition und wende mich abseits
aller Theorie der kreativen Schöpfung zu als ursprünglichem Kulturakt.
Wer etwas anfängt, sollte sich
wohl am besten vorab fragen womit und wie.
Was ist uns noch Kultur?
Kultur ist alles, was der Mensch
selbst gestaltend hervorbringt, im Unterschied zu der nicht von ihm
geschaffenen und nicht veränderten Natur, wo immer die noch sein soll und ob
sie durch bewundernde Wahrnehmung zur Kultur wird und am Ende Kulturerbe und
Naturerbe das Gleiche sind, wenn etwa ein Stück Naturerbe zugleich kultischer
also irgendwie kultureller Ort war. Aber, wir verwirren uns vor dem Blick
hinter die Kulissen, was wenig zielführend für einen tieferen Durchblick sein
wird.
Betrachten wir einfach möglichst
neutral, wem immer das natürlich sein mag, das Wort an sich. Etymologisch
entstammt das lateinische Wort colere der indogermanischen Wurzel kuel- für
[sich] drehen/ wenden, so dass die ursprüngliche Bedeutung wohl im Sinne von
„emsig beschäftigt sein“ zu suchen ist und so wäre Kultur ein Tun und also
Schöpfung als solche. Als Kulturleistungen gelten nun alle formenden
Umgestaltungen eines gegebenen Materials, wie in der Technik oder der Kunst,
aber auch geistige Gebilde wie etwa Recht, Moral, Religion, Wirtschaft und
Wissenschaft.
Wie ich es nun auch drehe und
wende, ob die Beschäftigung mit der Kultur als solcher sowie ihre Abgrenzung von
oder Vereinigung mit der Natur, schon eine kulturelle Leistung sind, könnte
Ergebnis wie Zweck dieser kleinen Sammlung von Gedanken vorausnehmen. Es wird
also jenseits der Selbstreflexion, die hier angekündigt wurde, keine Antwort
auf die Frage geben, ob dies schon Kultur ist, vielleicht ergibt es sich ja am
Ende, bis dahin müssen die Leser eben mit dieser nur eventuell kulturellen
Buchstabensammlung vorlieb nehmen oder etwas sinnvolles lesen.
Das Wort Kultur hat eine lange
Geschichte, die unser Denken darüber verständlicher machen kann. Bei den alten
Römern prägte Plinius der Ältere zwar noch nicht das Wort „Kultur“ als einen
Begriff, unterschied allerdings schon zwischen terrenus (zum Erdreich gehörend)
und facticius (künstlich Hergestelltes). Im lateinischen Raum wird der Begriff
cultura sowohl auf die persönliche Kultur von Individuen als auch auf die
Kultur bestimmter historischer Perioden angewendet. So charakterisiert noch
davor Cicero die Philosophie als cultura animi, das heißt als Pflege des
Geistes. Neben der Kultur als Sachkultur bei Plinius findet sich also auch
Kultur als Bearbeitung der eigenen Persönlichkeit.
Viel entscheidender aber hat
Lukrez mit seinem rationalen Denken und seiner Sicht auf den Menschen den Geist
des republikanischen Roms geprägt, er starb wenige Jahre nach Ciceros Geburt
und erlebte den Untergang der Republik im folgenden Kaiserreich nicht mehr. Er
hat den Geist seiner Zeit und damit eben die Kultur wiedergegeben und
mitgeformt, indem er den Menschen als Natur bezeichnete und sein Handeln und
Denken in einen natürlichen Kontext stellte.
Damit bricht erst das römische
Kaiserreich wieder, in dem die Götter mächtiger wurden, deren Existenz er
leugnete, und Menschen sich zu Göttern machte, wie wir es auch im später vom
Kaisertum aufgenommenen und angepassten Christentum sehen können, welches das
Heil außerhalb des Menschen und weit jenseits aller Vernunft sah.
Es sollte dann wiederum über
tausend Jahre dauern, bis in der Renaissance der alte Humanismus wiederentdeckt
wurde und für gut befunden wurde und viele mussten dennoch unter der Herrschaft
der Kirche noch die Suche nach Vernunft mit dem Leben bezahlen wie etwa
Giordano Bruno. Müssen es bis heute in religiös geprägten Regionen der Welt,
wobei nun eine Frage wäre, was davon Kultur und was natürlicher Machttrieb des
Menschen ist, ob die Religion und ihre Organisation eher eine bequeme Form der
Machtausübung ist oder die teils sehr komplizierten Antworten auf überflüssige
Fragen im metaphysischen Bereich und die dort erdachten Welten auch ein Teil
unserer Natur sind, es zum Trieb mancher Menschen gehört, irrationale Antworten
auf vernünftige oder überflüssige Fragen zu suchen.
Für meinen lieben Königsberger,
der uns mit seinem Imperativ die Freiheit schenkte, Imanuel Kant also, sind
Mensch und Kultur ein Endzweck der Natur. Dabei ist mit diesem Endzweck der
Natur gerade die moralische Fähigkeit des Menschen zu eben jenem größte
Freiheit begründenden kategorischen Imperativ verbunden: „Handle nur nach
derjenigen Maxime, durch die du zugleich wollen kannst, dass sie ein
allgemeines Gesetz werde.“ Ein solches allgemeines Gesetz anzuerkennen als
„Idee der Moralität gehört noch zur Kultur.“ Es ist dieser Leitsatz des
moralischen Handelns, der den Menschen einerseits von der Natur trennt,
andererseits steht er als Endziel der Natur in ihrem Dienst dieses Ziel zu
achten und zu verfolgen. Ohne diesen moralischen Leitsatz vermag der Mensch
sich bloß technologisch fortzuentwickeln, was zur Zivilisation führt. Natur
kann ihm aber beides sein, als Endziel wie als Ausgangspunkt, was uns wieder zu
Lukrez führt, den Kant nebenbei auch mehr als schätzte, was manches über die
Ernsthaftigkeit von Kants formell gegebenen Christentum aussagt.
Der Anthropologe Edward Tylor
bestimmt Kultur dann 1871
("Primitive Culture"), also wiederum gut 100 Jahre später, unter
Aufnahme der darwinschen Evolutionstheorie und gibt so eine erste an den
Erkenntnissen der Naturwissenschaft orientierte Definition: „Cultur oder
Civilisation im weitesten ethnographischen Sinn ist jener Inbegriff von Wissen,
Glauben, Kunst, Moral, Gesetz, Sitte und alle übrigen Fähigkeiten und
Gewohnheiten, welche der Mensch als Glied der Gesellschaft sich angeeignet
hat.“
Nach Albert Schweitzer erstrebt
die Kultur letztlich „die geistige und sittliche Vollendung des Einzelnen“.
Wobei sich die Frage stellt, was der Straßburger Pastor und spätere
afrikanische Arzt nun natürlich fand, inwieweit es ihm um die Natur des
Menschen ging oder doch eine weitere Betrachtung gemeint war, er transzendierte
und von einer nur geglaubten Vollendung ausging, denn fertig ist der Mensch
ansonsten mit dem Leben, wenn es endet, womit kulturelles Streben relativ
moribund wohl wäre, was der gute Mensch von Lambarene sicher nicht meinte, sein
persönlicher transzendenter Bezug scheint mir aber wiederum so irrelevant, dass
er bei einer zielführenden Betrachtung außen vorbleiben kann. Im Ergebnis nett
aber im Herangehen nicht ernst zu nehmen, was sicher wieder keiner lesen
möchte.
Einzig im deutschsprachigen Raum
hat sich im übrigen der Gegensatz „Kultur“ und „Zivilisation“ entwickelt, wie
ihn auch Kant schon nutzte, während beispielsweise im englischen Sprachraum
lange Zeit nur ein Wort für „Kultur“ (civilization) genutzt wurde. (Vgl. den
Titel von Samuel P. Huntington Clash of civilisations, im Deutschen Kampf der
Kulturen.) Erst seit einigen Jahrzehnten findet sich auch culture häufiger,
ohne dass hiermit jedoch auf einen Gegensatz zu civilization Bezug genommen
wurde.
Auch die Franzosen unterscheiden
hier, tun es aber in einem anderen Geist und mit einer anderen Tendenz, was nun
zu interessanten Gedanken zu einer europäischen Kultur gerade in Zeiten der
Krise führen und an dieser Stelle also abseitig verführen könnte, da wir aber
noch nicht am Ziel einer irgendwie Antwort auf die jeweilige Beteiligung
aneinander angelangt sind und also weiter suchen, wie kultiviert wir
natürlicherweise sind, soll an dieser Stelle dieser wunderbare Ast geistiger
Suche nicht weiter verfolgt, sondern sich konzentriert werden auf die
entscheidende Frage, wo ist der Gegensatz und was ist von wem im anderen.
Die früheste Formulierung dieses
Gegensatzes stammt von Immanuel Kant:
„Wir sind im hohen Grade durch Kunst und
Wissenschaft cultivirt. Wir sind civilisirt bis zum Überlästigen, zu allerlei
gesellschaftlicher Artigkeit und Anständigkeit. Aber uns für schon moralisirt
zu halten, daran fehlt noch sehr viel. Denn die Idee der Moralität gehört noch
zur Cultur; der Gebrauch dieser Idee aber, welcher nur auf das Sittenähnliche
in der Ehrliebe und der äußeren Anständigkeit hinausläuft, macht blos die
Civilisirung aus.“
Verlieren wir danach in der
Zivilisation unsere natürliche Kultur und werden uns entfremdet?
Was im deutschen Wesen hat diese
seltsame Dialektik aufkommen lassen, die weder ganz bei sich ist, noch die
Zivilisation würdigt, sie nur als kulturell notwendiges Übel wohl oder übel
duldet?
Wir wissen wenig über unsere
Vorfahren, viel beruht auf Mutmaßungen und lange galt uns der Tacitus mit
seiner fett-faule Römer aufrüttelnden Berichterstattung als authentischster
Reporter aus dem Reich unserer Vorfahren. Auch wenn dies mittlerweile als
Propagandalüge entlarvt wurde, bleibt die spannende Frage, wie viel Bericht
steckt unter der Absicht und inwieweit steckt in dieser bis heute teilweise
sprachlichen Unterscheidung noch eine zurück zur Natur-Bewegung der wieder
Möchtegern Germanen auf ihrem Weg zu sich?
Ist es eine Ode auf den deutschen
Wald, der einst religiös verehrt wurde, also Kulturgut war oder ist es die
gespaltene Natur von uns früheren Waldbewohnern zwischen Kulturgut natur und
nur mühsamer Integration in die wesensmäßig fremd gebliebene lateinische Kultur
– die Barbaren trinken Bier, die Zivilisation genießt Wein – aber das führte
nun zu weit vom Thema, auch wenn es der Natur recht nahe liegt.
Der Begriff wanderte weiter bis
über die Preisgabe jeder Zivilisation im Umgang mit Menschen in der Zeit des
Nationalsozialismus und dem, von diesen entscheidend verursachten, Weltkrieg.
Ein Bruch in der menschlichen Geschichte des Schreckens und der Grausamkeit,
der zu einer Versachlichung des Lebens, um der Zerstörung einer partiellen
Kultur wegen, führte. Die Versachlichung ist ein hier zweischneidiger Begriff,
der aber den Prozess treffend beschreibt, der bist heute fortdauert.
Menschen wurden zu Gegenständen
der Vernichtung, ihre Überbleibsel soweit möglich industriell genutzt, wenn sie
auf dem Weg zur Tötung nicht mehr anders im tödlichen System effektiv
eingesetzt werden konnten, der Rest wurde möglichst spurlos entsorgt, ging in
Rauch auf im Himmel über Auschwitz und anderen Orten der präzisen, wohl
geordneten, sauber organisierten und auf speziell deutsche Art sehr effektiven
Vernichtung einer Kultur, die unsere Zivilisation entscheidend mitprägte.
Manche stellten danach die Frage,
ob es nach dieser Pervertierung deutscher Sekundärtugenden noch unschuldige
deutsche Gedichte wieder geben kann, die Vernichtung der Kultur des Lebens
nicht der Sprache der Mörder jede Unschuld raubte. Sie konnten und könnten
nicht widerlegt werden, mit dieser Vermutung, denn die gleichen Buchstaben und
Worte selbiger Sprache, die hier nach dem Zusammenhang von Kultur und Natur
suchte, war auch die der vollkommenen Organisation ihrer Vernichtung. Es gab
also keine unschuldigen Worte mehr und es fragte sich, ob die Sprache und ihr
gesprochenes Echo diese Verantwortung ewig weiter trägt oder kommende
Generationen sich wieder in der Unschuld bewähren können und dies ohne die
Gnade der späten Geburt.
Es gab schon bald wieder deutsche
Literatur und Lyrik, es lebten und liebten hier weiter Menschen, und auch wenn
es erschreckenderweise immer mehr werden, die sich von Schuld und Verantwortung
persönlich rein waschen wollen, als könnte Geschichte anders je überwunden
werden, als durch Auseinandersetzung und Konfrontation mit ihr, zu viele sich
nicht mal mehr für ihre Wurzeln interessieren und lieber voller Freude, wenn
auch notwendig haltlos, durch die Spaßgesellschaft schweben, es lebt und liebt
sich noch in unserer Sprache und es wurde in ihr eine Demokratie und ein neues
Verständnis von Menschenrechten entwickelt. Hoffen wir, dass die Stimmen der
Aufmerksamen immer laut genug bleiben, die der teilnahmslosen Masse zu
übertönen, die sich nur nach Spaß und Unterhaltung sehnt, wie Pessimisten
behaupten würden oder positiver gedacht, die Vernunft noch genug natürlichen
Nährboden findet, dass diejenigen, die ausblenden wollen, lieber wegsehen,
immer eine Minderheit bleiben.
Interessanterweise stellte der
Staat, der sich nach demokratischen Maßstäben auf die Orgie der Vernichtung von
Kultur gründete, die frühere Bundesrepublik, den Begriff der Würde des
Menschen, aller Menschen, an die Spitze seiner Agenda, machte ihn zum Artikel 1
seines Grundgesetzes, der immer noch vorläufigen Verfassung der mittlerweile
postdemokratischen Berliner Republik. Ob dieses Bekenntnis zur Lehre aus der
Geschichte, die das Menschsein infrage stellte, auf nie dagewesene Weise
entmenschte und aus Rassenwahn vernichtete, genügte für eine friedlichere
Zukunft und die aktuellen Infragestellungen überlebt, wissen wir noch nicht. Ob
die Preisgabe des vollmundigen Artikels bereits bei der betroffen schauenden
Inkaufnahme von Kollateralschäden geschah, oder erst mit der teilweise
zeitgleichen Übereignung des Sozialstaats an die Banken als Gläubiger der
Gemeinschaft sich vollzog, am Ende erst wirklich gefährlich wurde für den
obersten Grundsatz als wir unsere Armee beauftragten, sich Waffen anonymer
Vernichtung mit Fernsteuerung in Drohnenform zu besorgen, sollte einer
streitbaren Demokratie noch manches Wort wert sein.
Dieser scheinbar abseitige
Einschub aktueller Politik und ihrer kritischen geistigen Fragen, der die
gezielte Vernichtung bestimmter unerwünschter Personengruppen zum Thema hat,
führt uns wieder auf die entscheidende Frage zurück, denn es gab nach der Shoa
nicht wenige Menschen, die sagten, am deutschen Wesen könnte die Welt nicht
genesen sondern nur weiter verwesen und einen beschränkten Ackerstaat auf dem
Land ehemals großer Denker lieber errichten wollten oder sich an den ehemals
zwei deutschen Staaten freuten, weil mehr davon, weniger vom Ganzen schien, da
sie eben fürchteten, es läge in der Natur unseres Volkes, immer wieder zur
Vernichtung anderer zu greifen, die grandiose Ethik eines Kant mit Füßen zu
treten.
Was wäre wohl in der verordnet
ungebildeten Ackerrepublik Deutschland aus der Sprachkultur geworden, ließ sich
eine solche einfach von oben beseitigen oder wäre der Mangel an Bildung ein
viel höheres Risiko für einen Rückfall in atavistische Muster gewesen?
Wir wissen es nicht, aber ob ein
solcher Versuch ohne erneute umfassende Bücherverbrennung von Erfolg gekrönt
gewesen wäre, scheint mehr als fragwürdig und zum Glück müssen wir uns nicht
mehr mit dieser Frage beschäftigen, es hat sich eine demokratische Kultur in
Verantwortung gebildet, die zwar wieder gefährlich an ihre Grenzen stößt aber
zumindest eine Lehre aus der Geschichte in Verantwortung gezogen hat – wie weit
diese genügt, wo Nachbesserungsbedarf besteht und wie beschränkt unser Horizont
dabei ist, könnte Gegenstand einer eigenen Erörterung werden, jedenfalls lässt
sich hier dem Gedanken entgegentreten, die Täterschaft der Vernichtung läge in
der Natur, sei Teil der deutschen Kultur und damit unvermeidbar, was uns nun
endlich zur ursprünglichen Frage zurückgeführt hat. Unser Wesen, also unsere
Natur scheint unsere Kultur zu prägen und diese lebt von ihm, dahingestellt,
was wir davon derzeit natürlich nennen, was zivilisiert und was unnatürlich
überformt.
Einer, der noch in dieses System
der Vernichtung hineingeboren wurde, half es geistig zu überwinden, auch wenn
er zumindest formal so verstrickt war, wie die wohl meisten in einer Diktatur,
wurden seine Gedanken zur Demokratie und ihren sozialen Systemen entscheidend
und wichtig für den Aufbau einer zivilen Kultur des Diskurses. Für den
Systemtheoretiker Niklas Luhmann, einen Bielefelder, dass es also allem
Anschein in der geistigen Welt jedenfalls wirklich gab, beginnt geschichtlich
gesehen Kultur erst dann, wenn es einer Gesellschaft gelingt, nicht nur
Beobachtungen vom Menschen und dessen Umwelt anzustellen, sondern auch Formen
und Blickwinkel der Beobachtungen der Beobachtungen zu entwickeln.
Es läge nun nahe an die
Frankfurter Schule, ihre Vordenker und Schüler zu schreiben, den großen
Habermas zu erwähnen und seine Theorie des Diskurses und wie weit die
diskursfähige Gesellschaft von ihren Wurzeln ist oder wie nah sie schon an
ihnen ist, wer wir wirklich sind als natürliche Wesen und ob diese Natur
vernünftig ist, wir liebend also weniger oder gerade um so mehr menschlich
wären, wenn uns unsere Natur bestimmt also zumindest nichts, was wir im ersten
Moment logisch begreifen können.
Es soll sich hier die ewige
Diskussion um göttliche Wesen erspart werden, warum wer sie sich ausdenkt,
wieso sie manche für wahr halten und meinen, wer sich nur an die Fakten halte,
glaube genauso, eben an Fakten, wie sie eben an erdachte Götter, da es müßig
ist, denen die glauben, es gäbe höhere Wesen, die etwas schöpften, zu
erläutern, dass diese Hypothese sich schon im Grundsatz von der bloßen Betrachtung
der Welt unterscheidet, die diese eben als natürlich betrachtet und was auf ihr
lebt und gedeiht ebenso.
Eine Betrachtung der Welt, die
sich die Frage nach dem Zusammenhang von Natur und Kultur stellt, muss sich
allerdings logisch auch diesem wichtigen Teilaspekt der allermeisten Kulturen
stellen, eben der Suche nach höherem Sinn, dem transzendieren und also dem
metaphysischen, stets spekulativen Grund des Seins, den die Natur nicht stellt,
die einfach ist, die sich aber die Menschen überall auf dem Planeten durch alle
Jahrtausende stellten, als gehörte es zu unserer Natur an Götter zu glauben,
einen Sinn zu suchen oder auf ein Leben nach dem Tod zu hoffen, wurden da die
irrwitzigsten Konstruktionen erdacht mit bekannter teilweiser Geringschätzung gegenüber
Andersdenkenden, dem menschlichen Leben oder Frauen insbesondere.
Ist die Annahme eines
metaphysischen Seins, also eines solchen, das über dem natürlichen Sein steht,
geboten und sinnvoll oder ist es nur wieder eine Flucht vor der Wirklichkeit, deren
Grenzen manchen zu unromantisch scheinen, jedenfalls wohl nicht genügen,
erfüllt und friedlich darin zu leben, da sie sich weiter massenhaft, um bloßer
Glaubensfragen wegen, gegenseitig umbringen, teilweise sogar schon in den
Hauptstädten der westlichen Demokratie atavistische Narren ihre tödlichen Riten
an denen praktizieren, die sie für die Bösen halten.
Stellt sich die Frage, woher wir
wissen wollen, was gut und was böse sei und was uns befähigt, darüber für
andere zu urteilen. Diese Frage, die für so manchen schon die nach dem Sinn des
Seins war, was zwar schon eine Antwort in der Frage enthält, ohne dass noch
irgendeine Offenheit gegeben wäre, was ist, gilt als eine nach den letzten
Dingen. Sie sind das Thema der
Metaphysik, die hier insofern relevant wäre, als sie der Bereich ist, in dem
die Menschen am intensivsten ihre geistigen Neigungen von der Natur
unterscheiden, eine solitäre Welt sich erdenken, die neben der Natur stünde und
damit unsere Kultur seit Jahrtausenden mitprägen.
Was genau ist die Metaphysik, von
welcher Relevanz ist sie noch und wie stellen wir uns, unserer Natur gemäß zu
ihr?
Die Metaphysik, was von
lateinisch metaphysica wie von griechisch μετά, metá stammt, was „danach,
hinter, jenseits“ heißt, und φύσις, phýsis, „Natur, natürliche Beschaffenheit“,
ist bis jetzt eine Grunddisziplin der Philosophie. Metaphysische Systementwürfe
behandeln in ihren klassischen Formen die zentralen Probleme der theoretischen
Philosophie, die da wären die Beschreibung der Fundamente, Voraussetzungen,
Ursachen oder „ersten Gründe“, der allgemeinsten Strukturen, Gesetzlichkeiten
und Prinzipien sowie von Sinn und Zweck der gesamten Wirklichkeit bzw. allen
Seins. Das, worum es sich im Kern dreht, wie wir gerne meinen oder wie es im
Faust formuliert ist, „was die Welt im innersten zusammenhält“.
Konkret bedeutet dies, dass die
klassische Metaphysik die sogenannten „letzten Fragen“ verhandelt:
Gibt es einen letzten Sinn, warum
die Welt überhaupt existiert? Und dafür, dass sie gerade so eingerichtet ist,
wie sie es ist?
Gibt es einen Gott/Götter und
wenn ja, was können wir über ihn/sie wissen? Was macht das Wesen des Menschen
aus?
Gibt es so etwas wie „Geistiges“,
insbesondere einen grundlegenden Unterschied zwischen Geist und Materie
(Leib-Seele-Problem)?
Besitzt der Mensch eine
unsterbliche Seele, verfügt er über einen Freien Willen?
Verändert sich alles oder gibt es
auch Dinge und Zusammenhänge, die bei allem Wechsel der Erscheinungen immer
gleich bleiben?
Ob diese Fragen so sinnvoll oder
natürlich sind oder bereits Ausdruck einer abseitigen Bewegung kann
dahinstehen, sie beschäftigen die Menschen überall auf der Welt seit
Menschengedenken, sind also jedenfalls Teil der menschlichen Kultur und die
wichtigsten Seiten der Kultur wurden aus den jeweiligen Antworten entwickelt,
gaben der Philosophie wie der Politik oft entscheidenden Ansporn, waren also
faktisch immer relevant, auch wenn sie logisch oder natürlich irrelevant sein
könnten.
Die Gegenstände der Metaphysik
sind dabei nicht durch empirische Einzeluntersuchungen zugängliche, sondern
diesen zugrundeliegende Bereiche der Wirklichkeit. Also eine emprisch nicht
erfassbare Wirklichkeit, was in der Natur, die ja eben messbar ist, schon ein
Wunder an sich ist.
Dieser Anspruch, Erkenntnisse außerhalb
der Grenzen der sinnlichen Erfahrung zu formulieren, wurde natürlich auch
vielfach kritisiert – die allgemeine Metaphysikkritik begleitet die
metaphysischen Systemversuche von Anfang an und sind, auch wenn im 19. und 20.
Jahrhundert entwickelt, oftmals als ein Kennzeichen moderner Weltanschauung
verstanden worden. Dagegen meinen bis heute viele, Fragen nach einem letzten
Sinn und einem systematisch beschreibbaren „großen Ganzen“ als auf natürliche
Weise im Menschen angelegt, als ein „unhintertreibliches Bedürfnis“ (Kant), ja
den Menschen sogar als „animal metaphysicum“, als ein „metaphysiktreibendes
Lebewesen“ (Schopenhauer) sehen zu müssen, als gäbe die geistige Möglichkeit
einer Fragestellung dieser eine natürliche Existenz. Seit Mitte des 20. Jahrhunderts
werden, seltsam genug, klassischer analytisch-empiristischer und kontinentaler
Metaphysikkritik zum Trotz, wieder komplexe systematische Debatten zu
metaphysischen Problemen von Seiten meist analytisch geschulter Philosophen
geführt. Ob damit der häufig damit verbundene Kampf der Kulturen ein Teil
unserer Natur ist oder nur ein vielleicht sogar erwünschter Nebeneffekt der
Polarisierer, die ihr Weltbild erhalten wollen, den begründeten Zweifeln zum
Trotz, wird eine der spannenden Fragen der Zukunft sein, die wir für uns zu
beantworten haben werden, wenn wir sittlich werten wollen.
Sich diesem Grenzbereich zwischen
Logik und altem Aberglauben zu nähern, scheint zunächst keiner angemessener als
der Königsberger Philosoph mit seinem oben zitierten unhintertreiblichen
Bedürfnis. Wie sah Imanuel Kant das Thema im Verhältnis zur Natur, ist der, der
die bis heute gültige Begründung unserer Freiheit in sittlicher und moralischer
Hinsicht fand auch der taugliche Maßstab in Fragen der Metaphysik oder ist es mal
wieder an der Zeit ein Denkmal auch in diesem Bereich zu stürzen.
Erkenntnis setzt für Kant Denken und Anschauung voraus. Metaphysische
Gegenstände wie „Gott“, „Seele“ oder ein „Weltganzes“ sind aber nicht
anschaulich gegeben. Die traditionelle Metaphysik sei daher undurchführbar. Sie
müsste eine „geistige Anschauung“ voraussetzen, ein Erkenntnisvermögen, das
ohne sinnliche Anschauung Zugriff auf ideelle Gegenstände hätte. Da wir ein
solches Vermögen nicht besitzen, ist die traditionelle Metaphysik bloß
spekulativ-konstruktiv. Kants Auffassung gemäß ist es prinzipiell nicht
möglich, zu einer rationalen Entscheidung der zentralen Fragen zu kommen, ob es
einen Gott, eine Freiheit des Willens, eine unsterbliche Seele gibt. Sein Fazit
lautet:
„Die menschliche Vernunft hat das besondere
Schicksal in einer Gattung ihrer Erkenntnisse: dass sie durch Fragen belästigt
wird, die sie nicht abweisen kann; denn sie sind ihr durch die Natur der
Vernunft selbst aufgegeben, die sie aber auch nicht beantworten kann; denn sie
übersteigen alles Vermögen der menschlichen Vernunft.“
Insoweit fällt die Zustimmung
leicht und ist die Logik gut zugänglich. Alles Metaphysische ist also nicht
vernünftig fassbar und auch nicht beweisbar, wir müssen uns nur mit bestimmten
Fragen geistig auseinandersetzen, da wir sie uns stellen. Unklar bleibt dabei
noch, was nun in der Natur des Menschen und der Sache liegt und was davon zu
separieren wäre, ob überhaupt etwas.
Ausgehend vom
praktisch-sittlichen Handeln versuchte Kant nun in der Kritik der praktischen
Vernunft eine Neubegründung der Metaphysik. Die praktische Vernunft stelle
notwendig „Postulate“ auf, deren Erfüllung die Voraussetzung sittlichen
Handelns darstellt und an diesen wird die Notwendigkeit der Idee einer
Metaphysik in unserer Natur dann wohl zu messen sein
- Die Freiheit des Willens muss gefordert werden, da
ein sittliches Gesetz keinen Sinn hat, wenn es nicht zugleich die Freiheit
dessen gibt, der das Gesetz erfüllen soll.
Insoweit wird noch logisch
zuzustimmen sein, da nicht erkennbar ist, wie wir uns darüber und damit
auseinandersetzen wollten, wenn wir es nicht könnten. Die Annahme des Willens
als frei könnte aber auch noch viel mehr als ein Postulat der praktischen
Vernunft sein, sofern wir einen natürlichen Beweis für seine Existenz führen
können, ihn empirisch belegten, was teilweise die Hirnforschung in aktueller
Selbstanmaßung zu widerlegen versucht (hier in Die Freiheit – als eine schöne
Kunst betrachtet
http://grossstadtflaneur.blogspot.de/2013/05/die-freiheit-als-eine-schone-kunst.html
).
Hier laufen wir nun Gefahr, auf
den beim Thema Natur und Kultur schnell vom Wege abführenden Pfad der
Diskussion der Prädestination zu geraten. Dennoch kann er nicht ignoriert
werden, weil das bloße Postulat der Willensfreiheit bei der Frage nach der
Natur unserer Kultur zu keiner befriedigenden Antwort mehr führen kann, es sei
denn, wir sähen die Fähigkeit zur Setzung dieses Postulates als Kulturleistung
sui generis an, was zumindest zweifelhaft scheint.
Es stellt sich also die Frage, ob
die bloße Möglichkeit einen freien Willen zu beschließen, genügen kann dessen
faktische Existenz qua natura zu begründen.
Die Antwort ist, erstaunlich beim
Thema und hinsichtlich des Vorangehenden, erstaunlich schlicht: Ja, es genügt.
Es ist immer noch das Credo des Descartes, das cogito ergo sum, ich denke also
bin ich, das hier seine praktische Antwort findet. Weil ich es denken kann und
es mich zu fragen fähig bin, ist es existent.
Nur ob die Wahrnehmung dessen,
was mir mein Gehirn und seine neuronalen Netze hier vielleicht vorgaukeln, die
Wirklichkeit ist, oder nur eine erdachte Welt, ein geistiger Kosmos, wird damit
nicht beantwortet, genauso wenig, ob dies unserer Natur entspricht oder eine
abseitige kulturelle Entwicklung infolge völliger Selbstüberschätzung ist. Es
könnte dahin stehen, sofern wir mit der selbst geschaffenen Welt in den Grenzen
unseres Horizontes leben könnten. Da wir es seit tausenden von Jahren mit
differrierenden Antworten tun, spricht viel für ein faktisches Können. Es ist
nicht widerlegt, dass wir leben, gehen wir also davon aus, wir tun es noch und
nehmen wir, was wir zumindest denken können als für gedacht, dann stellen sich
viele Fragen nicht mehr. Unsere natürliche Existenz und ihre Neigung sich zu
hinterfragen, belegt sich selbst im so sein. Wir müssen also zum ersten
Postulat feststellen, es ist überflüssig, hier den sicheren Boden der Natur zu
verlassen und sich auf das luftige Trapez der Metaphysik zu schwingen. Bevor
wir nun fragen, ob der Meister aus Königsberg irrte, ironisch brach oder absurd
war, wenden wir uns noch den anderen Postulaten zu.
- Die Unsterblichkeit der Seele ist notwendig, weil
sich der konkrete Mensch in seiner natürlichen, nach Glückseligkeit
suchenden Existenz dem moralischen Gesetz nur „in einem ins Unendliche
gehenden Progressus“ annähern kann; diese Annäherung behält aber nur unter
der Voraussetzung Sinn, dass der Tod sie nicht wertlos macht, sondern ihr
„über das Leben hinaus“ Bedeutung verleiht.
Eine doppelte Verneinung ist in
aller Regel eine Bejahung, die nur betont wird. Was die Seele oder eine Seele
überhaupt sein soll, wird hier nicht erläutert, sondern selbst postuliert, auch
wenn diese nicht nachweisbare Existenz von etwas außerhalb unserer selbst, das
Anteil an uns haben, aber noch sein soll, wenn wir nicht sind, schon eine sehr
kühne Phantasie ist und für den Lukrez Anhänger Kant eher nach einem ironischen
Scherz klingt. Dazu kommt die Frage, was der, der in den Träumen eines
Geistersehers so treffend den Zeitgenossen und Phantasten Sevedenborg
zerfetzende Denker sich unter einer unsterblichen Seele wohl vorstellte, wenn
er doch schon seinen Geisterseher unter das folgende Motto stellte: velut aegri
somnia vanae finguntur species "Die leeren Gestalten werden erdichtet wie
Traumbilder eines Kranken."
Nichts geht uns der Tod an und
was über ihn hinaus sein sollte oder könnte, ist für das Sein völlig
irrelevant, schrieb schon Lukrez in seinem de rerum natura hundert Jahre bevor
der simplifizierende Messias der Reduktion erschien und das Denken einstellen
ließ über fast tausend Jahre und Kant schätze ihn sehr, wie sein Zeitgenosse
Friedrich II. oder deren Zeitgenosse Jefferson, der sich ähnlich auch äußerte.
Was kommt oder noch ist, bleibt bloße Spekulation, ist sicher nicht geeignet
eine kategorische Antwort auf dringende sittliche Fragen zu finden, eine
Handlungsperspektive zu geben, wieso gibt uns dann einer der klarsten und
konsequentesten Denker der Zeit eine solch absurde Antwort als
Grundsatzentscheidung über die Frage, worauf es ankommt, wenn er doch klar
postulierte, was die Metaphysik betrifft, haben wir zwar den Geist, uns diese
Fragen zu stellen aber nicht die Möglichkeit diese logisch zu beantworten, es
sind immer nur Postulate, die so wild sein können, wie sie wollen, und die
Geschichte der Menschheit zeigt hier manch absurde Entwicklung, sie haben
keinen logischen Grund und die Absurdität der Postulate, was sich beim Dritten
noch deutlicher zeigt, belegt, es kommt auf sie nicht an, wir können die
Metaphysik nicht ernst nehmen, sie bnasiert auf bloß willkürlichen Setzungen
und ist damit für die sittliche Autonomie im Sinne des kategorischen Imperativs
notwendig irrelevant, denn welchen regionalen Aberglauben wir auch zugrunde
legen, welcher Mensch auch immer seine Natur überwundern haben soll, um Prophet
zu Mekka oder Messias zu Jerusalem zu werden oder Buddha irgendwo im nirgendwo,
es sind und bleiben eben menschliche Geschichten, voller Erfindungsreichtum und
teilweise Schönheit, als kategorischer Maßstab werden sie nie taugen.
- Nur durch die Existenz Gottes aber ist garantiert,
dass Natur und Sittengesetz letztlich miteinander versöhnt werden. Gott
ist nur vorstellbar als ein Wesen, das sowohl die „von der Natur
unterschiedene Ursache der gesamten Natur“ als auch eine aus „moralischer
Gesinnung“ handelnde „Intelligenz“ ist.
Hier wird die doppelte Brechung
noch weiter getrieben und im Geiste des Lukrez, den der Königsberger
Philosophielehrer gut kannte, ist deutlich, dass Kant hier seinen Lesern den
Spiegel ihrer Blindheit vorhielt und es waren noch wenige, die tief hinein zu
sehen wagten.
Wer im kategorischen Imperativ
das Gewissen des Einzelnen über alles stellt, es dem Einzelnen aufgibt, sich an
seinem Gewissen zu orientieren, um einen Handlungsmaßstab zu finden, der sein
Tun kategorisch richtig macht, die Entscheidung über Gut und Böse eben in unser
Gewissen legte, kann nicht ernsthaft von einem erdachten Gott als Wesensgrund
phantasieren, der Natur und Sittengesetz miteinander versöhnt, wenn diese ihm
ohnehin eins sind. Der hier postulierte vernünftige Gott als moralische Instanz
gegenüber dem autonom handelnden Einzelnen in voller sittlicher Autonomie ist
eine notwendig absurde Konstruktion.
Kant redet Quatsch, um uns darauf
hinzuweisen, wie absurd die Begründung einer Metaphysik notwendig sein muss im
Lichte des kategorischen Imperativ und seines Freiheitsverständnisses – wer ihn
kannte und sein Freiheitsverständnis, auch den Lukrez las, wie sein König, der
aber den ostpreußischen Denker leider nicht las, könnte ihn verstehen,
ansonsten war er ein höflicher preußischer Beamter, dem niemand aufrührerische
Worte nachweisen konnten, auch wenn in seinem Imperativ schon die Wurzel der
Revolution mit ihrem Dreiklang von Freiheit, Gleicheit und Brüderlichkeit
seinen logischsten Ausdruck fand, auf dezent preußische Art nur.
Es kommt am Ende nicht darauf an,
ob es in unserer Natur liegt, die Frage nach höheren Wesen oder einem Sinn des
Seins zu stellen – das mag sein oder nicht sein – manche haben in ihrer
Phantasie mehr Geister, andere weniger – es kommt vielmehr darauf an, welchen
Nutzen wir aus dieser Frage ziehen und inwiefern es unser Leben bereichert,
außer um selbstbezügliche Antworten auf Fragen, die sich für den Ablauf der
Natur und die Funktion des Sittengesetzes unter autonom Handelnden, wie sie der
kantsche Imperativ aus sich heraus uns schenkt, nie stellen. Die Natur fragt ob
ihres Seins nicht nach seinem Sinn, sie fragt danach, wie wir es uns darin
möglichst angenehm machen, wie wir am besten und schönsten überleben.
Wir sind dabei für unser Glück verantwortlich,
wie, so weit wir es beeinflussen können, für unser Unglück. In dieser Freiheit
gestalten wir die Welt nach unserem Vergnügen, machen es uns schön, weil es
eben unsere Natur ist, es so schön wie nur möglich haben zu wollen. Von diesem
Ergebnis aus auf den Weg schauend, stellt sich die Frage, warum die Menschen
immer wieder auf Wege setzten, die dieses Glück erschwerten und die Hoffnung
entweder auf ein Leben nach dem Tode setzten oder sich vor der Strafe danach
ihr Leben lang fürchten, statt ausgiebig zu genießen.
Weitsichtig waren die Baumeister
der geistigen Geschichte also immer dann nicht, will es scheinen, wenn sie
versuchten ihre Häuser in den Himmel zu setzen, Glauben für wahr hielten und
infolge anderen Menschen entweder ihre Überzeugung aufzwangen oder im Falle
eines misslingen dieses Versuches, sie zu vernichten versuchten oder in die Sklaverei
führten, die heute nur in ökonomischen Abhängigkeiten umgemünzt wurden, die
sich mit den Buchstaben nur noch formeller Verfassungen vereinbaren lassen.
Klug handelten sie und glücklich waren sie über längere friedliche Zeiten, wo
sie sich auf sich konzentrierten, sich mit dem Glück des Epikur, des Kreises
freier Geister bei maßvollem Essen und Wein zufrieden gaben, mit sich und ihrer
Natur zivilisiert als eine hohe Kultur des Geistes in Einklang lebten. Es geht
nicht um ein Plädoyer für das Mittelmaß, nichts liegt mir ferner, sondern um
ein klares Bekenntnis zum Streben nach Glück in größtmöglicher Harmonie mit
unserer Natur, die an unserer Neigung zum Übermaß leidet, wie wir an falscher
Moral es schon lange tun, bis sich endlich einer traut dem Grauen ein Ende zu
bereiten, an nichts zu glauben, als das persönliche Glück in einer harmonischen
Gemeinschaft eben endlich Lebender und so Natur und Geist in den Einklang
bringt, der uns am ehesten entspricht, in Frieden und wo möglich
leidenschaftlich liebend zu leben für den kleinen Augenblick, den wir haben und
was mehr könnte Kultur je erreichen als uns mit unserer Natur in Harmonie leben
zu lassen, wie immer wir sie uns gerade schön vorstellen?
Wer nach seinem Fundament schaut,
sollte auf sicheren Grund stehen - seltsam nur, dass Menschen dafür so gerne
die klaren Wege der Vernunft verlassen und jenseitige Antworten auf letzte
Fragen suchen. Um unserer Kultur und uns ein Haus für die Zukunft zu bauen,
sollten wir den Blick auf den Boden richten, bevor wir das Fundament ausheben,
in die Umgebung, um zu sehen, woher der Wind weht und von wo die Sonne wann
kommt – nach oben müssen wir nur dazu schauen, soweit wir Regen vor der
Fertigstellung des Daches fürchten müssen, ansonsten ist der Himmel für unsere
Zukunft irrelevant und sollte uns von da ein Meteorit erschlagen, weil wir auf
seiner Bahn liegen, wird sich nichts daran ändern, ob wir es vorher wissen oder
nicht, aber was uns auch trifft, haben wir zumindest bis dahin so glücklich wie
möglich gelebt im Bewusstsein unserer moralischen Autonomie als Kulturgut
unserer Natur entsprechend.
Machen wir es uns unserer Natur
gemäß als höchste Kulturleistung so schön wie möglich, es könnte schöner
werden, als wir noch ahnen, sich darauf einzulassen.
© jens tuengerthal 26.05.13